Donnerstag, 3. November 2011

Dom Erwin Kräutler: Bischof am Amazonas

Im schwarzen Rolli und mit blauer Strickweste steht Erwin Kräutler in der Tür seines Elternhauses und winkt. Eine Stickerei hat seine Familie hier früher betrieben. Von hoch oben schaut die Koblacher Kirche St. Kilian herunter, wo der 72-jährige Bischof als Bub ministriert hat. Den Vorarlberger Dialekt verbirgt seine tiefe Stimme nicht, auch wenn er über seine Arbeit in Brasilien spricht. Seinen gefährlichen Einsatz für die Natur, für die Indianer und die Armen am Xingu, dem letzten großen Nebenfluss des Amazonas.

MK: Sie sind in Vorarlberg aufgewachsen und arbeiten seit nunmehr 30 Jahren als Bischof am Amazonas. Wo ist Ihre Heimat?
Kräutler:
Ich habe meine Wurzeln nie verleugnet, aber ich lebe in Brasilien. Das war meine eigene Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue. Heimat ist mehr als geographische Umgebung, es ist auch die Kultur und hat vor allem mit Menschen zu tun. Man kann das nicht gegeneinander ausspielen.

MK:
Die brasilianische Regierung plant am Xingu den drittgrößten Staudamm der Welt. Durch das riesige Wasserkraftwerk Belo Monte würde auch Ihre Bischofsstadt Altamira teilweise überflutet. Hat der Protest gegen das Mammut-Projekt noch eine Chance?
Kräutler:
Der Bau ist bis heute nicht entschieden, es laufen neun Prozesse. Was ist das für eine saubere Energie, die 30.000 Menschen in Mitleidenschaft zieht? In Frage steht letztlich unsere Sicht der Natur, ohne die wir nicht leben können. Haben wir das Recht auf solche Eingriffe, die unabsehbare Konsequenzen auch für das Weltklima haben? Es geht ja nicht nur um Belo Monte, sondern auch um drei weitere Staustufen am Xingu, insgesamt 61 Projekte in Amazonien. Damit wäre das Land am Ende. Die brasilianische Regierung führt die Welt an der Nase herum. Durch den explosionsartigen Zuzug lebt unsere Stadt schon jetzt im Chaos, was das Gesundheits-, Bildungs-, Sicherheits- und Transportsystem anlangt.

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