Dienstag, 5. September 2017

Bischof Kräutler: Protestnote gegen das Bergbaudekret


Präsident Michel Temer hatte am 22.8. das Amazonasschutzgebiet RENCA mit einem Präsidialerlass aufgelöst und für Bergbaufirmen freigegeben. Das führte bei Umweltschützern und auch bei der katholischen Kirche Brasiliens zu heftigen Protesten.

Das panamazonische Kirchennetzwerk REPAM und die bischöfliche Kommission für Amazonien, dessen Präsident Cláudio Kardinal Hummes und dessen Sekretär Bischof Erwin Kräutler sind, veröffentlichten am 28.8.2017 eine Protestnote gegen den Präsidialerlass und dürften damit wesentlich zu dessen Aufhebung beigetragen haben.

Hier eine von Bischof Kräutler authorisierte Übersetzung der Dreikönigsaktion:


Brasília, 28. August 2017

Protestnote gegen den Präsidialerlass zu Aufhebung des Naturschutzgebietes
Reserva Nacional do Cobre e Associados (RENCA)

Wir hören den Schrei der Erde und der Armen

Das länderübergreifende Pan-amazonische Kirchennetzwerk REPAM (Rede Eclesial Pan-Amazônica) – verbunden mit der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz CELAM (Conselho Episcopal Latino-Americano e do Caribe) und in Brasilien eine Einrichtung der Bischofskonferenz CNBB (Conferência Nacional dos Bispos do Brasil) - tritt gemeinsam mit der bischöflichen Kommission für Amazonien, mit der sie über ein gemeinsames Präsidiums verbunden ist, und vereint mit der katholischen Kirche Pan-Amazoniens sowie der brasilianischen Gesellschaft – insbesondere mit den indigenen Völkern der Terras Indígenas Waãpi und Rio Paru D’Este – an die Öffentlichkeit und verurteilt die undemokratische Ankündigung eines höchst zerstörerischen Präsidialerlasses zur Aufhebung des Naturschutzgebietes Reserva Nacional de Cobre e seus Associados (RENCA) vom 23.8.2017 aufs Schärfste.

RENCA ist ein Schutzgebiet in Amazonien, das mit 46.450 km2 der Fläche des Staates Dänemark entspricht. Die Region umfasst neun Schutzgebiete, von denen drei umfassend geschützt sind: der Nationalpark von Montanhas do Tumucumaque, die staatlichen Waldschutzgebiete von Paru und Amapá; das Öko-Reservat von Maicuru, und die Öko-Station von Jari, das Bergbau-Schutzgebiet von Rio Cajari, sowie das Reservat für nachhaltige Entwicklung des Rio Iratapuru sowie die indigenen Territorien von Waiãpi und Rio Paru d`Este. Diese Gebiete für den Abbau von Kuper, Gold, Diamanten, Eisen, Niob u. a. m. zu öffnen, wird die Entwaldung, den unwiederbringlichen Verlust an Biodiversität sowie negative Auswirkungen für die Bevölkerung der Region vorantreiben.

Das Dekret zur Aufhebung von RENCA missachtet die brasilianische Demokratie, da die Regierung - in der Absicht neue Investitionen ins Land zu holen - ausschließlich die an der Ausbeutung der Region interessierten Unternehmen angehört hat. Es wurde keinerlei Konsultation der indigenen Völker und traditionellen Gemeinschaften durchgeführt, wie dies die brasilianische Bundesverfassung von 1988 in Artikel 231 sowie die Konvention 169 der ILO (International Labour Organization) fordern. Die Regierung gibt schlichtweg den großen Minenunternehmen, die seit Jahren die Aufhebung verlangen, sowie dem Druck parlamentarischer Gruppen, die eng mit dem Bergbausektor verbunden sind und der auch ihre Wahlkämpfe finanziert hat, nach.

Im krassen Gegensatz zu den schriftlichen Beteuerungen der Regierung wird es mit der Öffnung der Region für den Bergbau keinerlei Garantien mehr für den Schutz des tropischen Regenwalds, der Naturschutzgebiete und noch viel weniger der indigenen Territorien geben. Letztere werden direkt und auf gewaltsame und unumkehrbare Weise betroffen sein. Man muss sich bloß die Spuren der Verwüstung ansehen, die brasilianische und ausländische Minengesellschaften in Amazonien in den letzten Jahrzehnten hinterlassen haben: Entwaldung, Umweltverschmutzung, Beanspruchung von Wasserressourcen durch den hohen Wasserbrauch von Bergbauoperationen sowie deren Verschmutzung durch Chemikalien, Anstieg von Kriminalität, Drogenmissbrauch und Prostitution, Verschärfung von Landkonflikten, unkontrollierte Aggression gegen die Kulturen und Lebensweisen der indigenen und traditionellen Gemeinschaften, große Steuererleichterungen bei gleichzeitig minimalen Leistungen für die Bevölkerung in der Region.

Unabschätzbare ökologische und soziale Risiken bedrohen die „an biologischer Vielfalt überreiche[] Lunge[] des Planeten“ (LS38) Amazonien, wie uns Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si‘ erinnert. Er warnt des weiteren, dass Vorschläge existierten, „das Amazonasgebiet zu internationalisieren: Solche Ideen nützen einzig und allein den ökonomischen Interessen der transnationalen Unternehmen“ (LS38), so der Papst. Die Politik darf sich nicht der Wirtschaft und dem Diktat eines technokratischen Effizienz-Paradigmas unterwerfen. Die Priorität muss vielmehr stets das Leben, die Menschenwürde und die Sorge um das gemeinsame Haus, die Mutter Erde, sein. Am 9. Juli 2015 in Santa Cruz de la Sierra, Bolivien sagte Papst Franziskus sehr deutlich: „Sagen wir Nein zu einer Wirtschaft des Ausschlusses und der Ungerechtigkeit, in der das Geld regiert anstatt zu dienen. Eine solche Wirtschaft tötet. Eine solche Wirtschaft grenzt aus. Eine solche Wirtschaft zerstört die Mutter Erde“.

In der Enzyklika Laudato Si’ warnt Papst Franziskus weiters vor dem „Drama der auf unmittelbare Ergebnisse ausgerichteten politischen Planung“. Dieses „führt zu der Notwendigkeit, kurzfristig Wachstum zu erzeugen.“ (LS 178)

Vielmehr müssen für ihn die Einwohner vor Ort „einen privilegierten Platz in der Diskussion […] haben, die sich fragen, was sie für sich und für ihre Kinder wollen, und die auch Ziele in Betracht ziehen können, die das unmittelbare wirtschaftliche Interesse übersteigen.” (LS 183).

Die Aufhebung von RENCA stellt eine politische Bedrohung für ganz Brasilien dar. Sie erhöht den Druck auf die indigenen Territorien und Naturschutzgebiete und öffnet die Tür für die Flexibilisierung weiterer Bestimmungen, etwa der Genehmigung von Bergbauoperationen in indigenen Territorien, die im derzeitigen Bergbaugesetz untersagt ist.

Deshalb schließen wir uns den lokalen Diözesen von Amapá und von Santarém sowie den Umweltschützer/innen und dem Teil der Gesellschaft an, der über - auch von den Unterzeichner/innen dieses Schreibens unterstützten - Petitionen in den sozialen Netzwerken den sofortigen Stopp des Präsidialerlasses zu Aufhebung des Naturschutzgebietes fordern.

Wir rufen die Damen und Herren Parlamentsabgeordneten auf, Amazonien zu schützen und zu verhindern, dass Bergbauoperationen ein weiteres großes Naturerbe zerstören.

Wir werden nie resignieren angesichts der Zerstörung des Menschen und seiner Mitwelt! Vereinen wir unsere Kräfte für das Leben der Völker, die im Biom Amazoniens leben. Die Zukunft der kommenden Generationen liegt in unseren Händen!

Gott möge uns in der Tiefe unserer Herzen ermutigen, uns erleuchten und stärken auf der Suche der so sehr ersehnten neue Erde, in der die Gerechtigkeit wohnt.

Bischof Cláudio Kardinal Hummes OFM
Präsident der REPAM und der bischöflichen Kommission für Amazonien

Bischof Erwin Kräutler CPPS
Präsident von REPAM Brasilien und Sekretär der bischöflichen Kommission für Amazonien


Die deutsche Protestnote als PDF

Die Protestnote im portugiesischen Original:
CNBB, 28.8.2017
“Extinção da Renca vilipendia democracia brasileira”, afirmam bispos da Repam em nota