Freitag, 29. August 2025

Interview mit Bischof Kräutler anläßlich seines 60. Priesterjubiläums

Kräutler: Auch Kirche in Amazonien braucht neuen synodalen Schwung

Austro-brasilianischer Bischof in Interview mit Vorarlberger "Kirchenblatt": "Mein Platz ist am Xingu"
Kathpress, 29.08.2025 (KAP) 

Nicht nur die Weltkirche, auch die Kirche in Amazonien braucht jenen Schwung, den Papst Franziskus der Kirche mit dem "Synodalen Prozess" verliehen hat: Das betonte der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler in einem Interview im Vorarlberger "Kirchenblatt" (aktuelle Ausgabe). War die Kirche Amazoniens Ende der 1960er und bis in die 1980er Jahre hinein noch Vorreiter an Synodalität, so sei dies in manchen Bereichen "von einem neo-hierarchischen Prinzip" und Geistlichen mit "pentekostalistischer Ausrichtung" überschattet, wodurch Priester und Bischöfe plötzlich wieder fast uneingeschränkt autoritär wurden. "Es bleibt zu hoffen, dass die 'Synode zur Synodalität' nun doch eine Neubesinnung bewirkt" und der Kirche wieder "neuen synodalistischen Schwung verleiht", so Kräutler.

Anlass des Interviews bot der 60. Jahrestag der Priesterweihe des aus Vorarlberg stammenden Bischofs am 3. Juli 1965 im Salzburger Dom. Unmittelbar danach ging Kräutler Anfang November 1965 nach Brasilien, wo er seither lebt und seit 1980 auch als Bischof wirkt. Gerade die Erfahrungen der kirchlichen Aufbrüche in Lateinamerika Ende der 1960er Jahre mit den Bischofskonferenzen von Medellin (1968) und Puebla (1979) und später die "Erste Versammlung des Volkes Gottes am Xingu" (1984) hätten ihn tief geprägt: "Wir erlebten jedes Mal pur das, was man nun wieder Synodalität nennt, denn alle zusammen, gemeinsam, heute würden wir sagen synodalisch, erarbeiteten und beschlossen wir, nach einer Evaluation der vergangenen, die pastoralen Linien für die folgenden fünf Jahre."

Seine ganze Liebe gelte bis heute den Menschen am Xingu - auch wenn er seine Heimat Vorarlberg nicht vergesse: "Ich weiß längst, dass mein Platz hier am Xingu ist, im brasilianischen Amazonien", so der 86-jährige Kräutler. "Ich gehöre längst zu diesem Volk. (...) Nicht, dass ich meine Wurzeln vergessen hätte. Wenn ich im Ländle bin, spreche ich nach wie vor gerne Dialekt mit Urkoblacher Färbung! Ich fühle mich mit Kirche und Land Vorarlberg und Österreich über alle Jahrzehnte hinweg verbunden und bin dankbar für all die Rückendeckung, die ich seit 60 Jahren erhielt und immer noch erhalte. Aber meine Lebensaufgabe, zunächst als Priester und dann seit 1981 als Bischof, versuche ich hier zu erfüllen."

Sowohl Papst Franziskus als auch Papst Leo XIV. seien Geschenke für die Kirche speziell in Lateinamerika, erklärte Kräutler weiter. Mit der Amazoniensynode von 2019 und dem Synodalen Prozess habe Papst Franziskus nicht nur Kirchengeschichte geschrieben, insofern Frauen erstmals auf einer Synode Stimmrecht hatten - er habe mit der Amazoniensynode auch dafür gesorgt, dass die "Sorgen und Anliegen der Kirche in Amazonien" bekannt gemacht wurden. In einer ähnlichen Spur sieht Kräutler auch Papst Leo. Er stehe für ein besonderes Missionsverständnis, demnach sich nicht nur die Botschaft, sondern der Bote selbst "inkulturieren" müsse - in voller Offenheit und Bereitschaft, die Mitmenschen zu lieben.



Ich bin bis heute ein Lernender
Vor 60 Jahren wurde Bischof Erwin Kräutler (86) zum Priester geweiht. Im Gespräch erinnert er sich an besondere Momente seines Lebens.

Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Bischof Erwin Kräutler: Inzwischen bin ich schon 86 und kann dem lieben Gott für meine Gesundheit nur danken. Alles geht ein bisschen langsamer und längere Reisen auf unseren Straßen ermüden mich rasch, Flussreisen weniger. Aber ich bin auch nicht mehr so viel unterwegs wie früher.

Haben Sie Pläne nach Vorarlberg zurückzukehren?
Bischof Kräutler: Ich weiß längst, dass mein Platz hier am Xingu ist, im brasilianischen Amazonien. Wenige Monate nach meiner Priesterweihe am 3. Juli 1965 in Salzburg nahm ich Abschied von meiner Familie, von Koblach, vom Ländle und bin seither mit ein paar Unterbrechungen hier. Ich gehöre längst zu diesem Volk. Das sagen mir die Leute immer wieder. Gerade am Geburtstag und kurz zuvor bei meinem Weihejubiläum erfuhr ich wieder, wie mich die Menschen hier mögen und „verwöhnen“. Nicht, dass ich meine Wurzeln vergessen hätte. Wenn ich im Ländle bin, spreche ich nach wie vor gerne Dialekt mit Urkoblacher Färbung! Ich fühle mich mit Kirche und Land Vorarlberg und Österreich über alle Jahrzehnte hinweg verbunden und bin dankbar für all die Rückendeckung, die ich seit 60 Jahren erhielt und immer noch erhalte. Aber meine Lebensaufgabe, zunächst als Priester und dann seit 1981 als Bischof, versuche ich hier zu erfüllen.

Wie sehen Sie Ihr Wirken in Brasilien? Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Bischof Kräutler: Seit meiner Ankunft hier ist mein Leben ein fortwährender Lernprozess. Ich musste nicht nur die portugiesische Sprache (und später auch indigene Sprachen) erlernen, sondern mich in die kulturellen Eigenarten des Volkes „einfühlen“. Ich musste lernen, zu denken, wie die Leute denken, wie sie empfinden, wie sie lieben und leiden. Ich bin bis heute ein Lernender. Anfangs war es gar nicht einfach, denn ich kam ja, beinahe noch als „Primiziant“ hier an den Xingu mit allem, was damals ein junger Priester für Ideen und Pläne hatte. Ich lebte in meinen Salzburger Jahren an der Theologischen Fakultät im Dunstkreis des II. Vatikanischen Konzils mit der freudigen und feurigen Stimmung eines neuen kirchlichen Frühlings, eines neuen Pfingsten, die uns alle erfüllte und begeisterte. Gott sei Dank erkannte ich rasch, dass ich hier nicht „Lehrer“, sondern „Schüler“ war und bei allem Enthusiasmus, eine neue Weise Kirche-zu-sein verwirklichen zu helfen, Etappen nicht überspringen darf. Ich musste lernen, auf die Leute zu hören und ihre Gangart zu respektieren.
Als ich dann im November 1980 zum Bischof ernannt wurde, hatte ich bereits 15 Jahre Erfahrung und konnte versuchen, mit dem Volk Gottes, im Sinne der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen von Medellin (1968) und Puebla (1979), neue Wege zu finden. Wir haben bereits 1984 die „Erste Versammlung des Volkes Gottes am Xingu“ ausgerichtet, mit etwa 800 von den kirchlichen Basisgemeinden am Xingu gewählten Vertreter:innen. Diese Erfahrung ist mir bis heute unvergesslich. Sie wiederholte sich nachher alle fünf Jahre! Wir erlebten jedes Mal pur das, was man nun wieder Synodalität nennt, denn alle zusammen, gemeinsam, heute würden wir sagen synodalisch, erarbeiteten und beschlossen wir, nach einer Evaluation der vergangenen, die pastoralen Linien für die folgenden fünf Jahre. Ich schrieb keine Hirtenbriefe. Das Volk Gottes schrieb Herdenbriefe und der Geist des Herrn war stets hautnah spürbar.
In so manchen Kirchen Amazoniens ist seither leider dieses synodale Prinzip von einem neo-hierarchischen Prinzip überschattet worden. Viele neue Bischöfe und junge Priester setzen auf die „alte Disziplin“, manchmal mit pentekostalistischer Ausrichtung, die dem Bischof und den Priestern eine fast uneingeschränkte Leitung des Diözesanlebens überlässt. Kirchliche Basisgemeinden fielen in Misskredit und wurden als „zu politisch“ gebrandmarkt, weil die Leute versuchten, ihren Glauben mit dem Leben in all seinen Dimensionen in Einklang zu bringen. Ein Mitbestimmungsrecht in der Kirche durch das Volk Gottes wurde zurechtgestutzt. Es bleibt zu hoffen, dass die „Synode zur Synodalität“ nun doch eine Neubesinnung bewirkt und den, bei den Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen beschlossenen Optionen wieder neuen „synodalischen“ Schwung verleiht, wie wir es so lange gewohnt waren und erleben durften.

Sie haben sich jahrzehntelang, oft unter lebensbedrohlichen Umständen, für gerechtere Arbeitsbedingungen für die Menschen in Brasilien und für den Schutz der Umwelt eingesetzt. Was hat Ihnen immer wieder Mut gemacht, nicht aufzugeben?
Bischof Kräutler: Ich denke da besonders an den Einsatz für die Indigenen Völker Amazoniens und unsere Mit-Welt. Der Begriff „Mit-Welt“ scheint mir viel angebrachter als das anonym anmutende Wort „Umwelt“. Mit-Welt bedeutet, dass wir Menschen dazu gehören, ein Teil dieser Welt sind und für sie Verantwortung tragen.
Ich war 17 Jahre lang Vorsitzender des Indigenen Rates der brasilianischen Bischofskonferenz. Beim Verfassungsgebenden Nationalkongress 1987/88 haben wir die Rechte der Indigenen Völker in die brasilianische Bundesverfassung gebracht, das Recht auf ihr angestammtes Land, auf ihre Sprache und ihre kulturellen und sozialen Ausdrucksformen. Bis heute setzen wir uns für Respekt den Indigenen gegenüber und die Achtung ihrer Rechte ein. Sie sind mir ein besonderes Anliegen und ich melde mich immer wieder zu Wort, wenn es um die Verteidigung ihrer Rechte geht. Leider macht man sich mit diesem Einsatz nicht nur Freunde, denn für Großgrundbesitzer, Bergwerksgesellschaften, Holzhändler sind die Indigenen seit eh und je ein Hindernis für ihre unersättliche Gier, die Naturreichtümer und Bodenschätze Amazoniens an sich zu reißen, ohne Rücksicht auf die indigenen Gemeinschaften. Wir sind in unserem kirchlichen Auftrag nicht nur „für“ die Indigenen da, sondern kämpfen „mit“ ihnen, an ihrer Seite, für ihre Rechte.
Amazonien, wie ich es 1965 antraf, gibt es nicht mehr. In den vergangenen Jahrzehnten wurde unsäglicher Raubbau betrieben und wir spüren heute bereits die Folgen der Entwaldung und Brandrodung. Die Temperaturen am Xingu sind in der Trockenzeit um Grade angestiegen. Kleinere Flüsse und Nebenflüsse, die immer Wasser führten, trocknen aus und Fische verenden. Selbst der Xingu, ein in normalen Zeiten unendlich wasserreicher Fluss, wird in der Trockenzeit teilweise seicht und die damit verbundene erhöhte Wassertemperatur bewirkt das Fischsterben. Wir weisen immer wieder auf unsere Verantwortung den zukünftigen Generationen gegenüber hin, um der Zerstörungswut Einhalt zu gebieten. Die Amazonas-Synode im Oktober 2019 im Vatikan, an der alle Bischöfe vom internationalen Amazonien teilnahmen, hat viel dazu beigetragen, dass wir uns als Kirche auch zum Sprachrohr der gemarterten Schöpfung machen.

Wie unterscheiden sich Christen und Katholiken in Brasilien im Vergleich zu Österreich bzw. Vorarlberg?
Bischof Kräutler: Ich mache nicht gerne Vergleiche. Jedes Land hat seine eigene Geschichte, seine Kultur, Sprachen und Traditionen. Im Vergleich zu Europa ist unsere Kirche immer noch „jung“. Vergleiche sind meist, individuell bedingt, einseitig und meist auch oberflächlich. Ich denke, unsere Kirche hat in jedem Land ihre Schönheit, aber auch ihre besonderen Sorgen und Nöte. Sie muss die „Zeichen der Zeit“ erkennen und sich den Herausforderungen ihrer Realität stellen.

Sie wurden vor 60 Jahren zum Priester geweiht.
Wie haben Sie diesen wichtigen Wendepunkt in Ihrem Leben in Erinnerung?

Bischof Kräutler: Natürlich ist die Erinnerung an meine Priesterweihe fest in meinem Gedächtnis verankert als „die Stunde“ schlechthin in meinem Leben, die meine Lebensgeschichte unwiderruflich in ein „Vorher und Nachher“ geteilt hat. Die Priesterweihe war für mich irgendwie tiefgreifender als die Bischofsweihe am 25. Jänner 1981 in Altamira, denn für das Priestertum habe ich mich selbst „entschieden“. Zum Bischof wurde ich vom Papst „ernannt“ und die Bischofsweihe war die Folge dieser Ernennung.
Im letzten Konzilsjahr, 1965, waren die Weihehandlungen noch nach dem vorkonziliaren Ritus. Das neue „Pontificale Romanum“ kam ja erst 1971 als Frucht des Konzils heraus. Der erste Schritt zur Weihe war die „Tonsur“, die ich mit den damaligen Kollegen meiner Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut und vom Priesterseminar in der erzbischöflichen Hauskapelle in Salzburg erhielt. Es wurde uns am Scheitel ein Fünf-Schilling-großes Glätzchen herausgeschnitten, sodass später, als ich wieder einmal zum Friseur ging, eine Friseurin mich fragte, ob ich wohl einen „Unfall“ mit einer Kopfverletzung erlitten habe. Nachher kamen die sogenannten Niederen Weihen (Ostiarier, Lektor, Exorzist und Akolyth) und schließlich spendete uns am 16. Dezember 1964 der damalige Salzburger Weihbischof Eduard Macheiner (später Erzbischof, +1972) im Kolleg unserer Kongregation St. Josef in Salzburg-Aigen die Subdiakonatsweihe. Ich schrieb damals in mein Tagebuch einen Vers aus Grillparzers "Medea": „Der Tag bricht an, mit ihm ein neues Leben…“. Vor dieser Weihe war eine handschriftliche Zölibatserklärung zu verfassen und dem Ordensoberen oder Rektor des Priesterseminars zu übergeben. Mit dieser Weihe begann auch die Verpflichtung zum täglichen Breviergebet, das ich bis heute mit Freude und viel persönlichem Gewinn verrichte, insbesondere nach der Reform der Gebetszeiten, die uns nun in einem Zwei-Jahres-Zyklus die gesamte Heilige Schrift zur Meditation anbietet.
Die Diakonatsweihe folgte zwei Tage später durch denselben Weihbischof, am frühen, eiskalten Wintermorgen des 18. Dezember 1964 in der altehrwürdigen Erzarbteikirche St. Peter in Salzburg.
Die Priesterweihe spendete uns am 3. Juli 1965 der damalige Erzbischof und 85. Nachfolger des Hl. Rupert, Andreas Rohracher (+ 1976) im Dom zu Salzburg. Wir waren zwölf Diakone. Ich schrieb am Vorabend der Weihe in mein Tagebuch: „... ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18) und dazu noch aus der Apostelgeschichte die Worte: „und ich werde ihm zeigen, wieviel er, um meines Namens willen zu leiden haben wird“ (Apg 9,16). Ich mache mir bis heute absolut keinen Reim darauf, warum mich damals gerade diese Schriftstellen so tief berührt hatten. Und verblüffend ist, wie sie sich im Laufe meines Lebens dann auch eindeutig erfüllt haben. Die Inschrift am Hochaltar des Salzburger Doms ist mir immer in Erinnerung geblieben: "Notas Fecisti Mihi Vias Vitae" (Du hast mir die Wege des Lebens kundgetan, Psalm 15,10). Selbstverständlich war damals der gesamte Weiheritus noch in lateinischer Sprache und einer der Höhepunkte der Zeremonien nach der Handauflegung war immer der von der Schola im gregorianischen Choral angestimmte Vers aus dem Johannesevangelium „Iam non dico vos servos, quia servus nescit quid facit dominus eius; vos autem dixi amicos, quia omnia, quae audivi a Patre meo, nota feci vobis” („Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles kundgetan habe, was ich von meinem Vater gehört habe“ Joh 15,15).
Am 18. Juli 1965 feierte ich mit meiner Heimatgemeinde Koblach in der renovierten Pfarrkirche St. Kilian die Erste Heilige Messe am neu erstellten Volksaltar „versus populum“ (zum Volk gerichtet), damals noch etwas Außergewöhnliches. Ein Triduum, geleitet von Dekan Roman Amann (auch ein Koblacher + 2011), stimmte die Pfarrgemeinde auf die Primiz ein. Mein lieber guter Heimatpfarrer Alfred Bildstein (+ 1970) war „Presbyter Assistens“ und mein Onkel Erich (+ 1985) hielt die Predigt auf seine berühmt feurige Art. Diakon war ein Verwandter meiner Familie, der langjährige Dekan Liechtensteins im Bistum Chur, Franz Näscher und Subdiakon mein Mitbruder und spätere Provinzial Pater Josef Epping (+ 1994). Der Kirchenchor sang die „Missa pro Patria“ von Johann Baptist Hilber und Theologen des Priesterseminars in Innsbruck (unter ihnen auch Josef "Joe" Egle) sangen die Zwischengesänge mehrstimmig und ergreifend nach der byzantinischen Chrysostomus-Melodie. P. Josef Gehrer, auch Koblacher und damals noch Student, fertigte eine Tonbandaufnahme an, ein Novum bei einer Primiz.
Am 2. November 1965, am Geburtstag meines Vaters, nahm ich Abschied von meiner Familie und Heimatgemeinde und bestieg am 4. November in Hamburg das Frachtschiff der Norddeutschen Lloyd „Emsstein“, das mich nach drei Wochen auf Hoher See am 25. November nach Belém, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Pará, brachte. Am 21. Dezember 1965 kam ich in Altamira am Xingu an. Gott Lob und Dank!

Papst Franziskus war Argentinier, Papst Leo XIV wirkte viele Jahre in Peru. Sind diese beiden Päpste wichtig für die Entwicklung des Christentums in Südamerika?
Bischof Kräutler: Nicht nur für Süd- oder Lateinamerika, sondern für die gesamte „katholische“ d. h. weltumspannende, in allen Kulturen, Sprachen und Kontinenten realisierbare Kirche unseres Herrn Jesus! Im nachsynodalen Apostolischen Schreiben zur Panamazonischen Synode, „Querida Amazônia“, sprach Papst Franziskus von vier Visionen: einer „sozialen Vision“, einer „kulturellen Vision“, einer „ökologischen Vision“ und einer „kirchliche Vision“. In der „kirchlichen Vision“ nannte er als „echte Erfahrungen von Synodalität auf dem Weg der Evangelisierung der Kirche in Amazonien“ die „Basisgemeinden, die die Verteidigung sozialer Rechte mit missionarischer Verkündigung und Spiritualität zu verbinden wussten“. Und weiter: „Viele ihrer Mitglieder haben sogar ihr Leben dafür hingegeben.“ (QA Nr. 96).
Was das Pontifikat von Papst Franziskus jedoch außerordentlich prägte, war die Synode: „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe, Mission“. Diese Synode ist aus zwei Gründen symbolträchtig:
• Sie war bis heute die längste Synode, begann im Oktober 2021 in den Ortskirchen, durchlief dann eine nationale und kontinentale Phase und gipfelte schließlich in der zweifachen Vollversammlung im Oktober 2023 und Oktober 2024 im Vatikan und will erst 2028 mit einer weltumspannenden Versammlung des Volkes Gottes einen Abschluss finden.
• Das erste Mal in der Kirchengeschichte (abgesehen von der Urkirche) hatten Laien Stimmrecht. Wir von Amazonien hatten dies bei der Panamazonischen Synode 2019 bereits eindringlich, aber leider noch erfolglos gefordert.
Das Abschlussdokument, das Papst Franziskus am 26. Oktober 2014 verabschiedete, „nimmt am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri teil, und als solches bitte ich um dessen Annahme“ schrieb Franziskus. In Bezug auf „indigene Völker“ und „Schöpfung“ nennt das Abschlussdokument bereits als Ausgangspunkt die Bitte um „Vergebung unserer Sünden. Wir schämen uns und treten für die Opfer des Bösen in der Welt ein. Wir benennen unsere Sünden beim Namen: gegen den Frieden, die Schöpfung, indigene Völker, Migranten, Kinder, Frauen, die Armen, das Zuhören, die Gemeinschaft. Dies hat uns verstehen lassen, dass Synodalität tatsächlich zuerst Reue und Umkehr erfordert“ (vgl. Nr. 6).
Der Erzbischof vom Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, den ich schon, bevor er Papst Franziskus wurde, persönlich kannte, war für uns in Amazonien wie „der Engel des Herrn“, der nun die schon Jahrhunderte alten Sorgen und Anliegen der Kirche in Amazonien beim Namen nannte und uns aufrief, allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, „con mucha coraje“ das Evangelium in Amazonien in amazonischen Ausdrucksformen und Sprachen zu verkünden und, vor allem, zu leben.

Einen wohl bleibenden Eindruck, wer und wie unser neue Papst, Leo XIV, ist, gab mir sein erster Segen „Urbi et Orbi“ und die damit verbundene Ansprache. Er sprach nicht in seiner Muttersprache Englisch, sondern auf Italienisch, der Sprache der Stadt Rom, deren Bischof er nun ist, und wandte sich dann auf Spanisch an das Volk Gottes der peruanischen Diözese Chiclayo. Leo XIV. brachte damit offen die Liebe und Zuneigung zum Ausdruck, die ihn mit den Menschen dieser Region im Nordwesten Perus zwischen Pazifik und Anden verbindet.
Die Worte in Spanisch an das Volk seiner ehemaligen Diözese zeugen von seinem Missionsverständnis. Die „Botschaft“, die wir verkünden muss „inkulturiert“ sein. Und nicht nur die Botschaft, sondern auch der Bote selbst muss sich „inkulturieren“. Von ihm wird die offene und aufrichtige Bereitschaft verlangt, die Menschen, zu denen er gesandt ist, als sein Volk, seine Brüder und Schwestern zu lieben. Das Fürwort „sein“, „mein“ ist niemals „besitzanzeigend“, sondern Ausdruck des Miteinanders. „Lasst euch nicht Rabbi nennen; denn ihr habt einen Meister, und ihr seid alle Brüder und Schwestern“ (vgl. Mt 23,8). Er wird zeitlebens versuchen, die Menschen mit der Liebe zu lieben, mit der Jesus sie liebte und sich bis zum Äußersten hingab. Er wird Jesus verkünden, seine Liebe bezeugen und zum „Knecht“ und zur „Magd“ des Volkes werden, „wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben“ (Mt 20,28).

Robert Francis Prevost lernte die Sprache des Volkes, seine Kultur und die Lebensart seines Volkes kennen. Sein bischöflicher und jetzt auch päpstlicher Wahlspruch weist genau in diese Richtung: „In Illo uno unum“ („In dem Einen sind wir eins“). Diese Worte stammen aus einer Predigt des heiligen Augustinus zu Psalm 127 und verdeutlichen: „Obwohl wir Christen viele sind, sind wir in dem einen Christus eins.“ Um keinen Zweifel daran zu lassen, nahm Robert Francis Prevost die peruanische Staatsbürgerschaft an und fügte in Peru, dem lateinamerikanischen Brauch entsprechend, den Nachnamen seiner Mutter, „Martínez“, zu seinem väterlichen Nachnamen Prevost hinzu. Ad multos annos!

Das Interview führte Ingmar Jochum.  Katholische Kirche Vorarlberg, 28.8.2025


Mittwoch, 20. August 2025

Weltklimakonferenz soll die Interessen der Armen berücksichtigen





Europa: Kirchen drängen zu mehr Umwelt-Engagement
Die bevorstehende Weltklimakonferenz COP30 in Belém (Brasilien) soll die Interessen der Armen und Verletzlichen ins Zentrum des Klima-Engagements rücken.
VaticanNews, 19.8.2025


2025 Season of Creation: European churches call for Peace with Creation
The joint statement from the Council of European Bishops’ Conferences (CCEE) and the Conference of European Churches (CEC) marks the 2025 Season of Creation, inviting prayer and action for our common home.
CCEE, 18.8.2025


2025 Season of Creation: European churches call for Peace with Creation
A joint statement from the Council of European Bishops’ Conferences (CCEE) and the Conference of European Churches (CEC) marks the 2025 Season of Creation, inviting prayer and action for our common home.
CEC, 18 August 2025

Freitag, 8. August 2025

Viele Absagen für Weltklimakonferenz in Belém



Kirchenfachstelle KOO verzichtet auf Teilnahme an Weltklimakonferenz
KOO-Leiterin Anja Appel erwartet keine wegweisenden Beschlüsse wie beim Pariser Abkommen 2015 - UN-Klimakonferenz vom 10. bis 21. November im brasilianischen Belem - Kritik an hohen Kosten, fehlenden Unterkünften
Katholisch.at, 05.08.2025


Klimagipfel im Urwald steht vor logistischen Problemen
Lula wollte die Welt an den Ort bringen, wo der Klimawandel am dramatischsten sichtbar ist. Jetzt kämpft die symbolträchtige COP 30 mit hausgemachten Problemen
Der Standard, 5. August 2025


Der Klimagipfel ist für viele zu teuer – für Öl- und Gaskonzerne nicht
Hohe Übernachtungskosten in Belém beschränken den Zugang der Zivilgesellschaft und erhöhen den Einfluss der fossilen Industrie. Das trübt die Aussicht auf Erfolg
Der Standard, 4.8.2025


KLIMAKONFERENZ
Van der Bellen reist nicht nach Brasilien
Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird im November nicht an der Weltklimakonferenz (COP30) in Brasilien teilnehmen, wie am Sonntag bekanntwurde. Gegenüber dem ORF wurde die Absage mit „Budgetdisziplin“ begründet. Angesichts exorbitanter Preise und großer logistischer Probleme im Veranstaltungsort Belem dürfte die Absage nicht die einzige bleiben.
ORF, 3. August 2025


Brasilien vor der COP30
Klimakonferenz mitten im Regenwald
Ein symbolischer Austragungsort: Ende des Jahres findet die Klimakonferenz im brasilianischen Belém direkt am Amazonas statt. Dafür wird der Klima-Hotspot nun zur Baustelle - Anwohner fühlen sich ausgeschlossen.
Tagesschau.de,  03.06.2025


COP30 in Brasilien: Klimawandel und Klima-Kipppunkte
Die internationale Klima-Agenda wird von Lösungsvorschlägen beherrscht, die eine Ökonomisierung der Natur vorsehen und Emissionen messen. Die erste Klimakonferenz in Amazonien eröffnet die Möglichkeit, Widersprüche dieser Ansätze zu reflektieren und Landrechte und territoriale Souveränität stärker in den Fokus internationaler Klimapolitik zu rücken.
Heinrich Böll Stiftung, 17. Juli 2025


Klimaziele bis zum Jahr 2035
Eindringlicher Appell aus Brasília
"So ehrgeizig wie möglich" müssten die neuen Klimaziele bis zum Jahr 2035 ausfallen, mahnen die Organisatoren der COP-Konferenz. Doch viele Staaten nehmen sich zum Einreichen noch Zeit. Eigentlich läuft die Frist am Montag aus.
Tagesschau.de, 06.02.2025


The US is sitting out the most consequential climate summit in a decade.
It may offer a victory to China
CNN, 29, 2025


UN Climate Change
Working together for climate action
United Nations >>

Montag, 4. August 2025

Fritz Lobinger 96-jährig verstorben



Aus Bayern stammender Bischof Lobinger gestorben
DURBAN ‐ Fast 70 Jahre lebte der gebürtige Passauer Fritz Lobinger als Missionar in Südafrika, davon 20 Jahre als Bischof in der Provinz Ostkap. Nun ist er in seiner Wahlheimat gestorben.
Katholisch.de, 04.08.2025


Fritz Lobinger ist tot. Die Weltkirche hat einen pastoralen Pionier verloren
Er wurde 1929 in Passau geboren, wurde als Priester der Diözese Regensburg Fidei Donum Priester[1] in Südafrika. Er gründete das südafrikanische Pastoralinstitut LUMKO. Dieses wurde fürs Bibelteilen bekannt. Die Implementierung des Zweiten Vatikanischen Konzils war ihm ein Herzensanliegen. Eine klerikale Kirche war ihm fremd. Wo er konnte, förderte er die Annahme der Taufberufung und auf diese aufbauend vielfältige Dienste in den Gemeinden. Zu diesem Anliegen hatte er 1973 in Münster mit der Arbeit „Katechisten als Gemeindeleiter, Dauereinrichtung oder Übergangslösung?“ promoviert. 1987-2004 war er Bischof in Aliwal-North in Südafrika. Dort konnte er seine pastoralen Träume einem Realitätscheck unterziehen. Jetzt ist er 96jährig von dieser Welt geschieden.
Zulehner-Blog, 3. August 2025


"Pastoraler Pionier": Zulehner würdigt verstorbenen Bischof Lobinger
Für Lobinger-Modell der Gemeindeleitung bekannter bayerisch-südafrikanischer Bischof mit 96 Jahren in seiner Wahlheimat gestorben
Katholisch.at, 04.08.2025 


„Fidei donum“ – ein Geschenk des Glaubens
Nachruf auf Bischof Dr. Fritz Lobinger, von Bischof Rudolf Voderholzer
Bistum Regensburg, 4.8.2025

Hintergrund: 

"Wir müssen politischer werden"
Der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler im miteinander-Interview.
Kräutler: Ich unterstütze den Vorschlag des aus Deutschland stammenden bereits emeritierten südafrikanischen Bischofs Fritz Lobinger. Dieser verteidigt die These, dass eine priesterlose Gemeinde aus ihren Reihen Älteste wählen sollte, die dann – als für diese jeweilige Gemeinde Ordinierte – den Eucharistiefeiern vorstehen. Wohlgemerkt, Lobinger meint keine Art Selbstbeauftragung, sondern eine sakramentale Weihe für die jeweilige Gemeinde, wobei die Geweihten in ihren zivilen Berufen und Familien bleiben würden. Wir dürfen den Menschen die Eucharistie nicht vorenthalten. Diesen Vorschlag hat übrigens auch der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl in seinem neuen, sehr beachtenswerten Buch Brot des Lebens. Mein Weg mit der Eucharistie erörtert.


TEAMPRIESTER STATT PRIESTERMANGEL - DAS "LOBINGER-MODELL"
Priestermangel: ein hausgemachtes Problem, dem hierzulande gerne mit der Fusionen teils sehr lebendiger Gemeinden begegnet wird. Dabei gibt es auch ganz andere Wege. Einen innovativen Ansatz hat der südafrikanische Altbischof Fritz Lobinger schon vor Jahren entwickelt. Hier ein kompakter Überblick von Prof. Paul M. Zulehner über das Modell und seine Anwendung.
Pfarrerinitiative,  27. März 2017


Explainer: Will Pope Francis allow married priests?
Another wide-ranging and frank press conference with Pope Francis on his flight home from World Youth Day in Panama raised a number of questions for reporters—and resulted in some wildly divergent headlines. Among the confused questions: Is Pope Francis open to married priests? Is he committed to maintaining celibacy for priests?
americamagazine.org, 29.1.2019


Eine Frage der Koexistenz:
Priester und Viri Probati nebeneinander
Von Fritz Lobinger
Allen scheint klar zu sein, dass der Priestermangel nur durch die Zulassung von bewährten, verheirateten Mitarbeitern zur Priesterweihe überwunden werden kann. Alle sind sich auch darin einig, dass eine solche Weihe von „Viri Probati" nur auf eine Weise stattfinden darf, die das bestehende Priestertum nicht in ernste Gefahr bringt.
Anzeiger für die Seelsorge, 30.4.2011 (2011!!)


Jeder kann die Bibel lesen
Der Erfinder des Bibel-Teilens
Der aus Deutschland stammende südafrikanische Bischof Fritz Lobinger (Aliwal) ist einer der Erfinder des Bibel-Teilens, das heute vielerorts praktiziert wird. Eine besonders wichtige Rolle spielt es im Leben der "Kleinen christlichen Gemeinschaften" in Asien. Der TAG DES HERRN sprach mit Bischof Lobinger anlässlich eines Besuches in Dresden
Tag des Herrn, 16.7.2004

80 Jahre Hiroshima



Das Erbe von Hiroshima - 80 Jahre Atomwaffen
80 Jahre nach Hiroshima ist die Angst vor Atomkrieg zurück. Die Geschichte zeigt: Das nukleare Zeitalter ist nicht vorbei - und seine Folgen bis heute spürbar.
ZDF, 03.08.2025


80 Jahre nach Hiroshima: Rückt die Atombombe wieder näher?
Am 6. August 1945 explodierte die erste Atombombe über Hiroshima. Diese Zäsur läutete ein nukleares Zeitalter ein, das die Welt bis heute in Atem hält
Der Standard, 3.8.2025


Hiroshima 80 Jahre nach Atombomben-Abwurf: Zurück ins Leben
Vor achtzig Jahren, am 6. August 1945 um genau 8.16 Uhr, wurde Hiroshima durch die Explosion einer US-Atombombe in Sekundenschnelle zerstört. Auf einer Radtour dort erlebt man den Alltag einer lebendigen, japanischen Großstadt, die aus der Asche der Katastrophe auferstanden ist.
KURIER, 3.8.2025


80 Jahre Hiroshima: Kirchen mahnen zu nuklearer Abrüstung
Eine atomwaffenfreie Welt bleibe ein wichtiges Ziel. Dies nicht aus den Augen zu verlieren, dazu haben die katholische Deutsche Kommission Justitia et Pax und die Evangelische Friedensarbeit zum 80. Jahrestag des Abwurfs der ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki aufgerufen.
Vatican News, 1.8.2025


Japan: Kathedral-Glocke von Nagasaki ruft wieder zum Frieden
Die Kathedrale in Nagasaki hat an diesem Samstag wieder eine zweite Glocke erhalten. Sie ersetzt das Original, das vor 80 Jahren bei der Atombombenexplosion zerstört wurde, und wird erstmals am Samstag, den 9. August um 11.04 Uhr läuten, dem Zeitpunkt des Bombenabwurfs. Gespendet haben die Glocke katholische Gläubige aus den USA, berichtet der vatikanische Fidesdienst.
VaticanNews, 2.8.2025


Hiroshima-Gedenken: 80 Jahre danach
2025 jährt sich der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zum 80. Mal. Menschen auf der ganzen Welt gedachten den Opfern. Auch Kardinal Christoph Schönborn hat zum 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki eindringlich zu einer nuklearwaffenfreien Welt aufgerufen.
Dossier auf Katholisch.at >>


Gebetswache zum 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Japan
Zum 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki findet seit Mittwoch bis Samstag die „Vigil for Peace" zum Gedenken der Opfer gegenwärtiger Konflikte und für den Weltfrieden statt. Die 75-stündige Gebetswache wird von der Gemeinschaft Sant’Egidio und dem Erzbistum Nagasaki gemeinsam mit weiteren Partnern organisiert.
VaticanNews, 7.8.2025

Freitag, 1. August 2025

Jan Niklas Collet erhält Erwin-Kräutler-Preis



Erwin-Kräutler-Preis geht heuer an deutschen Theologen Collet

Preisträger Jan Niklas Collet mit Dissertation „Die Theologie der Befreiung weiterschreiben. Ignacio Ellacuría im Gespräch mit dem dekolonialen und postkolonialen Feminismus“ an Universität Tübingen promoviert. Preis wird am 1. Oktober zum achten Mal an der Universität Salzburg vergeben.

Am 1. Oktober wird an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg der achte Erwin-Kräutler-Preis für kontextuelle Theologie, interreligiösen Dialog und befreiungstheologische Forschung verliehen (18 Uhr). Preisträger wird heuer der deutsche Theologe Jan Niklas Collet sein. Der gebürtige Dortmunder wurde 2024 mit seiner Dissertation „Die Theologie der Befreiung weiterschreiben. Ignacio Ellacuría im Gespräch mit dem dekolonialen und postkolonialen Feminismus“ an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen promoviert. Aktuell ist Collet geschäftsführender Vorstand des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche NRW e.V. Daneben ist er freiberuflicher Theologe und als Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk in Köln und Region tätig.

In seiner Forschung beschäftigt er sich mit politischen und befreienden Theologien sowie rechter Normalisierung, Klimagerechtigkeit, Migration und Kirchenasyl. In diesen Bereichen hat er mehrere Bücher veröffentlicht.

Antifundamentalistisch und dekolonial
In seiner Dissertation setzt sich Collet mit dem salvadorianischen Befreiungstheologen Ignacio Ellacuría SJ (1930–1989), der dekolonialen Feministin María Lugones (1944­–2020) und der postkolonialen Denkerin Chandra Talpade Mohanty (1955) auseinander. Auf dieser Grundlage formulierte er eine ebenso antifundamentalistische wie dekolonial informierte Befreiungstheologie für den europäischen Kontext. Sie analysiert unterschiedliche Formen von Herrschaft, etwa ökonomische, vergeschlechtlichte und rassialisierte, in ihrer strukturellen Verflechtung. Dazu entwickelt er das Konzept eines dezentralisierten Materialismus für den sozialwissenschaftlichen Analyserahmen der Theologie und argumentiert für eine stärkere Verbindung wissenschaftlicher befreiungstheologischer Reflexion mit dem Engagement von Christinnen und Christen in sozialen Bewegungen.

Zur Person
Jan Niklas Collet ist in Dortmund aufgewachsen. Er hat ab Oktober 2010 bis April 2017 Katholische Theologie an der Universität Münster sowie an der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt studiert. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut M.-Dominique Chenu in Berlin bei Professor Ulrich Engel und Professor Thomas Eggensperger sowie am Lehrstuhl für Systematische Theologie des Instituts für Katholische Theologie der Universität zu Köln bei Professorin Saskia Wendel und im DFG-Projekt „Die theologische Relevanz von Michael Tomasellos ‚Evolutionärer Anthropologie‘“ an der Professur für Systematische Theologie des Instituts für Katholische Theologie der TU Dortmund bei Professor Martin Breul. Zudem war er Promotionsstipendiat des Cusansuswerks. Mit seiner Dissertationsschrift „Die Theologie der Befreiung weiterschreiben. Ignacio Ellacuría im Gespräch mit dem dekolonialen und postkolonialen Feminismus“ wurde er 2024 an der Katholisch-Theologischen Universität Tübingen promoviert. Die Arbeit erschien als Buch in der Reihe „ratio fidei“.

Über den Erwin-Kräutler-Preis
Der Namensgeber des Preises, Erwin Kräutler aus Vorarlberg, war von 1981 bis 2015 Bischof von Xingu im Nordosten Brasiliens (mit Sitz in Altamira). Er ist Träger des Alternativen Nobelpreises und wurde für sein beispielhaftes pastorales und soziales Wirken im Jahr 2009 mit dem Ehrendoktorat der Universität Salzburg ausgezeichnet.

Seit 2011 vergibt das Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen alle zwei Jahre den Erwin-Kräutler-Preis für kontextuelle Theologie, interreligiösen Dialog und befreiungstheologische Forschung. Ziel ist es, die Bedeutung befreiungstheologischer Zugänge zu aktuellen Herausforderungen in Gesellschaft und Kirche präsent zu halten und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern, die sich mit jenen Themen auseinandersetzen, für die sich der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler engagiert: politische Theologie, Befreiungstheologie, Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, interkultureller und interreligiöser Dialog, Intersektionalität, soziale Gerechtigkeit und Solidarität, Globalisierungstheorien, Migration und kritische Entwicklungsforschung. Die Auszeichnung ist mit 3000 Euro dotiert.