Samstag, 28. November 2015

Schlammkatastrophe in Brasilien nach Dammbruch

Am 21.11. - 17 Tage nach dem Dammbruch - hat die Schlammlawine nach ca. 700 km im Rio Doce die Küste bei Linhares (ES) erreicht.





Orf.at, 28.11.2015
Regierung erhöht Druck
Nach der Schlammkatastrophe in Brasilien schließen die Betreiber des dafür verantwortlichen Bergwerks einen Zusammenhang mit giftigen Stoffen im Fluss Rio Doce nicht mehr aus. Die nach dem Dammbruch in einem Rückhaltebecken ausgelöste Schlammlawine könne giftige Metalle wie Arsen, Chrom und Nickel losgelöst haben, teilte der brasilianischen Bergbaukonzern Vale mit.

Vale und der australische Bergbauriese BHP Billiton sind zu gleiche Teilen Eigentümer der Firma Samarco, die das Bergwerk betreibt. Die Vale-Direktorin für Gesundheit und Sicherheit, Vania Somavilla, betonte aber, die Chemikalien seien nicht durch die Schlammlawine freigesetzt worden, sondern zuvor schon an den Ufern und im Fluss vorhanden gewesen und womöglich nun mitgerissen worden.

Spur der Verwüstung
Nach dem Dammbruch vor drei Wochen hatte eine Schlammlawine die rund 600 Einwohner zählende Ortschaft Bento Rodrigues, 250 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro, überrollt. Dabei kamen mindestens 13 Menschen ums Leben, weitere zehn Menschen galten noch als vermisst.

Über 50 Millionen Tonnen Schlamm aus dem geborstenen Klärbecken der Mine flossen in den Rio Doce ein. Der Flusslauf wurde auf einer Strecke von rund 800 Kilometern bis zur Mündung im Atlantischen Ozean verschmutzt.

Angst vor Folgekosten
Bisher hatten die Betreiber gänzlich darauf beharrt, dass der Schlamm in dem Klärbecken ungiftig sei. Die rund neun Tonnen tote Fische erklärte BHP damit, dass sie vor allem an der „schieren Menge des Sediments“ erstickt seien, das ihre Kiemen verstopft habe. Die chemische Zusammensetzung habe damit nichts zu tun.

Das Ziel hinter dieser Argumentation ist unschwer zu erraten: Gelingt es Samarco und seinen Muttergesellschaften, die Schuld von sich zu weisen, wird es schwierig, sie für die Folgekosten aufzukommen zu lassen. Bisher hatte die Umweltbehörde IBAMA Samarco Strafgelder über 250 Millionen Reais (63 Mio. Euro) auferlegt - in Anbetracht des Ausmaßes der Katastrophe ein Tropfen auf den heißen Stein. Experten rechnen mit Kosten in mehrfacher Milliardenhöhe.

Milliardenklage angekündigt
Genau das hat mittlerweile auch die brasilianische Regierung auf den Plan gerufen. Sie will von dem Bergbaukonsortium mindestens 20 Milliarden Reais (5,03 Mrd. Euro) Schadenersatz fordern. Bundesgeneralanwalt Luis Inacio Adams will am Montag eine entsprechende Zivilklage erheben.

Der Bundesgeneralanwalt erklärte, Samarco, Vale und Billiton sollten gemeinsam einen Reparationsfonds tragen, der unter gerichtlicher Aufsicht verwaltet werden soll. Die Einzahlung des Milliardenbetrags solle nicht auf einmal erfolgen, sondern sich über eine Zeitspanne von zehn Jahren erstrecken. Mit dem Geld solle der Fluss gesäubert und die Opfer des Unglücks oder deren Angehörige entschädigt werden.

Die Klage werde von der Bundesregierung gemeinsam mit den beiden betroffenen Bundesstaaten Minas Gerais und Espiritu Santo getragen. Die bereits von der IBAMA auferlegten Summen seien nicht in dem geforderten Fonds inbegriffen.

Späte Reaktion
Brasiliens Regierung, gelähmt durch einen Korruptionsskandal und eine Dauerfehde zwischen Parlamentspräsident Eduardo Cunha und Staatspräsidentin Dilma Rousseff, hat zunächst wenig getan, um die Krise in den Griff zu bekommen.

Erst mit dem Eingreifen der UNO kam Bewegung in die brasilianische Politik. Die Vereinten Nationen hatten Rousseffs Regierung nach eigenen Untersuchungen zu passives Verhalten vorgeworfen, schließlich liegt der Ursprung der Katastrophe schon über drei Wochen zurück.

„Das Ausmaß der Umweltschäden entspricht 20.000 olympischen Schwimmbecken gefüllt mit giftigem Schlamm, zudem gibt es eine Kontamination der Böden, Flüsse und des Wassersystems auf mehr als 850 Kilometern“, mahnte der UNO-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, John Knox - 50 Millionen Tonnen mit Eisenerz, toxischen Schwermetallen und Chemikalien seien bereits in den Rio Doce geflossen.

Meer färbt sich rot
Fraglich sind nach wie vor auch die Auswirkungen auf die Meeresküste. Mittlerweile erreichte der Giftschlamm die Atlantikmündung. Samarco ließ dort Sandbänke abtragen, damit das Flusswasser mitsamt der Schlacke schneller in den Ozean abfließen kann. Zugleich begannen die Behörden bereits vor dem vergangenen Wochenende, Auffangbecken zu öffnen, um die Strömung des Flusses zu erhöhen. Im Meer, so die Hoffnung, würde sich der Schlamm schnell auflösen.

Zu Beginn bildete die Schlacke aber erst einmal einen roten Film der Küste entlang - und schien damit die Ängste der lokalen Fischer zu bestätigen. Sie protestierten gegen die Maßnahmen von Samarco und der Behörden, da sie um die Fischbestände an der Küste fürchteten. Auch Umweltschützer äußerten Bedenken dagegen, den Schlamm einfach ins Meer abzuleiten.

In Mariana, der nächstgrößeren Stadt neben der Eisenmine, gingen die Menschen auf die Straße. Zehn Prozent der Einwohner sind dort bei Samarco beschäftigt. Ihre Proteste richteten sich nicht gegen die Minenbetreiber oder die befürchtete Umweltverschmutzung. Die Demonstranten in Mariana forderten die schnelle Wiederöffnung der nach dem Betrieb geschlossenen Mine.


Die Welt, 29.11.2015
Fukushima im Regenwald
Die Aufarbeitung der gigantischen Umweltkatastrophe in Brasilien hat gerade erst begonnen. Die Vergiftung des Rio Doce wird das Land verändern – und die Präsidentin vielleicht das Amt kosten
Rousseff ist nach dem immensen Korruptionsskandal um ihre linke Arbeiterpartei angeschlagen. Die Wirtschaft lahmt, die Umfragewerte sind im einstelligen Bereich. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, dass das Rousseff-Kabinett eine zu große Nähe zu dem Konzern suchte und dass der Regierungsapparat bei den Sicherheitskontrollen schlampte, dann wird es für Rousseff eng. Die Wogen des Rio Doce könnten also auch noch ganz andere ins Unglück reißen.

Der Amazonas-Bischof Erwin Kräutler hat all das schon viel früher kommen sehen: "Was hier in Brasilien geschieht, hat Konsequenzen für die ganze Welt", sagte der Öko-Flüsterer von Papst Franziskus jüngst mit Blick auf die schweren Umweltsünden in dem riesigen südamerikanischen Land. Kräutler, der an der Umwelt-Enzyklika "Laudato si" des lateinamerikanischen Kirchenoberhauptes mitgearbeitet hat, ist einer der wenigen prominenten Figuren der brasilianischen Gesellschaft, die schon seit Jahren laut mahnend, aber vergeblich den Zeigefinger in die Höhe recken. So kann es nicht weitergehen, sagt Kräutler. Nicht einmal die ohnehin niedrigen Umweltstandards werden von einheimischen oder internationalen Unternehmen eingehalten. Ob beim höchst umstrittenen Mega-Wasserkraftwerk Belo Monte, beim ungezügelten Abholzen des brasilianischen Regenwaldes, der aus der Luft betrachtet, längst wie ein geschundener Körper mit offenen Wunden wirkt oder eben beim Bergbau, wo ungezügelt mit giftigen Substanzen operiert wird.

FAZ, 27.11.2015
Brasilien will Milliarden nach giftiger Schlammlawine
Brasilien verklagt nach dem Dammbruch bei einer Eisenerzmine zwei Bergbaukonzerne. Eine Schlammlawine hatte mindestens 13 Menschen getötet. Doch die Rohstoffriesen streiten jede Verantwortung ab.


amerika21, 25.11.2015
Umweltkatastrophe nach Dammbruch in Brasilien
Schlammlawine verschüttet Ortschaft und vergiftet Fluss. 228 Städte ohne Wasserversorgung. Regierung entzieht Minenbetreiber Samarco die Lizenz


NZZ, 6.11.2015
Dammbruch im Bergwerk
Schlammlawine begräbt Dorf in Brasilien
Bisher wurde erst ein Todesopfer bestätigt. Etliche Personen werden jedoch vermisst. Laut offiziellen Angaben stellt der Schlamm kein Gesundheitsrisiko dar.


El País, 25.11.2015
Lama de barragem da Samarco chega ao mar

O Globo, 22.11.2015
Lama da barragem de Mariana deixa Rio Doce marrom até foz, no ES
Técnicos da Samarco passaram a semana tentando impedir que a lama atingisse a área, que é um reduto de reprodução de animais aquáticos.

Folha, 24.11.2015
Barragem rompida e que levou a desastre ambiental tinha lama da Vale


O Globo, 24.11.2015
Vale admite que usava barragem de Fundão para depositar rejeitos
5% do volume de Fundão vinha de uma de suas minas, disse a empresa.
Rompimento provocou a liberação de mais de 35 milhões de m³ de rejeitos.

em.com.br, 6.11.2015
Rejeitos das barragens de Mariana chegam a usina em Santa Cruz do Escalvado
Lama já atingiu o Rio Doce, que alimenta a Usina Hidrelétrica Risoleta Neves

ANA
Monitoramento especial do Rio Doce