ORF, 26.9.2017
Erfolgreiche Proteste von Umweltschützern
Im August dieses Jahres hat der brasilianische Präsident Michel Temer ein Dekret unterschrieben, das Regenwaldreservat Reserva Nacional do Cobre e Associados (RENCA) für den Goldabbau zu öffnen. Nach scharfen Protesten nimmt die Regierung die umstrittene Verordnung nun zurück, wie die Behörden am Montag (Ortszeit) mitteilten. Am Dienstag soll ein neues Dekret zum Schutz des Regenwaldes veröffentlicht werden.
Die Regierung setzte das Dekret zwar vorerst aus, kündigte aber an, es zu einem späteren Zeitpunkt weiter diskutieren zu wollen. „Brasilien muss wachsen und Arbeitsplätze schaffen, Bergbauinvestitionen anlocken und das ökonomische Potenzial der Gegend nutzen“, so das Ministerium für Bergbau und Energie am Montag in einem Statement.
Naturschutzgebiet soll erhalten bleiben
Bedroht war ein Naturreservat in der Fläche von Dänemark, berichtete kürzlich der Buchautor Chris Feliciano Arnold in der „New York Times“ („NYT“). Das etwa 46.100 Quadratkilometer große Schutzgebiet RENCA erstreckt sich über die brasilianischen Bundesstaaten Para und Amapa. Während der Militärdiktatur war es als geschlossenes Terrain ausgewiesen, das andere Länder davor hindern sollte, Bodenschätze auszubeuten. Heute ist es ein Naturschutzgebiet, das laut dem lokalen Forschungsinstitut IPAM nicht nur die höchste Dichte an Säugetieren beherbergt, sondern in dem auch indigene Völker leben.
„Kein Paradies“: Kriminelle Schürfer im Regenwald
Temers Rechtfertigung für den industriellen Bergbau war, illegalen Holzfällern und Goldgräbern Einhalt zu gebieten. Diese würden „den Reichtum der Nation plündern“ und das Wasser mit Quecksilber verseuchen, so der brasilianische Präsident noch vor Kurzem - es handle sich um „kein Paradies“. Im Zuge des RENCA-Erlasses schlug er außerdem vor, die Einhaltung von Umweltstandards den Bergbauunternehmen selbst zu überlassen - und die Regierung damit zu entlasten.
Doch großräumige Bergbauvorhaben im Amazonas-Regenwald, ob legal oder illegal, würden immer ein hohes Risiko mit sich bringen, so Buchautor Arnold, und zwar nicht nur durch den Abbau von Rohstoffen selbst: Zusätzlich werden Straßen, Schienen und Staudämme gebaut - und dafür Regenwald abgeholzt. Diese „Nebenprojekte“ würden Trinkwasser verschmutzen und den Lebensraum für Flora, Fauna und Mensch zerstören, kritisierten Umweltschützer.
Weitere Dekrete für Bauprojekte noch aufrecht
Unterstützt wurden dieses Argumente kürzlich auch von Bundesrichter Rolando Valcir Spanholo. Er hatte der Öffnung des Reservats einen Riegel vorgeschoben und das ursprüngliche Dekret somit erst einmal ausgesetzt. Eine solche Verordnung brauche die Zustimmung des Nationalkongresses, urteilte Spanholo, was die Hoffnung vieler Regenwaldschützer wachsen ließ.
Doch der RENCA-Beschluss ist nicht der einzige seiner Art. Derzeit liegen den brasilianischen Behörden noch weitere drei Gesetzesentwürfe zur Nutzung des Amazonas-Gebiets vor, laut denen innerhalb der nächsten acht Jahre insgesamt fünf Millionen Hektar geschütztes Regenwaldareal erschlossen werden sollen, so die „NYT“. Ein anderes Dekret sehe etwa vor, ein Gebiet in der Fläche von Alaska auswärtigen Bergbauinvestitionen zu überlassen. Es bleibt unklar, ob sich die Zurückweisung des RENCA-Dekrets auch auf andere Regenwaldgebiete in Brasilien bezieht.
„Kein Anführer ist immun gegen öffentlichen Druck“
Nationale und internationale Umweltschützer stellten sich vehement gegen die Vorhaben zu RENCA und zeigten sich jetzt vorsichtig optimistisch. „Sollte das neue Dekret umgesetzt werden - egal wie schlecht auch immer -, so zeigt die Aussetzung der Verordnung, dass kein Anführer komplett immun gegen öffentlichen Druck ist“, so Marcio Astrini, Greenpeace-Koordinator. „Es ist ein Sieg der Gesellschaft über jene, die unseren Wald zerstören und verkaufen wollen.“
Der Oppositionelle Senator aus Amapa nannte die alte Verordnung gar „die größte Attacke auf das Amazonas-Gebiet seit 50 Jahren“. Kritisiert wurde außerdem, dass Temer indirekt von den Brasilianern gefordert hatte, ihre Geschichte zu vergessen und auf das Geld zu vertrauen, das der Bergbau in die Gegend bringen sollte. Doch die Brasilianer hatten genügend Gründe, diesen Argumenten wenig Glauben zu schenken - zu groß war die Gefahr für Mensch und Umwelt erst im Jahr 2015, als ein Damm in Bento Rodrigues brach und eine der weltweit größten Umweltkatastrophen anrichtete.
Dabei gelangte durch den Bruch eines Rückhaltebeckens der Eisenerzmine 32 Millionen Kubikmeter toxischer Schlamm bis in den Atlantischen Ozean. 17 Menschen starben, und mehrere Hunderttausend wurden von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Experten zufolge wird es mindestens 100 Jahre dauern, bis die Rückstände der Giftstoffe verschwinden werden.
Odyssee der gescheiterten Bauprojekte
Die Geschichte der Katastrophen und behördlichen Irreführungen des brasilianischen Bergbaus ist lang: In den 1970ern wurde mit der Transamazonika-Autobahn ein über 4.000 Kilometer langes Bauprojekt mitten durch das Amazonas-Becken gestartet, das lange noch nicht abgeschlossen ist. Es sollte die Atlantik- mit der Pazifikküste auf Höhe des Äquators miteinander verbinden, besteht derzeit aber größtenteils aus nicht asphaltierten Straßen.
Über Jahrzehnte wurde von der Regierung versprochen, unentdecktes Binnenland für Besiedelung zu öffnen - vor allem mussten dafür aber Tausende indigene Bewohner ihren Lebensraum oder sogar ihr Leben lassen. Ein beispielloser Fall, der von einem Bundesstaatsanwalt sogar als Ethnozid bezeichnet wurde, ist jener des Wasserkraftwerks Belo Monte - immer noch in Bau seit der Zeit des Militärregimes. Das Megaprojekt sollte Strom für den Bergbau liefern, verdrängte aber Tausende Menschen in die Überschwemmungsgebiete des Amazonas. Indigene Völker protestierten über Jahre, die Regierung versuchte sie durch schlecht organisierte Hilfsprogramme ruhigzustellen.
Mächtige Temer-Lobby schützt ihren Präsidenten
Und neben riesiger staatlicher Bauprojekte im brasilianischen Regenwald gibt es da auch noch die Fehden um Land, die Großgrundbesitzer untereinander führen. Eine mächtige Lobby an Ranchern, Holzfällern, Baulöwen und Lokalpolitikern bekämpft sich gegenseitig und beutet Arbeiter aus, die nicht zuletzt auch oft selbst ihres Landes beraubt wurden, kritisierte Arnold. Diese vermögende Clique an Eignern bilde sich aus genau jenen Menschen, die Temer vor einem Korruptionsskandal schützen würden. Es bleibt also abzuwarten, ob das neue Dekret zum Schutz des Regenwaldes von Dauer sein wird.
Agência Brasil, 26/09/2017
Decreto que revoga a extinção da Renca é publicado no Diário Oficial
O Decreto nº 9.159, que revoga outro decreto, o de número 9.147, de 28 de agosto de 2017, que extinguiu a Reserva Nacional do Cobre e Associados (Renca), está publicada no
Diário Oficial da União desta terça-feira (26). Ele foi assinada ontem (25) pelo presidente Michel Temer. A decisão de extinguir a Renca foi questionada por ambientalistas, artistas e repercutiu na mídia internacional.
Ministério de Minas e Energia, 25/09/2017
Governo revoga decreto que extingue a Renca
O Ministério de Minas e Energia (MME) comunica que encaminhou ao Palácio do Planalto solicitação para que o governo examinasse a revogação da medida que extinguiu a Reserva Nacional de Cobre e Associados (Renca). A Casa Civil da Presidência da República informou ao MME que vai adotar a medida com a edição de um novo Decreto a ser publicado na edição desta terça-feira, 26, no
Diário Oficial da União.
The New York Times, 18.9.2017
In the Amazon, a Catastrophic Gold Rush Looms
Brazil’s interim president, Michel Temer, is willing to sacrifice millions of acres of rain forest in pursuit of a 16th-century boondoggle: fortunes of gold in the Amazon.