Reporter ohne Grenzen, 24.1.2013
ROG-Bericht: Medienkonzentration, politische Einflussnahme und Gewalt
Vor dem EU-Lateinamerika-Gipfel am kommenden Wochenende veröffentlicht Reporter ohne Grenzen einen ausführlichen Bericht zur Lage der Pressefreiheit in Brasilien. Unter dem Titel „Brasilien, das Land der 30 Berlusconis“ beschreibt er, wie Medienkonzentration und politische Einflussnahme auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Militärdiktatur noch immer einen unabhängigen Journalismus behindern. Auch Gewalt ist erschreckend häufig: 2012 wurden nur in vier Ländern der Welt mehr Journalisten wegen ihrer Arbeit getötet.
Rund zehn einflussreichen Unternehmerfamilien gehören über ihre Konzerne die wichtigsten Rundfunksender und Printmedien des Landes. Auch viele Politiker kontrollieren wichtige Massenmedien, selbst wenn sie nicht offen als deren Besitzer auftreten. Kleinere Medien werden durch stetig wachsende Anzeigenbudgets von Ministerien, Behörden und Staatsfirmen in finanzieller Abhängigkeit gehalten. Gefügige Gerichte verhindern mit ruinösen Strafandrohungen Berichte über strittige Themen.
Das alte Pressegesetz aus der Zeit der Militärdiktatur wurde erst 2009
aufgehoben, doch eine Einigung über eine zeitgemäße Neufassung ist nicht
in Sicht. Unterdessen erlauben Wahlgesetze und andere Bestimmungen
Eingriffe bis hin zur Vorzensur.
Gerichtliche Zensurverfügungen
richten sich zunehmend auch gegen Internetmedien und Blogger. Ein
kontroverses Thema ist der gleichberechtigte Netzzugang. Der Senat hat
zwar schon 2011 ein vorbildliches Gesetz über Netzneutralität
verabschiedet, doch eine Abstimmung im Abgeordnetenhaus wird auf Druck
der Internetprovider immer weiter hinausgezögert.
Nicht zuletzt
sind Medien und ihre Mitarbeiter Drohungen und Gewalt ausgesetzt. 2012
wurden fünf brasilianische Journalisten und Blogger im Zusammenhang mit
ihrer Arbeit ermordet. Zwei auf Polizei- und Sicherheitsthemen
spezialisierte Journalisten mussten aus dem Land fliehen. Vor den
Kommunalwahlen im vergangenen Oktober häuften sich Drohungen und
gewalttätige Angriffe.
Nicht nur als Volkswirtschaft von
zunehmendem Gewicht, sondern auch als Gastgeber der
Fußballweltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016 steht
Brasilien zunehmend im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Reporter ohne
Grenzen fordert vor diesem Hintergrund eine vollständige Reform der
brasilianischen Mediengesetze. Sie sollte unter anderem der
Medienkonzentration enge Grenzen setzen, Zensur und exzessive
Schadensersatzforderungen verbieten und die Kriminalisierung von
Journalisten beenden.
Den aktuellen ROG-Bericht „Brasilien, das Land der 30 Berlusconis“ in englischer Sprache finden Sie hier.