Der bekannte Befreiungstheologe Leonardo Boff über die Schöpfung und die Zukunft der katholischen Kirche.
Er ist eine der Ikonen der sogenannten Befreiungstheologie. Jener Art des christlichen Diskurses und Handelns, mit der sich katholische Priester, Bischöfe und auch Kardinäle vor allem in Lateinamerika seit den 1960er-Jahren radikal auf die Seite der Armen und Ausgegrenzten gestellt haben. Einer der großen Denker dieser libertären Theologie ist der Brasilianer Leonardo Boff, 77. Mit seinen fundierten Texten goss er die gelebte Praxis der Basisgemeinden in ein theologisches Gedankengebäude.
Dafür wurde er vom damaligen Papst Johannes Paul II. und dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation in Rom, Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., 1985 zu einem einjährigen "Bußschweigen" verdammt und später zum Austritt aus dem Franziskanerorden gedrängt. Doch mundtot ließ sich der Theologe nicht machen. Das bewies der kritische Geist auch im Gespräch mit dem KURIER, der ihn im brasilianischen Petropolis, eine gute Autostunde von Rio de Janeiro entfernt, in seinem Haus besuchte.