Bischof Kräutler feierte seinen 75. Geburtstag in Altamira. Das
Pastoralzentrum der Prälatur am Xingu hat dafür folgendes Gebet verfasst:
Das Volk Gottes der 777 Basisgemeinden der Prälatur am Xingu möchte an diesem besonderen Tag ein einfaches und bescheidenes Gebet sprechen:
Herr, Gott des Lebens,
wir danken für die 75 Lebensjahre unseres Bischofs Dom Erwin:
- für seine Lebensgeschichte, die er 49 Jahre lang mit uns geteilt hat,
- für seine aktive und effektive Gegenwart in unseren Gemeinden,
- für seine Uneigennützigkeit und Andersartigkeit auf dem Weg der verkündenden Mission der Kirche,
- für seine prophetische Stimme bei der Verkündigung der Frohen Botschaft und bei der Anklage von Ungerechtigkeiten,
- für sein Leben der Gemeinschaft und des Gebets, wodurch er die Menschen zu einer Veränderung der Gesellschaft zu mehr Solidarität, Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit anleitet,
- für seine Verwirklichung von Freude und Hoffnung in unseren Gemeinden zur Förderung des Lebens.
Herr, wir bitten Dich:
Segne jeden Neubeginn seines Lebens mit Gnade und Fülle.
Schenke ihm
- die nötige Weisheit, erleuchtet durch Dein Wort, um das Volk Gottes zu führen,
- das Urteilsvermögen, die richtigen Worte im rechten Moment und zur richtigen Stunde zu finden, für die richtigen Menschen angesichts der Herausforderung durch die Realität am Xingu,
- Glaube und Frömmigkeit, bekräftigt in der täglichen Feier der Eucharistie, um in den Gemeinden den Wert der Liebe in die Geste der Barmherzigkeit zu entfachen, Versöhnung und Teilen
- Weisheit, Standhaftigkeit und Gottesfurcht, um unseren Gemeinden Tag für Tag zu helfen, Zeugen des Dialogs in der Welt von Heute, des Dienens und der Verkündigung des Glaubens an Jesus Christus zu sein. Dadurch sollen alle glauben, dass Er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.
Segne ihn immer, behüte ihn, zeige ihm dein Angesicht und erbarme dich seiner. Wende ihm dein Antlitz zu und schenke ihm Frieden.
Amen!
Außerdem wurde eine Sonderbriefmarke mit diesem Motiv herausgegeben:
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katholisch.de, 12.7.2014
Mann des geraden Wortes
Hätte es einer Bestätigung für das Lebenswerk von "Dom Erwin" Kräutler bedurft, dann wäre es die Papstwahl von Jorge Mario Bergoglio im März 2013. An die Ränder gehen, sich auf die Seite der Entrechteten stellen - was Franziskus fordert, hat der gebürtige Österreicher über viele Jahrzehnte getan. Heute wird der als "Amazonas-Bischof" bekannte Kräutler 75 Jahre alt - und ist als Gesprächspartner gefragter denn je.
Sein Bistum Xingu ist das flächenmäßig größte Brasiliens . Nun ist "Dom Erwin" sogar so etwas wie der Übersetzer von Papst Franziskus im deutschsprachigen Raum geworden: Er lebt das vor, was der lateinamerikanische Papst fordert.
"Dom Erwin" trägt gern Turnschuhe und einen schlichten Priesterornat. Nur drei Monate im Jahr verbringt er am Schreibtisch in Altamira. Sein Platz ist in den Gemeinden im Regenwald, die sonst nur selten einen Priester zur Messfeier haben; an der Seite der entrechteten Indios, deren Lebensraum von Großunternehmen zerstört wird. Kräutler ist ein Mann des geraden Wortes, auch wenn es bedrohlich wird. Wirtschaftsbossen und Landräubern, Holzhändlern und Großgrundbesitzern stellt er sich in den Weg.
Kräutler kämpft für die Rechte der Ureinwohner
Wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Vorarlberg geboren, personifiziert "Dom Erwin" die Entwicklung der Kirche Lateinamerikas seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Den jungen Ordenspriester rief 1965 sein Onkel, Bischof Erich Kräutler, nach Brasilien. Dort lernte er zunächst eine klassische Seelsorge kennen, die den Priester vor allem als Massenspender von Sakramenten sah, die aber ohne jede Anbindung an eine Gemeinde blieben.
Bei ihrer Generalversammlung in Medellin 1968 beschlossen die Bischöfe Lateinamerikas eine grundlegende Neuordnung der Seelsorge: eine Kirche, gemeinsam auf dem Weg. Kleine Gemeinden mit viel Laienverantwortung, schon bald "kirchliche Basisgemeinden" genannt, sollten zur Keimzelle der Kirche werden; die wenigen Priester sollten möglichst viel bei den Menschen sein.
Als Bischof von Xingu und als Präsident des CIMI, des Indianermissionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz, kämpft Kräutler für die Rechte der Ureinwohner und der Landlosen im Amazonas, für den Schutz des Regenwaldes. 2010 wurde er dafür mit dem sogenannten Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet; auch er selbst erhielt Morddrohungen. Er steht unter dauerndem Polizeischutz und kann seinen allmorgendlichen Fünf-Kilometer-Spaziergang nicht mehr am Fluss absolvieren, sondern nur noch im Haus.
"Wie eine zweite Bischofsweihe"
1983 machte Kräutler international Schlagzeilen, als er während der Militärdiktatur von der Polizei verprügelt wurde. Er hatte sich mit Zuckerrohrschnittern solidarisiert, die fast ein Jahr auf ihren Lohn gewartet hatten. In ihrer Verzweiflung besetzten sie die zentrale Straße "Transamazonica". Auch Kräutler, der zur Verhinderung einer Eskalation hergeeilt war, wurde als vermeintlicher Aufwiegler angegangen. Journalisten dokumentierten, wie er von Sicherheitskräften zu Boden geworfen und abtransportiert wurde.
Vorarlberger Nachrichten, 12.7.2014
Kämpfer gehen nicht in Rente
Bischof Erwin Kräutler wird heute 75. Tauben füttern steht nicht auf seinem Programm.
Altamira. Was bleibt? Das fragt man sich doch an runden Geburtstagen. Wenn einer 75 wird, kommt er an der Lebensbilanz nicht vorbei. Menschen wie Bischof Erwin Kräutler bilanzieren öffentlich. In Interviews und Hintergrundberichten. Alles gut vorbereitet. Denn wer weiß, wo Kräutler am 12. Juli 2014 gerade ist? In Altamira, seinem Bischofssitz am Amazonas? Oder am Oberlauf des Rio Xingu, der seiner brasilianischen Diözese den Namen gibt? Wer den aus Koblach stammenden Ordensmann und Priester erreichen möchte, muss seine E-Mails früh versenden. Er wird 75. Aber er sitzt mit Sicherheit nicht auf einem Bänkle und wartet auf Glückwünsche.
Er hat selbst einen Brief verschickt. Darin bittet er Papst Franziskus um Versetzung in den Ruhestand. Bischöfe müssen das tun mit 75. Später schreiben sie meist Bücher. Wenn man sie mochte, werden sie als begehrte Firmspender herumgereicht. Großväterliche Symbole einer verständnisvollen Kirche, die allen Richtungskämpfen und Anfechtungen von außen zum Trotz doch so gebraucht wird in dieser blitzschnellen, karrieresüchtigen Welt. Die anderen ziehen sich in die Winkel ihrer Überzeugung zurück und hadern mit der säkularen Gegenwart.
Dem Bischof vom Amazonas wird kein Klischee gerecht. Den Gefallen tut er uns nicht. Auch auf den zweiten Blick erweisen sich schnelle Antworten als brüchig.
Gewiss, Erwin Kräutler, der 49 Jahre seines Lebens in Brasilien verbrachte, hat Hinweisspuren gelegt: Er wird künftig öfter in Vorarlberg sein. Das Konsumchristentum Europas kann einen Aufwecker seines Formats gut brauchen. Der Papst persönlich wird ihn in die Formulierung seiner Ökologie-Enzyklika einbinden. Die Vorstellung vom ehemaligen Erzbischof aus Buenos Aires und dem Bischof vom Amazonas, wie sie da gemeinsam in den vatikanischen Gärten Papiere durchackern und dabei ein Glas Mate trinken, ist schon verlockend. Bestimmt wird Erwin Kräutler die Zukunft seiner Kirche weiterhin mit zündenden Wortspenden anfeuern: „Älteste“ als Gemeindeleiter, das Modell verwendet er ja selber schon am Amazonas. Sein Weg ist also vorgezeichnet. Vom Kämpfer zum Ratgeber. Dem Träger des Alternativen Nobelpreises steht eine Zukunft als gefragter Gastredner bevor.
Das alles ist viel. Aber es füllt den Platz unterm Strich nicht aus. Bischof Erwin Kräutler trat vor 49 Jahren an, um den Menschen am Xingu das Evangelium zu verkünden. Die Geschichte des Zimmermannssohnes aus Nazareth betont, dass alle Menschen gleich sind. Oder sein sollten. Diese Geschichte erzählt Erwin Kräutler. Und weil man sie nur glaubhaft erzählen kann, wenn man für sie eintritt, kämpft er:
Gegen Großgrundbesitzer, die den Regenwald und die Menschen misshandeln. Sie haben versucht, den Bischof umzubringen. Seither lebt er mit drei Polizisten an seiner Seite. Gegen das monströse Kraftwerksprojekt Belo Monte, das seine Bischofsstadt verändert und Zehntausende Menschen vertrieben hat. Kräutler hat diesen Kampf verloren. Sie ziehen den Staudamm hoch. Jetzt ist Kleinkrieg angesagt. Jeden Meter Boden verteidigen Kräutler und seine Mitstreiter. Denn das Elend fängt ja erst an. Vielleicht ist es die größte Herausforderung, jetzt, da der medienwirksame Aufstand der Indios gegen die Kraftwerksbetreiber versagt hat, mit den Menschen am Rio Xingu Schadensbegrenzung zu betreiben.
Fürchtet Euch nicht
In seinem Reisegepäck führt Erwin Kräutler immer eine alte Bibel mit. Ganz zerfleddert ist sie. Er liest sie auf Griechisch. Wenn er heute, am 12. Juli 2014, das Tagesevangelium aufschlägt, zitiert der Evangelist Matthäus Jesus mit den Worten: „Fürchtet Euch nicht, habt keine Angst.“ Das predigt Kräutler selbst den Entrechteten und Armen, den Kleinbauern und Indios, den Prostituierten und Gaunern: Habt keine Angst, auch Ihr seid etwas wert. Als Beweis dafür teilt er ihr einfaches Leben. Heute wird er 75. Irgendwo am Amazonas. Der Vatikan wird sich wohl noch etwas gedulden müssen.
Misereor, 12.7.2014
MISEREOR gratuliert Bischof Kräutler zum 75. Geburtstag
"Es ist uns eine große Freude, zu diesem Anlass unsere Dankbarkeit für Ihr großes Engagement für die indigenen Völker Brasiliens auszudrücken. Für uns ist Ihr Name verbunden mit einer Kirche, die sich für die Armen einsetzt", schreibt MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon in seinem Gratulationsbrief an Kräutler.
Wir sind Kirche, 08.07.2014
„Wir sind Kirche“ gratuliert Dom Erwin Kräutler zum 75. Geburtstag
Am 12. Juli 2014 vollendet Dom Erwin Kräutler sein 75. Lebensjahr. „Wir sind Kirche“ gratuliert dem vielgeehrten Bischof am Xingu (der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens) und unermüdlichen Kämpfer für Lebensrecht und Würde der Indios und der armen Landbevölkerung seiner riesigen Diözese ganz herzlich.