Donnerstag, 30. Oktober 2014

"Welttreffen der Volksbewegungen" in Rom beendet


Kathpress, 28.10.2014
Papst empfängt Evo Morales und prangert Herrschaft des Geldes an
Boliviens Präsident nahm in Rom am Kongress sozialer Basisorganisationen teil - In langer Rede verurteilte Franziskus "heuchlerische" Initiativen, die Armen Hilfe nur vorgaukeln, aber in Wirklichkeit ruhigstellen sollen

Vatikanstadt, 28.10.2014 (KAP) Papst Franziskus ist am Dienstag mit dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales zusammengetroffen. Es handelte sich um ein "privates und informelles" Treffen und sei nicht wie üblich über die diplomatischen Kanäle organisiert worden, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Papst Franziskus drücke damit seine Liebe und Nähe zum bolivianischen Volk und der Kirche des Landes aus. Zudem wolle er zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Staat und katholischer Kirche beitragen.

Morales nimmt seit Montag in Rom am Kongress von Vertretern sozialer Basisorganisationen in der La-Sapienza-Universität teil. Das Welttreffen war von Franziskus angeregt worden. Die Mitglieder der "Volksbewegungen" - darunter Landlose und Indigene - kamen aus vielen Staaten insbesondere Lateinamerikas.

"Papst für manche ein Kommunist"
Franziskus empfing die Bewegungen am Dienstag im Vatikan und prangerte in seiner auf Spanisch gehaltenen Ansprache vor Kleinbauern und Landlosen aus der ganzen Welt Armut und ungerechte Güterverteilung in Entwicklungsgebieten an. In einer langen Rede verurteilte er am Dienstag im Vatikan außerdem "heuchlerische" Initiativen, die den Armen Hilfe nur vorgaukelten, sie aber in Wirklichkeit ruhigstellen sollten. "Land, Arbeit, ein eigenes Heim - seltsam, wenn ich darüber spreche, ist der Papst für manche ein Kommunist", sagte er.

Die Herrschaft des Geldes habe dazu geführt, dass die Reichtümer der Erde heute in den Händen weniger konzentriert seien, so der Papst weiter. Er ermutigte die Basisorganisationen, sich gegen soziale Ungerechtigkeit aufzulehnen und die strukturellen Ursachen der weltweiten Armut nicht einfach hinzunehmen. "Macht weiter mit eurem Kampf, damit tut ihr allen Gutes", sagte Franziskus wörtlich. Die Ausgebeuteten und Betrogenen dürften nicht einfach passiv auf Hilfe von außen warten, etwa von Nichtregierungsorganisationen.

Franziskus warnte aber auch vor ideologischen Irrwegen, denen er die Soziallehre der katholischen Kirche gegenüberstellte. Sie gehe davon aus, dass die Liebe zu den Armen im Zentrum des Evangeliums stehe. Sie wollten selbst Gestalter ihres Lebens sein, sich organisieren und solidarisch für die Verbesserung ihrer Lebensumstände kämpfen, weil der Rest der Gesellschaft sie häufig vergesse.

Die Teilnehmer in der Großen Audienzhalle rief er dazu auf, sich nicht von Scheinstrategien blenden zu lassen, die Armut nur eindämmen sollten, um die betroffenen Massen ruhigzustellen. Oft versteckten sich hinter Maßnahmen gegen die Armut lediglich egoistische Interessen. Deren Initiatoren seien nach einem Wort Jesu nur als Heuchler zu bezeichnen. "Sagen wir es gemeinsam aus tiefster Überzeugung", so der Papst zu den Aktivisten: "Keine Familie ohne Dach über dem Kopf, kein Bauer ohne Land, kein Arbeiter ohne Rechte, kein Mensch ohne die Würde der Arbeit".

Das vom päpstlichen Friedensrat organisierte "Welttreffen der Volksbewegungen" dauert seit Montag und endet am Mittwoch. Neben den Themen Landlosigkeit und bäuerliche Armut geht es dabei auch um andere prekären Arbeitsverhältnissen, Migranten und die Ausbeutung von Jugendlichen in Entwicklungsländern. Der linksgerichtete bolivianische Präsident Evo Morales ist einer der Hauptredner.


Religion.orf.at, 29.10.2014
Franziskus: „Für manche ist der Papst ein Kommunist“
„Land, Arbeit, ein eigenes Heim - seltsam, wenn ich darüber spreche, ist der Papst für manche ein Kommunist“, sagte Franziskus am Dienstag bei einem Treffen mit Boliviens Präsidenten Evo Morales.


Radio Vatikan, 30.10.2014
Papst Franziskus – ein Kommunist? „Ich bitte Sie.“
Papst Franziskus – kommunistisch? „Ich bitte Sie.“ Der Kanzler der Päpstlichen Akademie für Wissenschaften, Bischof Marcelo Sanchez Sorondo, rückt einen Eindruck zurecht, das einige Medien in Nachklang der Begegnung des Papstes mit Vertretern sogenannter Volksbewegungen verbreitet haben. „Keine Familie ohne Dach überm Kopf! Kein Bauer ohne Land! Kein Arbeiter ohne Rechte! Kein Mensch ohne die Würde, die das Arbeiten verleiht!“, hatte Franziskus in seiner Rede vor den Angehörigen der Volksbewegungen gesagt, die er in der Alten Synodenaula im Apostolischen Palast empfing. Bischof Sanchez Sorondo:

„Der Papst hat selbst gesagt, er werde beschuldigt, kommunistisch zu sein, hat aber hinzugefügt, in Wirklichkeit seien es die Kommunisten, die dem Evangelium folgen… Natürlich nicht in ihrem Klassenkampf. Es ist doch interessant zu sehen, wie diese Volksbewegungen versuchen, die Soziallehre der Kirche zu befolgen ohne irgendeine Haltung der Revolution im Sinn von Gewalt.“

Seines Wissens sei es das erste Mal, dass Volksbewegungen im Vatikan empfangen wurden, fuhr der argentinische Bischof fort. Und das sei positiv:

„Wenn man den Ausgeschlossenen nicht die Tür öffnet, wenn man sie nicht hört, riskiert man, Gewalt zu säen!“

Die Arbeit der Volksbewegungen sei „ein Segen für die Menschheit“, sagte Papst Franziskus im Vatikan den Aktivisten. Sie waren zu einem dreitägigen Kongress nach Rom gekommen, den Franziskus selbst abgeregt hatte. Ausgerichtet wurde das Treffen vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden sowie von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Volksbewegungen sind in Lateinamerika weit verbreitet; sie verstärken die Stimme der Armen und Entrechteten in gesellschaftlichen Prozessen, die ansonsten oftmals die Interessen der Ökonomie in den Vordergrund stellen. Bischof Sanchez Sorondo:

„Die Volksbewegungen sind ein Zeichen dessen, was in der Welt geschieht. Sie stimulieren uns, sie lassen uns die Wirklichkeit von heute besser verstehen. Sie zeigen, was geschieht in einer Gesellschaft wie der unseren, wo man sich ausschließlich um den Profit sorgt und den Menschen beiseitelässt. So sind die Volksbewegungen wirklich ein Zeichen gegen das, was der Papst die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ nennt.“

ITP, 28. November 2014
Erklärung zum Abschluss des weltweiten Treffens Sozialer Bewegungen vom 27. bis 29. Oktober in Rom
Zum Abschluss des Welttreffens Sozialer Bewegungen wollen wir der Öffentlichkeit eine kurze Zusammenfassung dessen vorlegen, was in diesen drei historischen Tagen geschehen ist.
Übersetzung aus dem Spanischen: Norbert Arntz, ITP, Münster
Quelle: http://alainet.org/active/78404 – 29. 10. 2014


amerika21, 03.11.2014
Soziale Bewegungen fordern Einhaltung der Menschenrechte
Von dem weltweiten Treffen der sozialen Bewegungen mit Papst Franziskus ist eine Abschlusserklärung veröffentlicht worden.

Das Dokument kommt zu dem Schluss, dass das "unerbittliche Streben nach Profit" die Ursache für Krieg, Gewalt, ethnische Konflikte und Umweltprobleme sei. Die Arbeit der Kirche und der sozialen Bewegungen müsse sich daher gegen diesen "Genozid an der Erde" richten.


Vatican Radio, 2014-10-30
Pope meets members of World Meeting of Popular Movements
(Vatican Radio) Pope Francis met on Tuesday with participants in the World Meeting of Popular Movements which is holding a conference here in Rome to discuss problems facing the poor, the unemployed and those who’ve lost their land. The group chose to hold their three-day conference here because of Pope Francis’ particular attention to the struggles of the poor.

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Kräutler zu Brasilien-Wahl: Politik der Straßenwalze geht weiter


Am 28. Oktober 2014 sprach Dom Erwin Kräutler in der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG über das Thema »Leben mit den Armen - Kampf für Gerechtigkeit.«
Link zum Vortrag als Audio-mp3

Kommentare:

Kathpress, 29.10.2014
Kräutler zu Brasilien-Wahl:
Politik der Straßenwalze geht weiter
Bischof der Amazonasregion bei Vortrag im Wiener Raiffeisen-Haus: Neue-alte Präsidentin Rousseff bei Umwelt- und Indio-Fragen stur - Von der Fußball-WM ist bis auf leere Stadien nichts geblieben - Familiensynode ist Fingerzeig in die richtige Richtung

Wien, 29.10.2014 (KAP) Auch nach der jüngsten Präsidentenwahl werde es in Brasilien weiterhin ein "ungerechtes System" geben, in dem die Ärmsten in der Bevölkerung keinerlei Rechte und Stimme hätten. Das konstatierte der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler bei einem Vortrag am Dienstagabend im Wiener Raiffeisen-Haus. Der nur knappe Sieg der schon bisherigen Präsidentin Dilma Rousseff verdeutliche aber, dass die Menschen mit der Politik insgesamt unzufrieden seien. Auch der Umstand, dass ein Viertel aller Wahlberechtigen trotz genereller Wahlpflicht gar nicht zur Urne gegangen sei, wertete der Bischof als Zeichen der allgemeinen Politikverdrossenheit im Land.

Leider würde Rousseff ihre "Politik der Straßenwalze" nun weitere vier Jahr fortführen können, so Kräutler. Besonders bei Problemen hinsichtlich der indigenen Bevölkerung oder beim Umweltschutz habe die Präsidentin bisher immer auf stur geschaltet und keinerlei Dialog zugelassen. Dies werde sich wohl auch in Zukunft nicht ändern.

Durch den Bau der vielen Kraftwerke im Amazonasgebiet auf dem Gebiet der Indios habe man Tausende Menschen umgesiedelt und sie so komplett aus ihren Lebensverhältnissen gerissen. Die Umweltzerstörung in Amazonien sei enorm und habe gravierende Auswirkungen auf das Weltklima, warnte Kräutler: "Die Umweltzerstörung macht nicht an der brasilianischen Staatsgrenze Halt."

Der Schutz der indigenen Bevölkerung sei zwar in der Verfassung verankert, in der Realität würden die Indios aber weiterhin enteignet, zwangsumgesiedelt und kulturell beschnitten, beklagte der Bischof von Xingu. Wenn man damit aufhöre, sich für die Rechte der Indigenen einzusetzen, seien diese in wenigen Jahrzehnten mit Sicherheit komplett verschwunden, warnte Kräutler.

WM war "wahnsinnige Geldverschwendung"
Eine "wahnsinnige Geldverschwendung" sei die Fußball-WM im vergangenen Sommer gewesen, sagte Kräutler weiter. Bis auf die leeren und überdimensionierten Stadien sei nichts übrig geblieben. An der Situation der Menschen habe sich nichts geändert, und vom versprochenen wirtschaftlichen Aufschwung sei nichts zu sehen.

Wenn man sehe, wie viele Kinder im Land weiterhin an Unterernährung litten oder dass Millionen Menschen weder lesen noch schreiben könnten, wirke der Aufwand, der betrieben wurde, "unmoralisch und geradezu grotesk". Mit den Olympischen Spielen 2016 stehe aber bereits der nächste Großevent an. Die Politik habe deswegen die Weltmeisterschaft schon längst ad acta gelegt.

Synode: Einige Aussagen waren ärgerlich
Die kürzlich zu Ende gegangene Familiensynode in Rom wertet Kräutler generell als ein gutes Zeichen. Dass eine Mehrheit der Teilnehmer bei der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen sich für Änderungen ausgesprochen habe, sei ein Fingerzeig in die richtige Richtung. Der Kommunionempfang dürfe nicht "als Belohnung, sozusagen als Prämie für die Guten, die Gerechten und Gesetzestreuen" angesehen werden. Kräutler: "Wer braucht denn mehr die Kraft aus der Eucharistie als Menschen, von deren Ehe nur ein Scherbenhaufen übrig geblieben ist?"

Verärgert zeigte sich der Bischof in Bezug auf die Aussagen einiger Synodenteilnehmer, das Zerbrechen der Familie sei eine rein westeuropäische Thematik. Die Wandlung des traditionellen Familienbildes sei überall auf der Welt zu erkennen, auch in Südamerika.

Beeindruckt zeigte sich Kräutler vom Auftreten und Wirken Papst Franziskus'. Der Papst habe ihn bei einer kürzlichen Privataudienz bestärkt, sein Engagement für die Armen fortzusetzen.

Der Vortrag von Bischof Kräutler fand im Wiener Raiffeisen-Haus statt. Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding Wien-NÖ, würdigte Kräutler als außergewöhnlichen Menschen, der nie den bequemen Weg gegangen ist". Sein Einsatz für die Menschen in Amazonien sei von besonderem Mut gekennzeichnet. Jede Gesellschaft leben letztlich davon, dass sich Menschen mutig für ihre Überzeugungen einsetzen, so Hameseder. Das gelte für Brasilien wie auch für Österreich.


Wiener Zeitung, 29.10.2014
Erwin Kräutler: Mutig, geradlinig, authentisch
Bischof Erwin Kräutler faszinierte im Wiener Raiffeisenhaus mit biblisch fundierten Aussagen über Armut, Klimaschutz und Kirchenreform.

"Wir waren arm, hatten aber immer etwas zum Essen." Mit Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in Vorarlberg leitet Bischof Erwin Kräutler seinen Vortrag zum Thema "Leben mit den Armen - Kampf für Gerechtigkeit" ein. "Richtig habe ich die Armut erst in Südamerika kennengelernt", erzählt er seinen Zuhörern im vollen Saal des Wiener Raiffeisenhauses am Donaukanal. Dom Erwin, wie er in seiner Diözese am brasilianischen Xingu genannt wird, spricht an diesem Dienstagabend ohne Manuskript über sein Leben, über seinen Einsatz für die Ausgebeuteten und Unterdrückten, über seine Träume von einer erneuerten Kirche. Vieles davon kann man in seinem Buch "Mein Leben für Amazonien" (Tyrolia Verlag) nachlesen, das er nach dem Vortrag zu Dutzenden signiert. Manches von dem, was er sonst sagte, steht auch schon in einem Interview, das er kürzlich der "Wiener Zeitung" gab.

Schon Erwins Onkel, dessen lange Briefe in der Familie herumgereicht wurden, war Priester und dann Bischof am Xingu. Als er selbst als junger Priester dorthin kommt, empfindet er die Gegensätze, die er dort vorfindet und das biblische Gleichnis vom reichen Prasser und vom armen Lazarus wachrufen, als Schock: einerseits bitterste Armut, anderseits ein höherer Militär, der in Saus und Braus lebt. "Ich habe mich nie damit abgefunden", sagt Dom Erwin. Und: "Armut fällt nicht vom Himmel. Armut ist kein Schicksal, Armut wird gemacht."

Bischof Kräutler schildert den Weg der katholischen Kirche in Südamerika zur "Option für die Armen", beginnend mit der kontinentalen Bischofssynode von Medellin nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, den Aufbau von Basisgemeinden. "Das ist kein verkappter Marxismus", betont er, "die Befreiungstheologie ist ganz biblisch!" Ihr Ausgangspunkt sei das dritte Kapitel im alttestamentarischen Buch Exodus: "Ich habe das Elend meines Volkes gesehen..." Dazu komme natürlich das Neue Testament, vor allem mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter.

"Ich habe nie provoziert", betont Dom Erwin. Zur Symbolfigur für das Ringen der Armen und der Indigenen in Brasilien ist er geworden, weil er schlicht und einfach auf der Basis des Evangeliums für deren Rechte eintrat. Als Menschen, denen man monatelang ihren gerechten Lohn vorenthalten hat, die wichtige Durchgangsstraße Transamazonica blockieren und er sich mit ihnen solidarisiert, wird er brutal misshandelt. Er staune manchmal selbst, meint er schmunzelnd, wie dieses Ereignis von 1983 später immer mehr ausgeschmückt wurde. Tatsache ist: Nach Anschlägen auf ihn und der Ermordung von Mitarbeitern lebt er seit Jahren unter Polizeischutz.

Die gegenwärtige Politik Brasiliens, die den Ausbau von Kraftwerken am Xingu und Amazonas plant, kritisiert er heftig: "Damit ist Amazonien am Ende." Mit der Präsidentin Dilma Rousseff gebe es keinen Dialog. Dass sie nur knapp wiedergewählt wurde und trotz Wahlpflicht ein Viertel der Brasilianer den Wahlurnen fernblieb, wertet er als "ein Zeichen, das gesetzt worden ist".

Mutig, geradlinig, authentisch - und humorvoll, diese Eigenschaften stechen an Erwin Kräutler hervor. Er ist glaubwürdig empört, wenn er anprangert, wie arme Menschen ausgebeutet werden, den Indigenen ihr verfassungsmäßiger Schutz entzogen werden soll, die weit über Brasilien hinaus wesentliche klimaregulierende Funktion des Regenwaldes zerstört wird. Er leidet sichtlich am kirchlichen "Legalismus", denn das Gesetz Christi bestehe doch aus Liebe und Gnade.

Was Brasilien betrifft, so sei die Fußball-WM abgehakt, für die damit verbundene Verschwendung, die sich bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro fortzusetzen droht, hat Dom Erwin angesichts der sozialen Not im Land kein Verständnis. "Der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da, es ist umgekehrt", stellt er eindeutig fest.

Die Brasilianische Bischofskonferenz sei immer hinter ihm gestanden, versichert Kräutler. Auch der frühere Papst Johannes Paul II., obwohl dieser immer wieder Befreiungstheologen maßregeln ließ, habe ihm den Rücken gestärkt. Spannendes weiß er von seiner zwanzigminütigen Begegnung im April 2014 mit Papst Franziskus, mit dem er offensichtlich auf einer Linie ist, zu berichten. Das sei eines seiner schönsten Erlebnisse als Bischof gewesen: "Er hat mich gefragt, was ich über dieses und jenes denke, das ist mir noch nie passiert."

Als er von Kardinal Peter Turkson aus Ghana erfahren hat, dass eine Umwelt-Enzyklika geplant ist, hat Dom Erwin darauf gedrungen, dass Amazonien darin vorkommt, und ist prompt zur Mitarbeit eingeladen worden. Seinen Beitrag zu dieser nun unmittelbar bevorstehenden Umwelt-Enzyklika hat er gerade per E-Mail in Rom abgeliefert, berichtet er dem Publikum im Raiffeisenhaus.

Die jüngste Bischofssynode mit dem vorhergehenden einmaligen Vorgang einer weltweiten Befragung sieht Kräutler positiv. Zwar sei die Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen verfehlt worden, aber schon die einfache Mehrheit bedeute einen Fortschritt. Dieses Problem sei weltweit groß und keineswegs auf Europa beschränkt. Er könne sich nicht vorstellen, jemanden von der Kommunion wegzuschicken, der jahrelang treu in einer neuen Beziehung lebe und Woche für Woche zum Gottesdienst komme.

90 Prozent der Gemeinden in Kräutlers Diözese sind priesterlos, haben folglich keine regelmäßigen Eucharistiefeiern. 70 Prozent aller Gemeinden erleben nur drei- oder viermal im Jahr eine katholische Messfeier. Papst Franziskus sei diese Problematik sehr bewusst. Der Papst, so Kräutler, sympathisiere mit Ideen des deutschen Bischofs Fritz Lobinger, der in Südafrika wirkte. Dessen Gedanken laufen darauf hinaus, dass jede Gemeinde drei "Älteste" wählt - Männer, aber auch Frauen -, die kirchlich beauftragt werden, am Sonntag der Messfeier vorzustehen, unter der Woche aber gewöhnlichen Berufen nachgehen. "Theologisch gibt es dagegen keine Einwände, das ist ein Frage des Kirchenrechts", sagt Kräutler. Der Zölibat sei durchaus sinnvoll, betont Dom Erwin, "aber um der Eucharistie willen soll es auch einen anderen Priestertyp geben. Das wird so kommen, und es wird nicht mehr lange dauern. Davon bin ich überzeugt."

Dieser Blog analysiert und kommentiert Erwin Kräutlers Vortrag nicht im Detail, sondern will nur einige seiner wichtigsten Inhalte wiedergeben und dick unterstreichen. "Eine andere Welt ist möglich", lautet die Kernaussage des Bischofs, jeder sei eingeladen, dort, wo er steht, daran mitzuarbeiten. Dem ist gar nichts mehr hinzuzufügen.





Aktuelles Interview in:

DerSonntag, 5.11.2014
Bischof Kräutler: "Die Armut fällt nicht vom Himmel"
Seit beinahe fünf Jahrzehnten setzt sich Erwin Kräutler für die Menschen in Amazonien, insbesondere für die indigene
Bevölkerung, ein. Als Bischof von Xingu hat er die Entwicklung der Kirche in Lateinamerika entscheidend mitgestaltet.

Montag, 27. Oktober 2014

Feier zu Ehren Bischof Kräutlers in Koblach


Anlässlich seines 75. Geburtstags wurde Bischof Erwin Kräutler von seiner Heimatgemeinde gefeiert.

Vorarlberg-Online, 27.10.2014
Feier zu Ehren des Bischofs
Ein abendfüllendes Festprogramm erwartete Bischof Erwin, wie er liebevoll von seinen Heimatbürgern genannt wird, als am Freitagabend sein runder Geburtstag in der Dorfmitte gefeiert wurde. Die Gratulanten lauschten gespannt den Erzählungen des Bischofs, über sein Leben am Xingu. Veranstalter war die Gruppe „Koblach am Xingu“, der Abend war ein Dankeschön an einen Mann, der sein Leben dem Wohle der Menschen geweiht hat.

Mein Volk am Xingu
Schon am frühen Abend konnten die Gäste sich mit ihrem Bischof über sein bewegtes Leben im Tiefland von Brasilien unterhalten. Erwin Kräutler, ein echter Koblacher Sohn, reiste ans Ende der Welt, wo er sich seit 1965 um die Indios kümmert. Seit 1980 ist Erwin Kräutler Bischof und Prälat von Xingu, der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens. Im Jahre 2010 wurde dem Missionar für seinen Einsatz für die Menschenrechte der Indios und die Erhaltung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet der alternative Nobelpreis verliehen. Ein großer Mann des Herzens, der mit einem Lächeln im Gesicht über sein abenteuerliches Leben berichtet.

Buntes Rahmenprogramm
Natürlich wurde auch ausgiebig gefeiert, Fritz Maierhofer begrüßte erfreut den Koblachstämmigen Bischof, die KummaBläser spielten zu Ehren des Jubilars, der Männerchor brachte ebenso ein Ständchen, wie die Schulkinder der Mittelschule und Volksschule. Günter Schatzmann moderierte gekonnt den Festabend, interviewte Erwin Kräutler und amüsierte sich zusammen mit den Gästen königlich über die humorvollen Antworten des Gefragten. In lockerer, ausgeglichener Atmosphäre konnten die Gratulanten mit ihrem Bischof Kräutler diskutieren und philosophieren.

Volksblatt.li, 30. Oktober 2014
Begegnungsabend in Koblach
Die Dorfmitte in Koblach war Schauplatz eines besonderen Begegnungsabends. Bischof Erwin Kräutler feierte seinen 75. Geburtstag und zudem fand auch eine Vernissage mit Buchpräsentation statt. (Youtube-Video)

Knapper Sieg für Amtsinhaberin Rousseff

ORF.at, 27.10.2014
Brasilien stimmt hauchdünn gegen Wende
Mit einem nur knappen Vorsprung hat die brasilianische Amtsinhaberin Dilma Rousseff am Sonntag die Stichwahl um das Präsidentenamt für sich entschieden. Das Ergebnis von ein wenig mehr als 51 Prozent der Stimmen lag weit hinter den Prognosen auch der jüngsten Umfragen zurück. Damit straften die Wähler Rousseff und ihre gemäßigt linke Arbeiterpartei wohl für zuletzt publik gewordene Korruptionsskandale in ihrem Umfeld ab. Möglicherweise brachte sich Rousseffs konservativer Herausforderer Aecio Neves mit einer taktischen Fehlentscheidung im Wahlkampffinish vor allem selbst um das Amt.

Der Standard, 27. Oktober 2014
Knappe Stichwahl: Dilma Rousseff bleibt Präsidentin Brasiliens
Amtsinhaberin gewinnt zweite Wahlrunde mit mehr als 51 Prozent vor dem konservativen Herausforderer Aécio Neves

Tagesschau.de, 27.10.2014
Brasilianische Präsidentin gewinnt Stichwahl
Ein Warnschuss für Rousseff
In der knappsten Wahl seit Brasiliens Rückkehr zur Demokratie ist die linke Präsidentin Rousseff mit minimalem Vorsprung wiedergewählt worden. Der Schock zeigt Wirkung: Die Amtsinhaberin verspricht Reformen.

Spiegel-Online, 27.10.2014
 Brasilien: Rousseff gewinnt Wahl zur Präsidentin knapp
Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Amtsinhaberin Dilma Rousseff hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien knapp gewonnen. Sie wolle nun eine "viel bessere" Staatschefin sein als bisher, kündigte sie an.
Dilma gewinnt Nord/Nordosten, aber auch Minas Gerais und Rio; Aécio gewinnt São Paulo und den Süden

Zeit-Online, 27.10.2014
Präsidentschaftswahl
Rousseff ruft Brasilianer zur Einheit auf
Die amtierende Präsidentin Brasiliens hat sich in der Stichwahl knapp gegen ihren Rivalen durchgesetzt. "Ich bin offen für den Dialog", versprach sie in ihrer Siegesrede.


Traductina, 13.11.2014 (Auszüge)
Für das Verständnis des Wahlsiegs von Dilma Rousseff
Von Leonardo Boff
In dieser Präsidentschaftswahl waren Brasilianer und Brasilianerinnen mit der biblischen Situation konfrontiert, von der der Erste Psalm spricht. Sie hatten zwischen zwei Wegen zu wählen: dem einen, der für Erfolg und mögliche Freude steht, und dem anderen, der zu Fehler und unvermeidbarem Unglück führt.

Alle Voraussetzungen waren gegeben für einen perfekten Sturm mit Verzerrungen und Verleumdungen, die durch die Massenmedien und die sozialen Netzwerke verbreitet wurden. Vor allem eine Zeitschrift übertrat deutlich die Grenzen journalistischer, sozialer und persönlicher Ethik, indem sie Unwahrheiten abdruckte, um die Kandidatin Dilma Rousseff zu diskreditieren. Hinter all dem standen die am meisten rückwärtsgewandten Eliten, denen es in erster Linie darum geht, ihre Privilegien zu verteidigen, statt sich für die persönlichen und sozialen Rechte aller einzusetzen.

Angesichts dieser Feindseligkeiten bestärkte Präsidentin Dilma, die in den Kerkern der repressiven Organe der Militärdiktatur Folter zu erleiden hatte, ihr Image, nahm an Entschlossenheit zu und nahm ihre Energien zusammen, um jedem Angriff zu begegnen. Sie zeigte sich so, wie sie ist: eine mutige und tapfere Frau. Von ihr geht Vertrauen aus, eine grundlegende Tugend für Politiker. Sie zeigt Integrität und erträgt keine Halbheiten. Dies ruft in der Wählerschaft ein Gefühl der Festigkeit hervor.

Ihr Sieg ist zum Großteil auf ihre Anhänger zurückzuführen, die auf die Straße gingen und große Demonstrationen organisierten. Das Volk zeigte, dass es in seinem politischen Bewusstsein gereift ist und wusste, biblisch gesprochen, wie es den Weg zu wählen hatte, der am richtigsten erscheint, indem es Dilma wählte. Sie errang den Sieg mit mehr als 51 % der Stimmen.


Infos, Analysen und Grafiken auf O Globo (portugiesisch):

Freitag, 17. Oktober 2014

Erwin Kräutler zur Synode: Franziskus lässt Geist des Konzils wieder aufleben

Kräutler-Interview in der Wiener Zeitung vom 17.10.2014
Bischofssynode
Mehr Mut für Nöte der Familien
Bischof Erwin Kräutler erhofft von Familien-Synode in Rom Reformen und warnt vor rassistischen Tendenzen in Brasilien.

Kommentar:

Religion.orf.at, 17.10.2014
Kräutler zu Synode: Gegen „sturen Legalismus“
Der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler hat sich in Bezug auf die Synode im Vatikan für mehr Barmherzigkeit und gegen ein Beharren auf einem „sturen Legalismus“ ausgesprochen.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Erwin Kräutler ist Mitunterzeichner der Erklärung "Für eine Sorgfaltspflicht in der Rohstoff-Lieferkette"

Auch Bischof Erwin Kräutler ist unter den 71 (!) Unterzeichnern der Erklärung:

Für eine Sorgfaltspflicht in der Lieferkette, um die Finanzierung von Konflikten zu beenden
Unternehmen verkaufen Produkte aus Rohstoffen, mit denen Gewalt und Leiden geschürt werden.
Wir, die Verantwortlichen der Kirchen weltweit, rufen die EU auf, diesem Zustand ein Ende zu setzen.
Link zur Erklärung als PDF


CIDSE, 9.10.2014
Catholic leaders’ statement on conflict minerals
Available in DE - EN - ES - FR


Kommentare: 

MISEREOR, 14.10.2014
Konfliktrohstoffe: Die Finanzierung von Gewalt muss ein Ende haben
Bischöfe weltweit rufen das Europäische Parlament zur Nachbesserung des Gesetzentwurfs auf

70 Bischöfe aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Europa appellieren in einer gemeinsamen Erklärung an das EU-Parlament, endlich verbindliche Regeln aufzustellen, die die Finanzierung von gewaltsamen Konflikten durch den Handel mit Rohstoffen verhindern.

MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel begrüßt die Erklärung. "In unserer Projektarbeit haben wir täglich die Konflikte und die Folgen vor Augen, die durch den Abbau und lukrativen Handel von Rohstoffen weiter geschürt werden", so Spiegel. "Auch deutsche Unternehmen sind für ihre Lieferketten verantwortlich." Wie andere europäische Firmen importieren sie unzählige Rohstoffe aus den Ländern des globalen Südens, deren Förderung oft mit gewaltsamen Konflikten und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen einhergeht. Zudem dient vielen Konfliktparteien - etwa in Kolumbien, Myanmar oder der Demokratischen Republik Kongo - der Handel mit Rohstoffen als Finanzierungsquelle. Konfliktrohstoffe werden auch in Deutschland in der Automobil-, Maschinenbau-, Elektro- und Energieindustrie verarbeitet.

Um zu verhindern, dass Erträge aus dem Handel mit Mineralien zur Finanzierung gewaltsamer Konflikte verwendet werden, hat die EU-Kommission im März 2014 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt. "Der Entwurf ist allerdings zu schwach und wird den Handel mit Rohstoffen aus Konfliktgebieten kaum eindämmen", stellt Spiegel klar. So schreibt der Text keine verbindlichen Regeln zur Sorgfaltspflicht vor, sondern setzt auf freiwillige Selbstzertifizierung seitens Unternehmen, die Konfliktrohstoffe in den EU-Binnenmarkt einführen. Zudem soll das Gesetz nur Unternehmen betreffen, die Tantal, Wolfram, Zinn und Gold in den europäischen Markt einführen (Erst-Importeure), nicht aber Firmen, die andere Rohstoffe, wie z.B. Erdöl, Kupfer und Kohle importieren. Auch die weiterverarbeitenden Industrien und Hersteller von Endprodukten sind von diesem Gesetz ausgenommen.

In ihrer gemeinsamen Erklärung fordern die 70 Bischöfe aus 26 Ländern, darunter MISEREOR-Kommissionsmitglied Weihbischof Johannes Kreidler, das EU-Parlament dringend auf, Änderungen in dem aktuellen Gesetzesentwurf vorzunehmen: Anstatt auf freiwillige Selbstzertifizierung zu setzen, müssen rechtlich bindende Verpflichtungen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht eingeführt werden - und zwar für alle Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, also von der Mine bis zum Endprodukt. Weiter darf sich die EU nicht nur auf vier Mineralien beschränken, sondern muss andere Rohstoffe mit einbeziehen.

"Der weltweite Aufruf von Bischöfen aus Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern ist ein starkes Zeichen", erklärt Spiegel. "Nun bleibt es der Politik anheimgestellt zu reagieren und ein Gesetz zu verabschieden, das den Handel mit Konfliktrohstoffen dauerhaft und effektiv unterbindet."


Katholisch.de, 14.10.2014
Bischöfe: Moralischerer Rohstoffhandel gefordert

70 katholische Bischöfe aus aller Welt haben die Europäische Union zu verbindlichen moralischen Regeln für den Rohstoffhandel aufgerufen. Als einer der weltweit größten Handelspartner importiere die EU beträchtliche Mengen Rohstoffe aus Konfliktgebieten, betonten die Bischöfe in dem Schreiben. Eine Reihe europäischer Unternehmen werde über ihre Lieferketten zu Mittätern von Missbrauch und Menschenrechtsverletzungen. Diese Situation sei nicht hinnehmbar.

Zwar begrüßten die Bischöfe den Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission von März 2014, der die negativen Konsequenzen des Rohstoffhandels einzudämmen versuche. Dennoch müsse die Verordnung weiter gehen. Etwa müssten alle Unternehmen der Handelskette zur Verantwortung gezogen werden, von der Förderung über den Import bis hin zum Zulieferer und Endabnehmer. Außerdem müsse der Abbau von mehr Rohstoffen berücksichtigt werden als nur Zinn, Tantal, Wolfram und Gold.

EU kann Beitrag zur Beendigung der Konflikte leisten
"Die EU hat die einzigartige Gelegenheit, einen Beitrag zur Beendigung gewalttätiger Konflikte im Zusammenhang mit Rohstoffen zu leisten", betonten die Bischöfe. Zu den Unterzeichnern gehören Bischöfe sowohl aus Europa als auch aus Lateinamerika, Afrika und Asien. Als deutscher Vertreter unterschrieb der Weihbischof von Rottenburg-Stuttgart, Johannes Kreidler.

Begrüßt wurde der Aufruf vom katholischen Hilfswerk Misereor. Die gemeinsame Forderung von Bischöfen aus Entwicklungs- und Industrieländern sei ein "starkes Zeichen", so Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. Ähnlich wie die Bischöfe betonte er, dass der aktuelle Entwurf der EU-Kommission zu schwach sei und den Handel mit Rohstoffen aus Konfliktgebieten kaum eindämme. Der Text setze bei Unternehmen, die Konfliktrohstoffe in den EU-Binnenmarkt einführten, etwa lediglich auf eine freiwillige Selbstzertifizierung.


Kathpress.at, 14.10.2014
70 Bischöfe fordern: Bergbau darf keine Menschenrechte verletzen
Linzer Bischof Schwarz und Amtskollegen in aller Welt nehmen EU-Parlament in die Pflicht - Ausbeutung und Finanzierung bewaffneter Konflikte durch Handel mit Rohstoffen unterbinden

Wien-Brüssel (KAP) 70 katholische Bischöfe - darunter auch der Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz - haben die EU in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, schärfer gegen Menschenrechtsverletzungen in Bergbaugebieten in Schwellen- und Entwicklungsländern vorzugehen. Vor dem Hintergrund, dass sich das EU-Parlament mit einem Gesetzesentwurf zur Sicherstellung verantwortungsvoller Gewinnung von Konfliktrohstoffen befasst, erklärte Österreichs "Entwicklungshilfe-Bischof" Schwarz am Dienstag in einer Aussendung: "Es darf nicht sein, dass europäische Unternehmen Rohstoffe importieren, deren Gewinnung in den Abbauregionen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen schürt."

Wie 70 seiner Amtkollegen in aller Welt forderte Schwarz die EU in der am Dienstag veröffentlichten Erklärung zu klaren und verbindlichen Regelungen hinsichtlich Konfliktrohstoffen auf (Titel des Textes: "Church leaders call for EU rules on conflict resources to be binding and consistent").

Initiiert wurde der bischöfliche Schulterschluss gegen Ausbeutung und Unterdrückung von CIDSE, dem internationalen Netzwerk katholischer Entwicklungsorganisationen, dem auch die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission (KOO) angehört.

Als einer der 70 Unterzeichner wies Bischof Schwarz auf einen weiteren Aspekt hin: "Die EU hat derzeit die Möglichkeit, ein für alle Mal die Finanzierung von bewaffneten Konflikten durch den Handel mit Rohstoffen zu verhindern. Dazu muss das EU-Parlament sich dieser Herausforderung stellen und mit der neuen Regulierung internationale Ansätze weiterführen, anstatt in einen niedrigeren Standard zu verfallen."

Die EU importiere unzählige Rohstoffe aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die bei der Förderung "sehr oft mit gewaltsamen Konflikten und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen einhergehen", heißt es in der Aussendung. Auch Partner der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar - Österreichs größter EZA-Solidaritätsaktion - seien davon betroffen, dass der Abbau von Rohstoffen und der Handel damit in vielen Regionen der Welt, wie zum Beispiel in Kolumbien und Myanmar, als Finanzierungsquelle für diverse Konfliktparteien und Gewaltakteure dienen. "Auch österreichische Unternehmen, die diese Rohstoffe verarbeiten, tragen eine Mitverantwortung, erklärte Martin Krenn von der Dreikönigsaktion. "Wer Rohstoffe verarbeitet, die unter Missachtung von Menschenrechten abgebaut wurden, macht sich zum Komplizen der Ausbeuter."

"Freiwillige Selbstzertifizierung" unzureichend
Der Gesetzesentwurf, der von der EU-Kommission im März 2014 veröffentlicht wurde, soll dieser Problematik entgegenwirken. Darin fehlten jedoch verbindliche Regeln zur Sorgfaltspflicht, stattdessen sei nur eine freiwillige Selbstzertifizierung seitens der Unternehmen vorgesehen, die Konfliktrohstoffe in den EU-Binnenmarkt importieren, so die Kirchenkritik. Zudem umfasse der Gesetzesentwurf nur eine kleine Auswahl von Rohstoffen: Im Visier sind bisher nur Unternehmen, die Tantal, Wolfram, Zinn und Gold bearbeiten oder unverarbeitet in den europäischen Markt einführen. Andere Rohstoffe blieben unberührt, ebenso Hersteller oder Unternehmen, die verarbeitete Produkte importieren.

CIDSE-Präsident Heinz Hödl, zugleich KOO-Geschäftsführer in Wien, hofft, dass der "starke gemeinsame Vorstoß" der 70 katholischen Bischöfe zu entscheidenden Änderungen im jetzigen Gesetzesentwurf beiträgt. Statt freiwilliger Selbstzertifizierung durch profitorientierte Unternehmen bedürfe es einer rechtlich bindenden Verpflichtung zu menschenrechtlicher Sorgfalt, die für die gesamte Wertschöpfungskette gelten müsse. Unzureichend sei auch die Beschränkung auf nur vier Mineralien.


Religion.orf.at, 14.10.2014
Bischöfe kritisieren Ausbeutung durch Bergbau
70 katholische Bischöfe aus aller Welt haben die EU aufgefordert, schärfer gegen Menschenrechtsverletzungen in Bergbaugebieten in Schwellen- und Entwicklungsländern vorzugehen.

Österreichische Unternehmen tragen Verantwortung
Die EU importiere unzählige Rohstoffe aus Schwellen- und Entwicklungsländern, die bei der Förderung „sehr oft mit gewaltsamen Konflikten und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen einhergehen“, heißt es in der Aussendung. Auch Partner der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar - Österreichs größter EZA-Solidaritätsaktion - seien davon betroffen, dass der Abbau von Rohstoffen und der Handel damit in vielen Regionen der Welt, wie zum Beispiel in Kolumbien und Myanmar, als Finanzierungsquelle für diverse Konfliktparteien und Gewaltakteure dienen.
"Auch österreichische Unternehmen, die diese Rohstoffe verarbeiten, tragen eine Mitverantwortung, erklärte Martin Krenn von der Dreikönigsaktion. „Wer Rohstoffe verarbeitet, die unter Missachtung von Menschenrechten abgebaut wurden, macht sich zum Komplizen der Ausbeuter.“

Freitag, 10. Oktober 2014

Bischof Erwin Kräutler am 28. Oktober in Wien

Der Tyrolia-Verlag und die Theologischen Kurse Wien laden zum Vortrag von


Dienstag, 28. Oktober 2014, 18.00 Uhr
Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG
F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien

Dienstag, 7. Oktober 2014

Präsidentschaftswahl in Brasilien: Rousseff gegen Neves in Stichwahl


NZZ, 6.10.2014
Die Wahlen in Brasilien
Rousseff gegen Neves im zweiten Wahlgang
Nicht die politische Überfliegerin Marina Silva, sondern der oppositionelle Aécio Neves wird Präsidentin Dilma Rousseff im zweiten Wahlgang gegenüberstehen. Neves erzielte ein Glanzresultat, das nach den letzten Umfragen keiner erwartet hatte.

Tagesschau.de , 6.10.2014
Präsidentschaftswahl in Brasilien
Rousseff gegen Neves in Stichwahl
Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff hat bei der Präsidentschaftswahl die absolute Mehrheit verfehlt und muss erwartungsgemäß in die Stichwahl. Dort trifft die Politikerin der links-zentristischen Arbeiterpartei PT in drei Wochen auf Ex-Gouverneur Aécio Neves von den Sozialdemokraten. Die frühere Umweltministerin Marina Silva verpasste demzufolge den Einzug in die Stichwahl.
Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen kommt Rousseff auf 41,4 Prozent der gültigen Stimmen, Neves auf 33,8 und Silva auf 21,3 Prozent. Die Auszählung dauert noch an.

amerika21.de, 6.10.2014
Dilma Rousseff siegt – mit Rückschlägen
Erste Runde in Brasilien bestätigt Amtsinhaberin. Neoliberaler Neves überraschend vorn. Rechte setzt sich im Kongress und Parlament durch

Der Standard, 6.10.2014
Aécio Neves mischt bei der Wahl in Brasilien die Karten neu
In der Partei hatte Aécio Neves länger mit Widerstand zu kämpfen, jetzt tritt er gegen die brasilianische Amtsinhaberin Dilma Rousseff an

ORF, 12.10.2014
Brasilien: Silva unterstützt Präsidentschaftskandidaten Neves
Die brasilianische Umweltaktivistin Marina Silva unterstützt nach ihrem Ausscheiden aus dem Rennen um die Präsidentschaft den Oppositionskandidaten Aecio Neves. „Ich erkläre, dass ich ihm meine Stimme und meine Unterstützung gebe“, teilte Silva heute mit. Zuvor hatte sich der Sozialdemokrat Neves in einem offenen Brief - wie von Silva zur Bedingung gemacht - hinter eine Reihe sozialer und ökologischer Forderungen der Politikerin gestellt.


Der Standard, 6.10.2014
Clown erneut in Brasiliens Parlament gewählt
Mit mehr als einer Million Stimmen - Tiririca lernte erst als Abgeordneter schreiben

FAZ, 29.9.2014
Wahlwerbung in Brasilien
Clowns und Kommunistenjäger
Was haben Osama, Obama, Batman und Dengue gemeinsam? Sie alle treten bei den Wahlen in Brasilien an - mit ziemlich absurden Fernsehspots. Eine Auswahl der bizarrsten Kandidaten als Video.

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Tausende von Walrossen auf der Suche nach Eisschollen


ORF, 1.10.2014
Eis zieht sich Richtung Norden zurück

Dicht gedrängt liegen rund 35.000 Walrosse auf Land vor dem Inuitdorf Point Lay im nordwestlichen Alaska. Die Meeressäuger strandeten dort auf der Suche nach Eis. Für Umweltschützer ist das eine weitere Konsequenz des Klimawandels. Denn eigentlich verbringen die pazifischen Walrosse den Winter in der Beringsee.

Walrosse können nicht unbegrenzt schwimmen und brauchen die Eisschollen zum Rasten. Weibchen nutzen das Meereis für die Geburt und suchen im seichten Schelfmeer nach Nahrung wie Schnecken, Muscheln und Würmern. Durch die wärmeren Temperaturen im Sommer zieht die Eisgrenze aber immer weiter Richtung Norden. Die weiblichen Walrosse und die Jungen driften ebenfalls nach Norden zur Tschuktschensee, nördlich der Beringsee.

Die Walrosse sind auf der Suche nach Eis vor Alaska gestrandet

Die gestrandeten Walrosse vor Point Lay wurden nun von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) gesichtet. Nach Angaben des World Wide Fund For Nature (WWF) sammelten sich große Gruppen von Walrossen auch auf der russischen Seite der Tschuktschensee.
Schwierige Nahrungssuche

In den vergangenen Jahren zog sich das Eis zunehmend in Meeresregionen zurück, die tiefer als drei Kilometer sind. Dort können die Walrosse aber nicht mehr bis zum Grund tauchen und nach Nahrung suchen. In diesem Sommer erreichte das Meereis den sechstkleinsten Punkt, seitdem die Aufzeichnung der Satellitenüberwachung 1979 startete.

Neu ist das Phänomen nicht, es wird aber immer häufiger. Das erste Mal wurden Walrosse so weit im Norden bereits 2007 gesichtet. 2009 starben 130 Walrosse, vor allem Jungtiere, nach einem Ansturm auf Küstenland vor Alaska. Massenpanik kann auch durch einen Eisbären, menschliche Jäger und niedrig fliegende Flugzeuge ausgelöst werden. Auch heuer wurden wieder 50 Kadaver gefunden, berichtet Andrea Medeiros vom US Fish and Wildlife Service gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Die Todesursache wird noch untersucht.
„Umweltbedingungen ändern sich dramatisch“

Für Margaret Williams, zuständig für das WWF-Arktis-Programm, sind die gestrandeten Walrosse „ein weiteres auffallendes Zeichen dafür, wie sich die Umweltbedingungen aufgrund der Eisschmelze im Meer dramatisch ändern. (...) Die Walrosse erzählen uns, was schon die Eisbären und die indigene Bevölkerung der Arktis erzählt haben - dass sich die arktische Umwelt extrem schnell wandelt.“

Der WWF sieht den Klimawandel für den Eisbären als die größte Bedrohung. Umweltschützer fürchten, dass zwei Drittel der Population in den nächsten 40 Jahren durch Eisschmelze und den Verlust des Lebensraums verschwinden werden. Es sei nun an der Zeit für den Rest der Welt, das zur Kenntnis zu nehmen und Maßnahmen gegen die Ursachen des Klimawandels zu setzen, betonte Williams.


Die Welt, 1.10.2014
Alaska erlebt einen kolossalen Massenansturm
Die Nordwestecke der USA wird zur Zuflucht für Zehntausende Walrosse. Naturschützer vermuten, dass die riesigen Tiere wegen des zurückgehenden Polareises dort sind. Es gab bereits eine Massenpanik.

Zeit-Online, 1.10.2014
Schmelzendes Polareis
Alaskas Walrosse fliehen an den Strand
Mehrere Tausend Walrosse sind in Alaska an Land gegangen. Die scheuen Tiere flüchteten, weil die Eisschollen geschmolzen sind, auf denen sie sich normalerweise ausruhen.