Freitag, 8. Mai 2015
Bischof Kräutler begeistert mit Vortrag in Seitenstetten
Pressestelle Diözese St. Pölten, 7.5.2015
Bischof der Armen Erwin Kräutler begeisterte 500 Interessierte in Seitenstetten
Seitenstetten, 07.05.2015 (dsp) 500 Interessierte kamen ins Benediktinerstift Seitenstetten, um sich das anzuhören, was der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler zu sagen hat. Als Verteidiger der Rechte der indigenen Völker im Amazonas-Gebiet stellt sich der 75-Jährige in den Dienst der Unterdrückten, der Armen und jener, die am Rande der Gesellschaft stehen.
Dafür riskiert er sein Leben, weil er sich mit den Mächtigen anlegt, auf Todeslisten gesetzt wurde und deswegen steht er seit neun Jahren unter permanentem Polizeischutz. Einst sei er als Bischof seiner Diözese Xingu – der flächenmäßig größten in Brasilien - spontan in Häuser gegangen und die gastfreundlichen Bewohner hätten sich über diese Besuche gefreut.
Seit 50 Jahren lebt und wirkt Dom Erwin wie sie ihn nennen in Brasilien. Als junger Priester brach er auf, ohne die Sprache der Menschen in Brasilien zu kennen. Doch als ausgebildeter Altphilologe fiel es ihm leicht die Sprache zu lernen. Die Menschen hätten ihn herzlich empfangen und sie hätten bald erkannt, dass er jemand ist, der für sie da sein will. „Ich bin mit den Menschen zusammengewachsen“, so Kräutler. Nach 15 Jahren wurde er zum Bischof ernannt. Er fragte Priester, Ordensleute und Laien, was sie sich von ihm fortan wünschten. Da kam: weiterhin die gute priesterliche Kollegialität leben, ein betender Bischof zu sein und vor allem nicht vom Schreibtisch aus die Diözese zu leiten.
Dem kam er in eindrucksvoller Weise nach: Er ist stets in seinem riesigen Pfarrgebiet unterwegs und so hat er Not und Elend kennengelernt. Aufgrund seines Einsatzes für die Unterdrückten und für Zuckerrohrbauern wurde er sogar von der Polizei verhaftet.
Eine entscheidende Stunde für sein Wirken seien die Regierungspläne gewesen, einen Staudamm am Amazonas Nebenfluss Belo Monte zu errichten. Als „Aufwiegler“ wurde er von der Polizei wieder festgenommen, geschlagen und gedemütigt. Da hätten die Menschen erkannt: „Das ist UNSER Bischof und sie riefen: Last ihn frei!“ Das sei so etwas wie eine „Sternstunde“ in den Beziehungen mit den Menschen gewesen. Da Medien rasch und breit davon berichteten, wurden die Anliegen der indigenen Völker erst bekannt. Was ihn so gefährdet? In dem Gebiet der Indios werden viele Ressourcen vermutet und mächtige Kreise würden diese gerne ausbeuten – auf Kosten des Lebens der dortigen Bevölkerung.
Als Vorsitzender des brasilianischen Bischöfliches Rates für die indigenen Völker konnte er viel erreichen. In der alten Verfassung stand geschrieben, dass diese in die Gesellschaft eingegliedert werden sollen. Damit wäre die Kultur und Lebensweise von Menschen aufgegeben worden, die laut Kräutler seit 40.000 Jahren in dem Gebiet leben. Er sagte, es sei das Ärgste, Menschen ihre Identität abzusprechen und grausam nicht so sein zu lassen, wie sie wollen. In der Verfassung der 1980er Jahre wurden also auch Rechte der indigenen Völker festgehalten. Diese seien aber wieder in Gefahr, da gewisse Strömungen dies gerne revidiert hätten. Bischof Kräutler: „Ohne den Einsatz der katholischen Kirche gebe es diese indigenen Völker wohl nicht mehr.“ Im Jahre 2010 wurde er für seinen Einsatz für die Menschenrechte der Indios und die Erhaltung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
Die Kirche in Brasilien lebe vor allem in den Basisgemeinden, Laien würden viel an Verantwortung übernehmen. In den 800 Gemeinden seiner Diözese gebe es in 90 Prozent keine regulären Sonntagsgottesdienste. Zu schaffen mache der Kirche, dass es derzeit eine regelreche Völkerwanderung in Brasilien gebe. Daher gebe es einfach Orte, wo einfach keine katholischen Kirchen mehr da seien.
Die Christen in seiner Region würden spüren, dass sich Jesus mit Menschen am Rande der Gesellschaft identifizieren würde und dass Gott von Fesseln befreie. Der Kirche könne er nur empfehlen – wie es auch Papst Franziskus gesagt hat – die Türen zu öffnen: Nicht nur damit Menschen hereinkommen, sondern auch damit Kirche hinausgehe zu den Menschen. Dieses Raus- und Zugehen zu den Menschen mache den Papst wohl auch so populär.
Was ihn auf Spur halte? Er frage sich immer – und sei damit ganz gut gefahren: „Was würde Jesus tun?“ und dabei habe er großes Gottvertrauen. Die Revolution, die Jesus angezettelt habe, würde bis heute nachwirken. Dafür brauche es aber auch das Tun und den Einsatz der Christen. Das gehöre für ihn zum großen Wort Barmherzigkeit dazu.
NÖN.at, 11.5.2015
Bischof Kräutler: „Habe längst Geruch der Schafe“
Brasilien und ein Leben unter Todesdrohung.
Wache Augen, ein verschmitztes Lächeln, eine Aura der Gelassenheit: Erwin Kräutler, Bischof der Diözese Xingu in Brasilien, ist ohne Zweifel ein Mensch, der seine Mitte gefunden hat.
Er weiß was er tut und warum er es tut. Nicht umsonst lautet eines der Bibelzitate, die ihn in seinem Wirken leiten: „Daran haben wir die Liebe erkannt. Dass er sein Leben für uns eingesetzt hat. Auch wir sind es schuldig unser Leben für die Schwestern und Brüder einzusetzen (1 Joh 3,16)“.
Nach seiner Wahl zum Bischof der Diözese Xingu vor 35 Jahren hat er die Menschen gefragt, was sie sich von ihrem Bischof erwarten. „Eine der Antworten war, dass ich die Diözese nicht vom Schreibtisch aus leiten, sondern hinausgehen, und am eigenen Leib erleben und verspüren soll, wie es den Menschen geht.“
Papst Franziskus hat jüngst den Priestern aufgetragen, dass sie den „Geruch der Schafe“ annehmen sollen. „Ich lebe das schon seit Jahrzehnten“, sagt Erwin Kräutler.
Nur drei bis vier Monate im Jahr verbringt er im Bischofssitz in Altamira. Die andere Zeit reist er durch seine Diözese, per Flugzeug, per Auto und sehr viel mit dem Schiff.
Seine Diözese ist flächenmäßig viereinhalb Mal so groß wie Österreich. Für rund 800 Gemeinden (jede Pfarre umfasst zwischen 30 und 100 Gemeinden) stehen ihm 31 Priester zur Verfügung. „90 Prozent der Einwohner haben keine reguläre Eucharistiefeier, 70 Prozent nur zwischen drei oder vier Mal im Jahr“, berichtete Kräutler den rund 500 interessierten Zuhörern, die am Mittwochabend zu seinem Vortrag ins Stift Seitenstetten gekommen waren (siehe auch Fotoserie).
Das Bildungshaus St. Benedikt hatte Kräutler eingeladen. Ohne engagierte Laien, so erzählte der Bischof, „könnten die kirchlichen Strukturen in seiner Diözese nicht aufrechterhalten werden.“
Vor allem Frauen sind es, die ehrenamtlich Verantwortung übernehmen. „Und alle fünf Jahre gibt es eine Großversammlung des Volkes Gottes, da schickt jede Gemeinde einen Delegierten und da werden dann die pastoralen Schwerpunkte bestimmt und geschaut, was gut war und was wir besser machen können.“
„Es gibt bei uns ein Sprichwort, das in etwa so lautet:
Wenn nichts mehr geht, dann geh zum Bischof.“
Bischof Erwin Kräutler
Als Präsident des CIMI, des Indianermissionsrates der brasilianischen Bischofskonferenz, setzt sich Bischof Kräutler auch für die Belange der indigenen Völker ein. Und das mit Erfolg: 1980 wurden erstmals ihre Rechte in der Verfassung Brasiliens verankert. Widerstand dagegen gibt es aber von Unternehmern und Politikern bis heute.
Kräutler ergreift für alle Menschen in seiner Diözese Partei, denen ein Unrecht geschieht. „Es gibt bei uns ein Sprichwort, das in etwa so lautet: Wenn nichts mehr geht, dann geh zum Bischof“, erzählt er.
Genau das haben auch die Eltern von Schulmädchen getan, die misshandelt und missbraucht wurden. Kräutler hat die Täter angezeigt – mächtige Leute, auch Wirtschaftsbosse darunter. Seit neun Jahren steht sein Name deshalb auf einer Todesliste.
Seit neun Jahren auf einer Todesliste
Die Regierung hat ihm Leibwächter beigestellt. „Wenn ich aus der Tür gehe, sind zwei Leute da, beim Gottesdienst ebenso wie bei Versammlungen. Das hat die soziale Dimension meines Lebens stark eingeschränkt. Früher bin ich am Abend öfter durch die Straße gegangen und Leute haben mich spontan zum Kaffee eingeladen. Mit zwei Polizisten im Schlepptau will ich aber nicht in die Häuser gehen“, sagt Kräutler.
Wie real die Gefahr für sein Leben ist, zeigen schreckliche Ereignisse. Eine seiner Mitarbeiterinnen, Ordensschwester Dorothy Stang, wurde 2005 erschossen. Kräutler selbst überlebte schon im Jahr 1987 ein als Autounfall getarntes Attentat nur schwer verletzt, ein Mitbruder starb.
„In Österreich genieße ich schon sehr, dass ich mich frei bewegen kann, ohne Leibwächter“, sagt der Bischof. Der gebürtige Vorarlberger kommt jedes Jahr rund um Pfingsten in seine Heimat und spendet in Pfarren das Sakrament der Firmung.
„Bei uns drüben ist auch nicht das Problem, dass es
arme Leute gibt, sondern dass sie arm gemacht werden.“
Bischof Erwin Kräutler
Im Mostviertel war er zum ersten Mal. Am Vormittag erzählte er Schülern des Stiftsgymnasiums über sein Leben und seine Arbeit, am Abend Erwachsenen und er warb natürlich auch um Unterstützung für seine Diözese. Denn in Brasilien gibt es keine, Kirchensteuer.
„Die Leute besteuern sich selbst. Sie geben das, was sie sich leisten können. Ich bitte auch Österreicher darum, sich selbst zu besteuern und meine Arbeit zu unterstützen. Zum Glück gibt es Menschen, die das tun.“ Es gehe da nicht um Almosen, sondern um gerechtes Teilen.
Vergleiche zwischen Österreich und Brasilien will Kräutler nicht anstellen. „Ich habe ja nichts dagegen, dass es den Leuten hier gut geht. Bei uns drüben ist auch nicht das Problem, dass es arme Leute gibt, sondern dass sie arm gemacht werden. Der Graben zwischen denen, die sehr viel haben und jenen, die nichts haben, ist unendlich tief. Bei Großgrundbesitzern und anderen Unternehmen herrschen oft sklavenähnliche Verhältnisse. Bei diesem wirtschaftlichen System kann ich nicht mittun.“
Schweigen konnte Kräutler auch nicht, als 1983 Zuckerrohrbauern Geld, das ihnen zustand, neun Monate lang vorenthalten wurde. Er nahm an einer Demonstration teil. Die Militärpolizei verhaftete ihn und schlug ihn zusammen. „Da riefen die Menschen: Lasst unseren Bischof frei!“ erzählt Kräutler. Das habe seine Verbundenheit mit ihnen noch gestärkt.
Kampf gegen einen Monsterstaudamm
Derzeit kämpft er auch gegen den Bau des Monsterstaudamms von Bel Monte, durch den der Fluss Xingu auf einer Fläche von 502 Quadratkilometern aufgestaut werden soll. Die Lebensgrundlage von 40.000 indigenen Bewohnern ist bedroht – und das Ökosystem des Amazonas-Regenwaldes, das wichtig für das Gesamtklima der Erde ist.
Auch bei Kräutlers Besuch beim Papst im April 2014 war das Projekt Thema. „Die Kirche muss sich klar für die Bewahrung der Schöpfung aussprechen. Ich habe noch den tropischen Regenwald erlebt. In den letzten fünfzig Jahren wurde viel kaputt gemacht“, sagt er.
Bei seinem Papstbesuch trug Kräutler übrigens dieselbe Soutane, wie bei der Bischofsweihe vor 35 Jahren. „Ich brauche sie ja sonst nicht.“ Von kirchlichem Pomp und Ämterdünkel hält er nicht viel. „Wir müssen endlich von diesem alten Zopf wegkommen.“ Er selbst sieht sich als Knecht Christi Jesu (Röm 1,1).
Wie lange er noch in Amt ist, ist ungewiss. Mit 75 Jahren hat der Bischof in Rom seinen Rücktritt angeboten. „Ich werde aber auch, wenn ich nicht mehr in der vorderen Reihe stehe, wie wir in Brasilien sagen, meine Fußballschuhe nicht an den Nagel hängen“, versichert Kräutler.
momag.at, 07.05.2015
Vortrag in Seitenstetten: Bischof Erwin Kräutler gab Einblicke in sein Leben in Brasilien.
Bischof Erwin Kräutler lebt seit 50 Jahren in Brasilien und setzt sich dort für die Armen und Unterdrückten ein. Dass das Leben dort nicht immer leicht für ihn ist erzählte er 500 Interessierten bei einem Vortrag am 6. Mai im Stift Seitenstetten.
Mit 26 Jahren ging der Geistliche nach Brasilien. Und das Ganze ohne die Sprache zu können. Die Verständigung fiel ihm jedoch nicht schwer und er sei “schnell mit den Menschen zusammengewachsen”, sagt Kräutler. Er verstand sich auf Anhieb mit den Leuten und setzte sich für die Unterdrückten und Zuckerrohrbauern ein, was ihm sogar eine Verhaftung durch die Polizei und Morddrohungen einbrachte.
Als die Regierung einen Staudamm am Amazonas-Nebenfluss Belo Monte errichten wollte, stellte er sich quer und wurde erneut von der Polizei verhaftet. Dies war ein besonderer Moment für Kräutler, denn die Menschen erkannten schnell, das sich ihr Bischof für sie einsetze. Das Gefährliche bei dieser Aktion war nämlich auch, dass in dem Gebiet einige Ressourcen vermutet wurden und die eingeborene Bevölkerung unter der Ausbeutung gelitten hätte.
Laut der alten Verfassung sollte die indigene Bevölkerung in die Gesellschaft eingegliedert werden. Damit wäre jedoch die Kultur und Lebensart von den Menschen, die seit 40.000 Jahren in dem Gebiet leben, aufgegeben worden. Den Menschen ihre Identität abzusprechen sei jedoch das Allerschlimmste für sie. Die Rechte der indigenen Bevölkerung seien immer wieder schwer in Gefahr und „ohne den Einsatz der katholischen Kirche gebe es diese indigenen Völker wohl nicht mehr.“ meint der Bischof von Xingu.
Seine durchgehende Motivation sei Jesus und er frage sich immer “Was würde Jesus tun?”. Er spüre auch, dass sich Jesus mit Menschen am Rande der Gesellschaft identifizieren würde.
Seine gefährlichen Einsätze brachtem ihm schon zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter der alternative Nobelpreis und der Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte.
Bezirksblätter Amstetten, 7.5.2015
Seitenstetten: 500 kamen zu Bischof Erwin Kräutler
500 Interessierte kamen ins Benediktinerstift Seitenstetten und lauschten den Worten des austro-brasilianischen Bischofs Erwin Kräutler.
Als Verteidiger der Rechte der indigenen Völker im Amazonas-Gebiet stellt sich der 75-Jährige in den Dienst der Unterdrückten, der Armen und jener, die am Rande der Gesellschaft stehen.