Montag, 21. Dezember 2020

Weihnachtspost 2020

Altamira, November 2020

Meine Lieben,

          das Jahr 2020 geht zu Ende und wie immer schreibe ich vor Weihnachten an Sie, an Euch, an Dich. Mit den Menschen am Xingu im brasilianischen Amazonien sage ich ein herzliches Vergelt’s Gott. Danke für all die Mitsorge und Mithilfe, die unendlich viel Gutes bewirkt, die Freude bereitet und Hoffnung schenkt.

          Am Beginn dieses Jahres blickten wir alle erwartungsvoll in die Zukunft. Jäh hat sich so vieles verändert: in den Familien, in den Schulen, bei der Arbeit und in der Freizeit. Einen Wandel spürten wir auch in den lebendigen Pfarren und kirchlichen Basisgemeinden. Statt liebevoller Umarmung und herzlicher Nähe wurde nun Abstand verlangt.

          Eine Pandemie nimmt nicht nur den Erkrankten, sondern der Welt den Atem. Und das seit Monaten. Unbeeindruckt von den täglich tausenden Infizierten, den schwer Kranken und den über 160.000 Verstorbenen, verharmlost der brasilianische Präsident seit den Anfängen das Virus. Statt die Lage ernst zu nehmen, sonnt er sich im Licht der Kameras, ohne Abstand und Schutzbedeckung. Neben der Trauer, der Sorge um kranke Angehörige bangen viele Menschen um Arbeit und um Einkommen. Die Zahl der Not leidenden Familien nimmt dramatisch zu.

          Ärzte und Pflegepersonal in den Krankenhäusern kämpfen hingebungsvoll gegen das Virus. Manche von ihnen wurden selbst infiziert. In unseren Gemeinden sind Jugendliche, Frauen und Männer unterwegs und bringen den Bedürftigen Lebensmittelpakete und Schutzmasken. Eine beeindruckende Welle der Hilfsbereitschaft.

          Ich selbst lebe seit Ostern sehr zurückgezogen und vermisse unendlich den persönlichen Kontakt mit den Menschen. Dabei hatte ich am Jahresanfang ganz andere Pläne. Die Ergebnisse der Amazonien-Synode im Oktober 2019 in Rom, an deren Vorbereitung und Durchführung ich wesentlich mitgewirkt habe, sollten besprochen und verwirklicht werden. In seinem Apostolischen Schreiben „Geliebtes Amazonien“ hat uns Papst Franziskus angehalten, noch mehr für die Armen einzutreten, die kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen und für die Bewahrung der Mit-Welt zugunsten künftiger Generationen einzutreten. Die Synode fordert eine Kirche mit amazonischem Antlitz und verlangt eine neue Wertung der Frauen, die mehrheitlich die Basisgemeinden leiten und in den Pfarren tätig sind. Ohne ihren Einsatz hätte die Kirche am Xingu und wohl auch andernorts längst ihre Lebendigkeit verloren.

          Wir werden Weihnachten, die Geburt Jesu, als Fest der Liebe und des Friedens feiern, zuhause, in der Gemeinde und weltweit. Die Festtage werden diesmal wohl stiller, besinnlicher, einsamer sein. Bei den Feiern der Heiligen Nacht werden wir die Nähe vermissen, aber freuen uns auf eine neue Zeit der persönlichen Gemeinsamkeit.

          Ich hoffe sehnsüchtig, dass bald der Tag kommt, an dem das Seufzen der Welt verstummt, die Krankheit besiegt, die Not gelindert, das Trennende überwunden ist, Weite zu Nähe wird, und wir uns wieder herzlich umarmen können.

          Den Segen Gottes erbitte ich für Sie, für Euch, für Dich,
im kommenden Jahr und darüber hinaus,
in herzlicher Verbundenheit

Bischof Erwin