Dienstag, 18. August 2015

Brasilien: Hunderttausende fordern Präsidentin Rousseff zum Rücktritt auf


FAZ, 17.8.2015
Demonstrationen
Hunderttausende Brasilianer fordern Präsidentin Rousseff zum Rücktritt auf
In Brasilien haben Hunderttausende Menschen den Rücktritt von Präsidentin Dilma Rousseff verlangt. In Dutzenden Städten des ganzen Landes versammelten sich Menschen unter dem Motto: „Raus mit Dilma“.


Deutsche Welle, 16.8.2015
Hunderttausende demonstrieren gegen Brasiliens Präsidentin Roussef
Im ganzen Land gab es Demonstrationen gegen Präsidentin Rousseff, die viele Brasilianer für die schlechte Wirtschaftslage und Korruption verantwortlich machen. Es kamen aber weniger Teilnehmer als bei vorigen Protesten.

Die Polizei sprach von insgesamt mehr als 430.000 Teilnehmern landesweit, die Organisatoren von 704.000 in 136 Städten.

In Brasília forderten die zumeist in den Landesfarben Grün und Gelb gekleideten Demonstranten (Artikelbild) Neuwahlen sowie den Rücktritt oder eine Amtsenthebung von Staatschefin Dilma Rousseff. "Dilma raus!" und "Nein zur Korruption!" stand auf Plakaten. Allein in der Hauptstadt nahmen nach Angaben der Organisatoren 45.000, nach Zahlen der Polizei 25.000 Menschen an den Protesten teil.

Weniger Demonstranten
Die Veranstalter hatten zuvor erklärt, sie rechneten mit mehreren hunderttausend Teilnehmern in bis zu 200 Städten. Aufgerufen zu den Kundgebungen hatte unter anderem das Bündnis "Movimento Brasil Livre", aber auch Vertreter der Mitte-Rechts-Opposition. Im April waren landesweit knapp 700.000 Menschen gegen die 64-jährige Präsidentin auf die Straßen gegangen, im März war es mehr als Million.

Die Proteste richten sich gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten und den Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras, in dessen Mittelpunkt zahlreiche Politiker der regierenden Arbeiterpartei stehen. Viele Brasilianer sind überzeugt, dass die heutige Präsidentin, die von 2003 bis 2010 im Verwaltungsrat des Unternehmens saß, von den damals schon laufenden Machenschaften wusste.

Dilma Rousseff
Laut Staatsanwaltschaft zahlten rund zwei Dutzend Firmen, zumeist große Baukonzerne, an Petrobras Schmiergeld, um an lukrative Aufträge zu kommen. Das Staatsunternehmen soll zudem Auftragssummen durch illegale Aufschläge aufgebläht haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen Politiker aus Rousseffs Arbeiterpartei wegen Bestechungsverdachts.

Rousseff war im vergangenen Oktober mit einer knappen Mehrheit von 51,6 Prozent wiedergewählt worden. Derzeit liegt ihre Zustimmungsrate nur noch bei acht Prozent. Sie ist damit das unbeliebteste Staatsoberhaupt in Brasilien seit der Rückkehr zur Demokratie vor 30 Jahren. Zwei Drittel sind für ein Amtsenthebungsverfahren durch den Kongress, obwohl sie bis 2018 gewählt ist.

"Tradition des Putsches"
Rousseff will sich dem Druck jedoch nicht beugen. "Ich habe niemals in Erwägung gezogen zurückzutreten", sagte Rousseff am Mittwoch dem TV-Sender SBT. Es sei nicht zulässig, wegen Unzufriedenheit über einen politischen Prozess einen Amtsträger, in diesem Fall die durch Wahlen legitimierte Präsidentin, zum Rücktritt zu drängen. "Wir müssen lernen, dass Demokratie bedeutet, die Institutionen zu respektieren."

Brasiliens Demokratie sei gereift, daher seien Demonstrationen normal, sagte Rousseff. Es gebe zwar nach wie vor eine "Tradition des Putsches" in Brasilien, solche Tendenzen seien aber keine echte Bedrohung mehr. Rückendeckung erhielt Rousseff am Mittwoch von 35.000 Landarbeiterinnen, die sich zur Unterstützung der Präsidentin in die Hauptstadt Brasília versammelten. Bei der Abschlusskundgebung versprach Rousseff unter dem Applaus der Demonstrantinnen, sie werde sich weiter für ihre Rechte einsetzen.

Gründe für Rousseffs Unbeliebtheit sind neben dem Korruptionsskandal vor allem die politische und ökonomische Krise. Parlamentspräsident Eduardo Cunha vom wichtigsten Koalitionspartner Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB), hat sich mit Rousseff überworfen, seit auch gegen ihn wegen Schmiergeldannahme ermittelt wird. Die politische Blockade erschwert den Abschluss eines Sparpakets und von notwendigen Strukturreformen.


Wiener Zeitung, 17.8.2015
Landesweite Protestegegen Staatschefin Rousseff
In Brasilien haben hunderttausende Menschen am Sonntag erneut den Rücktritt von Präsidentin Dilma Rousseff gefordert. Alleine in der Millionenmetropole Sao Paulo gingen nach Polizeiangaben 350.000 Regierungsgegner auf die Straße, um ihrem Ärger über die grassierende Korruption, die steigenden Lebenshaltungskosten und die lahmende Wirtschaft in ihrem Land Luft zu machen.

Die Polizei sprach von 866.000 Teilnehmern landesweit, die Organisatoren gingen sogar von 1,9 Millionen Demonstranten aus. Protestmärsche fanden außer in Sao Paulo auch in der Hauptstadt Brasilia, in Rio de Janeiro, im südöstlichen Belo Horizonte sowie mehr als hundert weiteren Städten Brasiliens statt. Es waren bereits die dritten Massenkundgebungen gegen die Staatschefin in diesem Jahr. Im April waren nach Polizeiangaben landesweit knapp 700.000 Menschen auf die Straßen gegangen, im März waren es über eine Million Menschen.

Neuwahlen gefordert
In Brasilia forderten die zumeist in den Landesfarben Grün und Gelb gekleideten Demonstranten Neuwahlen sowie den Rücktritt Rousseffs oder ein Amtsenthebungsverfahren gegen die 64-jährige Staatschefin. "Dilma raus!" und "Nein zur Korruption!" stand auf den Plakaten. Patricia Soares, die mit etwa 25.000 Mitstreitern in Brasilia protestierte, verlangte den Rücktritt der Präsidentin und ihrer "Mafia der Arbeiterpartei". Sie werde so lange auf die Straße gehen, "bis diese Präsidentin fällt", kündigte die Demonstrantin an.

In Rio herrschte unterdessen eine eher ausgelassene Stimmung. Aus Lautsprechern erklang Samba-Musik, viele Demonstranten trugen Badesachen und kamen mit ihren Surfboards offenbar direkt vom Strand. Ein Mann demonstrierte im Batman-Kostüm, andere trugen rote Clowns-Nasen. Doch war es ihnen mit ihren Forderungen nach einem Ende der Amtszeit Rousseffs und der Regierung ihrer Arbeiterpartei ebenso ernst wie den Demonstranten in Brasilia. "Sie plündern Brasilien und stehlen alles", sagte Rentner Jorge Portugal in Rio.

Proteste vor allem gegen Schmiergeldskandal um Petrobras
Die Proteste richten sich vor allem gegen den Schmiergeldskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras, in dessen Mittelpunkt dutzende Politiker der regierenden Arbeiterpartei stehen. Gegen Rousseff selbst ermittelt die Justiz nicht - obwohl sie während eines großen Teils des Zeitraums, in dem Politiker hohe Schmiergelder erhalten haben sollen, Chefin des Petrobras-Aufsichtsrates war. Die Präsidentin war im vergangenen Oktober mit einer knappen Mehrheit von 51,6 Prozent wiedergewählt worden. Derzeit liegt ihre Zustimmungsrate nur noch bei knapp acht Prozent.

Viele Brasilianer werfen Rousseff zudem eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,5 Prozent sinkt. Auch wegen wegbrechender Steuereinnahmen schreibt die Regierung ein hohes Haushaltsdefizit. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat gedroht, die Bonität des Landes als Ramsch zu bewerten. Damit würden die Kreditkosten für Regierung und Unternehmen wahrscheinlich steigen.

Oppositionsführer Neves: "Brasilien ist aufgewacht"
Oppositionsführer Aecio Neves, der die Stichwahl im Oktober denkbar knapp gegen Rousseff verloren hatte, sprach in Belo Horizonte zu den Demonstranten. "Brasilien ist aufgewacht", rief er ihnen zu. Die Regierung habe alle Glaubwürdigkeit und Autorität eingebüßt. Das Volk habe genug von "so viel Korruption". Rogerio Chequer, Chef der Gruppe Cem Pra Rua (Geht auf die Straße) und einer der Organisatoren der Demonstrationen, forderte einen Wandel in Brasilien. "Wir ertragen diese Korruption nicht mehr, dieses Ausmaß an Elend und Leid."

Die Regierung reagierte kühl auf die erneuten Massenproteste. Die Demonstrationen seien im Rahmen der "demokratischen Normalität" verlaufen, erklärte Kommunikationsminister Edinho Silva. Rousseff lehnt einen Amtsverzicht bisher kategorisch ab. Am Donnerstag finden in Brasilia die ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen statt, zu denen die deutsche Bundeskanzlerin Merkel mit mehreren ihrer Minister erwartet wird.


Adveniat zu Demonstrationen gegen Brasiliens Präsidentin Rousseff
"Hoffungen sind enttäuscht worden"
In Brasilien demonstrieren Hundertausende gegen die Politik von Präsidentin Dilma Rousseff. Die Unzufriedenheit sei nachvollziehbar, erklärt Klemens Paffhausen, Referent beim Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, im domradio.de-Interview vom 17.8.2015.

domradio.de: Warum sind so viele Brasilianer so sauer auf ihre Staatschefin?
Klemens Paffhausen: Dilma Rousseff ist die Nachfolgerin von Lula da Silva, dem sehr populären Staatschef, der neue soziale Signale gesetzt hatte. Zum Beispiel hat er ein Kindergeld für Schulkinder eingeführt. Sehr viele Hoffnungen waren in Dilma Rousseffs Partei PT gesetzt worden. Nunmehr stellt die Bevölkerung fest, dass die Politik offensichtlich wieder zu ihren alten Regeln, zur Korruption und dem Gerangel der Mächtigen zurückkehrt.

domradio.de: Welche Rolle spielt der Wirtschaftseinbruch, mit dem Brasilien gerade zu kämpfen hat?
Klemens Paffhausen: Inflation und steigende Arbeitslosigkeit sind sicherlich ausreichende Gründe für eine unzufriedene Reaktion der Bevölkerung. Ich glaube aber, dass die Gründe sehr viel tiefer zu suchen sind. Brasilien hat nach der Fußball-Weltmeisterschaft einige Enttäuschungen zu verarbeiten gehabt. Dabei muss man nicht nur vordergründig an das verlorene Halbfinale gegen Deutschland denken, sondern vielmehr an das, was mit der WM in Verbindung steht. Dort wollte man Brasilien als führende Wirtschafts- und Fußballnation zeigen. Heute weiß man, dass das Erbe der WM in drei Stadien besteht, die kaum noch genutzt werden können und zu Millionengräbern und steuerlichen Belastungen der Allgemeinheit wurden.

domradio.de: Die Protestanten sagen: Präsidentin Rousseff muss weg und fordern Neuwahlen. Wie schätzen Sie das ein? Wie sehr wackelt Rousseffs Stuhl wirklich?
Klemens Paffhausen: Ich denke, man wird noch abwarten müssen, wie belastbar die Vorwürfe sind. Dann wird man gegebenenfalls einen Rücktritt fordern. Man muss zwei Dinge beachten: Es gibt natürlich die ganzen Korruptionsskandale, in die sie offensichtlich mit verwickelt ist. Es gibt aber auch eine ganze Menge Stimmungsmache. Politische Splittergruppen versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Insofern ist die Faktenlage momentan noch sehr unübersichtlich.

domradio.de: Wissen Sie etwas darüber, wie die Kirche zu diesen Protesten steht?
Klemens Paffhausen: Die Kirche versucht, hier zu differenzieren. Einerseits stehen die Fakten wie die Korruption im Raum. Andererseits wird geschaut, was nur einem politischen Agitieren geschuldet ist. Gleichfalls muss man aber sagen, dass auch breite Kreise der Kirche gerade in die Partei PT, in den ehemaligen Staatschef Lula da Silva und damit in dessen Nachfolgerin Dilma Rousseff große Hoffnungen gesetzt haben. Diese Hoffnungen scheinen durch die Bank enttäuscht worden zu sein. Gerade jetzt, wo offenbar wird, dass auch die PT letzten Endes nach dem bekannten Regeln der Politik - sprich Korruption und Bestechung - gespielt hat.

domradio.de: Am Mittwoch starten in Brasilia die ersten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen. Da geht es auch um die Zusammenarbeit in Umwelt- und Klimafragen. Was wünschen Sie sich von der Kanzlerin? Was soll die dringend ansprechen? Stichwort: Menschenrechte.
Klemens Paffhausen: Menschenrechte sind nach wie vor ein Thema. Insbesondere geht es auch um gerechte Arbeitsbedingungen. Wir sehen immer wieder sowohl bei den Stadienbauten als auch in entlegenen Regionen des Amazonasgebietes Phänomene, die sich als Sklavenarbeit bezeichnen lassen. Dies wird auch immer wieder von der Kirche stark kritisiert. Als jemand, der bei Adveniat auch für das Amazonasgebiet zuständig ist, wünsche ich mir natürlich, dass konkrete Ergebnisse beim Klimafortschritt erzielt werden. Idealerweise so, dass eine Energiewende auch in Brasilien Erfolg haben könnte. Das wäre sicher ein wichtiges Thema, das die beiden Staatschefinnen ausdiskutieren sollten.

domradio.de: Im kommenden Jahr werden in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele ausgerichtet. Muss man da wieder befürchten, dass die Masse der Menschen nicht von diesem Megaevent profitiert?
Klemens Paffhausen: Leider deutet alles darauf hin. Das sogenannte Olympische Dorf ist letzten Endes ein riesiges Luxus-Wohngebiet. Die Wohnungen werden jetzt schon für die nacholympische Zeit zu Höchstpreisen verkauft. Das ganze Olympische Dorf liegt in der Region Barra, das sich in den letzten Jahren ohnehin schon zu den Vierteln der Reichen entwickelt hat. Dort entsteht eigentlich ein Reichenviertel mit Golf- und Tennisplätzen, so dass die Masse der Bevölkerung besonders in den Randgebieten der Großstadt wohl kaum Nutznießer sein kann.


Estadão, 16.8.2015
Em Belo Horizonte, Aécio faz discurso com ataques ao governo

G1 - O Globo, 16.8.2015
Belo Horizonte tem novo ato contra a presidente Dilma e o PT
PM contabilizou cerca de 6 mil em ato; manifestantes estimaram 20 mil.
Este foi o 3º protesto contra a presidente na capital mineira em 2015.