Kathpress, 28.07.2016
Bischof Kräutler in Sorge über Entwicklung in Brasilien
Sportevents wie Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 seien nur "Panem et Circenses", die von Krise in Brasilien ablenken sollen - Auch Erzbischof Paloschi traut politischer Elite nichts zu
Wien, 28.07.2016 (KAP) Sorge über die Entwicklung in seiner Wahlheimat Brasilien hat der emeritierte Bischof von Altamira-Xingu, Erwin Kräutler, mehrfach im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro geäußert. Während der Spiele könnten unterschiedliche Gruppierungen die Gelegenheit nutzen, um "auf die Barrikaden zu steigen, weil dann die ganze Weltöffentlichkeit auf Brasilien schaut" - was angesichts der "politische, wirtschaftliche und moralische Krise" nicht verwunderlich wäre, kritsierte Kräutler gegenüber österreichischen Medien mehrfach die politische Elite des Landes.
Ausschreitungen in dem derzeit sehr polarisierten Land seien zu befürchten, man wisse nicht, wie Polizei und Militär darauf reagieren. Themen wie politische Korruption, Zika-Virus und Politikverdrossenheit haben nach den Worten des Bischofs das Großevent Olympia überlagert. Die enorme Politikverdrossenheit in Brasilien könne Kräutler angesichts vieler Skandale nachvollziehen, sie sei aber auch "gefährlich für die Demokratie". Medien und Justiz hätten ihre politische Unabhängigkeit aufgegeben, Politiker aller Parteien seien in Korruptionsskandale verstrickt.
Diese Fehlentwicklungen begannen laut Kräutler bereits unter Präsident Lula da Silva, unter dessen Nachfolgerin und politischen "Ziehtochter" Dilma Rousseff - im Mai für sechs Monate von ihrem Amt suspendiert - sei die Lage noch schlimmer geworden. Jedoch sei die Opposition "keineswegs vertrauenswürdiger", schränkte der Bischof ein. "Ich kann im Moment absolut niemanden im politischen Szenario Brasiliens ausmachen, der oder die für mich wählbar wäre." Insgesamt blicke Brasilien in eine "düstere Zukunft", prognostizierte Kräutler: "Es ist ein Riesenproblem, wie es weitergeht. Es wird Jahre dauern, bis eine neue Riege an Politikern da ist."
Sportliche Großereignisse wie die Fußball-WM 2014 und Olympia in Rio 2016 sieht der Bischof als Fortsetzung von "Panem et Circenses" (Brot und Spiele), mit denen schon im alten Rom die Bevölkerung "politisch mundtot" gemacht werden sollte. Die genannten Events sollen nach den Worten Kräutlers "von der Krise ablenken, in der Brasilien steckt".
"Olympia auf Kosten der Armen und der Jugend"
Aus der Sicht des Nachfolgers von Bischof Erwin Kräutler als Präsident des brasilianischen Indianermissionsrates CIMI, Erzbischof Roque Paloschi aus Porto Velho, tobt in Brasilien im Vorfeld der olympischen Spiele ein "Krieg der Auslöschung der Armen und der Jugend". Paloschi bezog sich damit in einem "Kathpress"-Interview anlässlich eines Österreich-Besuchs Mitte Juli auf die vielen Menschenrechtsverletzungen, die im Zuge der Vorbereitungen auf Olympia 2016 täglich passieren.
Von den politischen Entscheidungsträgern erwarte sich der Bischof auch angesichts der Umwälzungen in den letzten Monaten keine Unterstützung. Es gebe nur sehr wenige im Parlament, die auf der Seite der Armen stünden. Die Politiker, die während der Suspendierung von Dilma Rousseff das Ruder übernahmen, bezeichnete er als "Mehl vom gleichen Sack". Sie würden den Verfall der sozialen Rechte weiter betreiben.
Erzdiözese Wien, 24.7.2016
Kräutler-Nachfolger: "Es tobt Krieg in Brasilien vor Olympia"
CIMI-Präsident Paloschi bei Fachtagung Weltkirche in Lambach: Im Zuge der Vorbereitungen auf Spiele viele Menschenrechtsverletzungen auf Kosten der Armen und der Jugend.
Thema "Olympia 2016" bei Kooperation Brasilien
Donnerstag, 28. Juli 2016
Bischof Kräutler in Sorge über Entwicklung in Brasilien
Mittwoch, 20. Juli 2016
Sommergespräch mit Bischof Erwin Kräutler
Liechtensteiner Volksblatt, 19.7.2016
Bischof Erwin Kräutler: «Kontakt zu Flüchtlingen entschärft emotionell geladene Situationen»
«Habe Mut», lautet der Titel des neusten Buches von Bischof Erwin Kräutler. Mut hat der Vorarlberger, der gerne auch in Liechtenstein zu Gast ist, in seinem Leben mehrfach bewiesen. Im Kampf um das Land am Amazonas wurde er eingesperrt, geprügelt und fast getötet. Jetzt lebt er unter Polizeischutz, den Mut hat er trotzdem nicht verloren – im Gegenteil, er fordert andere auf, mutiger zu sein. Auch an Ruhestand denkt er noch lange nicht.
Verein für eine offene Kirche
Sonntag, 10. Juli 2016
Reportage aus dem Gebiet des Staudamms Belo Monte
Lateinamerika Nachrichten, Ausgabe 506/507, 9. Juli 2016
Die rote Wand am Xingu
Eine Reportage aus dem Gebiet des Staudamms Belo Monte.
Die ersten Turbinen von Belo Monte wurden in Betrieb gesetzt. Binnen der kommenden zwei Jahre soll am Xingu-Fluss im brasilianischen Bundesstaat Pará der Bau des dann drittgrößten Staudamms der Welt fertiggestellt sein. Doch die betroffenen Menschen am Fluss sind bereits jetzt ernüchtert.
Die rote Wand am Xingu
Eine Reportage aus dem Gebiet des Staudamms Belo Monte.
Die ersten Turbinen von Belo Monte wurden in Betrieb gesetzt. Binnen der kommenden zwei Jahre soll am Xingu-Fluss im brasilianischen Bundesstaat Pará der Bau des dann drittgrößten Staudamms der Welt fertiggestellt sein. Doch die betroffenen Menschen am Fluss sind bereits jetzt ernüchtert.
Donnerstag, 7. Juli 2016
Langzeitstudie über den Staudammbau im Amazonasgebiet
Junge Welt, 5.7.2016
Korruption und Wahn
Martin Keßler schließt seine Langzeitstudie über den Staudammbau im Amazonasgebiet ab – heute ist die Filmpremiere in Frankfurt am Main
Dieser Dokumentarfilm mutet an wie ein Drama: »Countdown am Xingu V« von Martin Keßler. Es ist der fünfte und vorläufig letzte Teil einer Langzeitbeobachtung der Kämpfe brasilianischer Indigener gegen den Bau des Megastaudamms Belo Monte seit 2009.
Der Staudamm in der Nähe der kleinen Stadt Altamira ist mittlerweile fertiggestellt, viele Menschen dort haben alles verloren. Nun bleibt zu beschreiben, wie brutal die Globalisierung des Kapitals funktioniert. Dazu ist Keßler noch einmal um den Erdball gereist. In seinem neuen Film präsentiert er zum einen Manager in grauen Anzügen, die selbstverliebt Reden über »saubere Energien« halten – im wohlsituierten Deutschland, wo multinationale Konzerne satte Gewinne einfahren. Zum Beispiel, wenn sie wie Siemens Turbinen für den »Staudammwahn« liefern, wie der brasilianische Bischof Erwin Kräutler diese Geschäfte nennt.
Zum anderen zeigt Keßler, wie in Brasilien die Menschen, die in seinen früheren Filmen als ebenso hoffnungsfrohe wie energische Demonstranten auftauchten, nun aufgeben haben. Es werden keine Straßen mehr besetzt und Baustopps erwirkt. In ihrer einst idyllischen Amazonasgegend machen sich Resignation und Armut breit. Was hierzulande als »sauber« gepriesen wird, ist dort schmutzige Realität: bombastische Industrieanlagen, überflutete Dörfer, vertriebene Menschen. Vorbei die Zeit beschaulicher Sonnenuntergänge nach getaner Arbeit; der Urwald wird unter gewaltigem Baulärm gerodet, ganze Inseln werden versenkt. Anwohner finden sich in Siedlungen mit ein paar Hühnern in staubig-trockenen Hinterhöfen oder in verschlammten Ghettos wieder. Bei Regen droht Überschwemmung. Die versprochene Entschädigung bleibt aus. Allgegenwärtig sind Betrug und Korruption und vor allem die Ignoranz gegenüber rechtsstaatlichen Gerichtsurteilen: Wer Geld hat, kann sich alles erlauben. Ausgerechnet die linke brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff hat den Staudamm Belo Monte im Mai offiziell eingeweiht, bevor sie im korrupten Staat weggeputscht wurde.
Nächsten Monat beginnen die Olympischen Spiele in den Stadien von Rio. Von deren Neu- und Umbauten profitieren dieselben brasilianischen Baukonzerne, die auch Belo Monte errichtet haben. Der Kreis schließt sich. An Superreiche und Korrupte wurde großzügig verteilt; zugleich wird der finanzielle Notstand ausgerufen, für Polizei und Krankenhäuser ist kein Geld mehr da.
Für Belo Monte wurden 40.000 Menschen zwangsumgesiedelt, 30.000 waren in der Hochphase beim Bau des Staudamms angestellt; jetzt sind 20.000 entlassen. »Ohne Korruption wäre Belo Monte nicht gebaut worden«, sagt Bischof Kräutler. »Sie haben Altamira zur gewalttätigen Stadt gemacht; mit ihnen tobt das Chaos.« Mit der Arbeitslosigkeit steigt die Kriminalität. »Man nennt uns Drogendealer und Diebe«, sagt einer der jungen Männer im Film lakonisch.
Keßler macht deutlich, dass die multinationalen Konzerne sich, wo immer es geht, mit ihren Maschinen durch zuvor unberührte Landschaften wälzen: ob sie Staudämme und Wasserkraftwerke betreiben oder Fracking, um Erdgas zu fördern – um Energiegewinnung geht es weniger, in erster Linie ums schnelle Geld.
Martin Keßler reist mit seinem Film durch die Republik. Aus vergangenen Kämpfen gilt es zu lernen. Der Konflikt geht weiter am Fluss Tapajos, wo der Stamm der Munduruku gegen weitere Großstaudämme kämpft.
„Count Down am Xingu V“ (Kurzversion 25 min, 2016)
Dokumentarfilme zu "Count Down am Xingu"
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