Mittwoch, 2. Januar 2019

Bolsonaro als 38. Präsident Brasiliens vereidigt

ORF, 2.1.2019
Brasilien nun in Bolsonaros Hand
Mit der Ankündigung eines radikalen politischen Neuanfangs ist Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro am Dienstag sein Amt angetreten. In seiner Antrittsrede versprach der ultrarechte Politiker, das Land vom „Joch der Korruption, der Kriminalität und der ideologischen Unterwerfung“ befreien zu wollen. Kritiker zeigen sich besorgt.

Von der Opposition boykottiert legte der 63-Jährige im Kongress seinen Amtseid ab. Zuvor war er gemeinsam mit seiner Ehefrau Michelle in einem offenen Rolls-Royce durch die Hauptstadt Brasilia gefahren. Seine Anhänger skandierten Bolsonaros Wahlkampfslogan: „Brasilien über alles, Gott über allen.“ Der neue Präsident winkte seinen Fans zu und sparte nicht mit Gesten. Unter anderem formte er mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und schoss in die Luft.

Zu Bolsonaros Amtseinführung waren als ausländische Gäste unter anderen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Chiles Präsident Sebastian Pinera angereist. US-Präsident Donald Trump ließ sich von Außenminister Mike Pompeo vertreten. Die linke Arbeiterpartei von Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva boykottierte die großangelegte Verteidigungszeremonie, bei der auch Bolsonaros Stellvertreter Hamilton Mourao vereidigt wurde.


Tagesschau.de, 1.1.2019
Reportage zur Amtseinführung von Bolsonaro


Salzburger Nachrichten, 2.1.2019
Bolsonaro macht Agrarlobbyistin für Schutzgebiete zuständig
In Brasilien weht nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro ein neuer Wind. Schon wenige Stunden nach seinem Amtseid am Neujahrstag hat der Rechtspopulist damit begonnen, das größte Land Lateinamerikas umzukrempeln. Er übertrug die Verantwortung für die Schutzgebiete der indigenen und afrobrasilianischen Gemeinschaften dem Landwirtschaftsministerium.


Handelsblatt, 3.1.2019
Neue Regierung Brasiliens beflügelt Finanzmärkte
Die Finanzmärkte haben positiv auf den Amtsantritt des neuen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro reagiert. Der Aktienindex der Börse in Sao Paulo legt zu.

In Brasilien hat die neue ultrarechte Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro mit einer Reihe von firmenfreundlichen Entscheidungen die Märkte beflügelt. Der brasilianische Leitindex Ibovespa stieg am Mittwoch um 3,56 Prozent und schloss mit einem neuen Rekord bei 91.012 Punkten. Auch der brasilianische Real legte am ersten Arbeitstag des neuen Staatschefs kräftig zu und wertete gegenüber dem US-Dollar um 2,08 Prozent auf.

An seinem ersten Arbeitstag übergab Bolsonaro am Mittwoch per Dekret die Verantwortung für Land, das von der indianischen Bevölkerung beansprucht wird, an das Landwirtschaftsministerium. Er entmachtete damit die Behörde für indigene Angelegenheiten und schürte Ängste, dass die Interessen der Agrarindustrie künftig über die der Indianer und den Umweltschutz gestellt werden.

Hinzu kamen Entscheidungen zur Privatisierung von Unternehmen, härteren Strafen für Kriminelle und einer nur leichten Anhebung des monatlichen Mindestlohns.

Der frühere Militär-Hauptmann und Nationalist Bolsonaro, der mit frauenverachtenden, rassistischen und homophoben Äußerungen für Empörung gesorgt hat, läutet nach drei Jahrzehnten linksorientierter Regierungen in Brasilien eine neue Ära ein. Investoren hoffen, dass sein Eintreten für freie Märkte Brasiliens Wirtschaft wieder in Schwung bringt. Der neue Wirtschaftsminister Paulo Guedes - ein früherer Investmentbanker - will Steuern senken und das kostspielige Sozialsystem überarbeiten.


Kathpress, 2.1.2019
Amtsantritt Bolsonaros: Indigenen-Missionsrat äußert Besorgnis
Brasilien: Menschenrechtsorganisationen und der lange Zeit von Erwin Kräutler geleitete CIMI berichten davon, dass Gewalt gegen indigene Waldverteidiger schon jetzt eskaliert sei

Brasilia, 02.01.2019 (KAP) Der Rechtspopulist Jair Bolsonaro ist am Montag zum brasilianischen Präsidenten vereidigt worden. Der 63-Jährige rief im Parlament in Brasilia zum Kampf gegen Korruption und Kriminalität auf und kündigte eine radikale Abkehr von der bisherigen "linksgerichteten" Politik an. Er wolle Brasilien aus der "schwersten ethischen und moralischen Krise seiner Geschichte" herausführen, sagte er. Die linke Arbeiterpartei von Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva boykottierte die Zeremonie, bei der auch Bolsonaros Stellvertreter Hamilton Mourao vereidigt wurde.

Bolsonaro übernahm das Präsidentenamt von dem unbeliebten konservativen Staatschef Michel Temer. Der ehemalige Fallschirmjäger und langjährige Abgeordnete Bolsonaro hatte im Oktober die Präsidentschaftswahl gewonnen und genießt auch jetzt noch hohe Zustimmungswerte. Gegner prangern seine rassistischen, frauen- und schwulenfeindlichen Äußerungen an sowie sein unverblümtes Lob für die brasilianischen Militärdiktatur der Jahre 1964 bis 1985. Menschenrechtsorganisationen und der lange Zeit von Bischof Erwin Kräutler geleitete Indigenenmissionsrat der katholischen Kirche (CIMI) berichten davon, dass die Gewalt gegen indigene Waldverteidiger in den vergangenen Wochen eskaliert sei. Zu erklären sei das mit dem neuen politischen Wind, der in Brasilien wehe.

Bolsonaro sprach sich offen gegen den Umwelt- und Klimaschutz sowie den Schutz der Indianerreservate aus. Die Baumschutz- und Umweltbehörden verspottete er als "Strafzettel-Industrie". Selbst der künftige Umweltminister Ricardo Salles erklärte in einem Interview schon, dass Brasilien an zu vielen Umweltstrafen leide, die einen "ideologischen Charakter" hätten. Die Klimafrage ist für den Mann ein "sekundäres Problem".

In einem Interview mit der Zeitschrift Globo Rural (Ausgabe 1. Jänner) sagte CIMI-Generalsekretär Cleber Buzatto, dass die Aussagen Bolsonaros über die Ureinwohner respektlos seien. Vorurteile und Gewalt gegen einige Stämme - in Regionen wie Rondonia - würden dadurch gefördert. Bolsonaro hatte erklärt, dass "Indianer nicht in abgegrenzten Reservaten leben sollen als wären sie Tiere in einem Zoo". Er wolle in seiner Amtszeit "keinen Zentimeter indigener Landes abgrenzen" und keinen weiteren hinzugeben. Die Indigenen könnten ihr Land pachten, so Bolsonaro, der damit in offenen Widerspruch zur Bundesverfassung trat.

Seine Unterstützer hat Bolsonaro im rasant wachsenden Sektor der Pfingstler und Evangelikalen. Der erste Auftritt des zuvor neu Gewählten hatte vor zwei Monaten der Pfingstkirche "Vitoria em Cristo" (Sieg mit Christus) in Rio de Janeiro gegolten. Seinen Wahlsieg hatte Bolsonaro mit diesen Kirchen zu verdanken. Unter Katholiken, mit 60 Prozent der Bevölkerung die Mehrheit in Brasilien, lag sein linker Widersacher Fernando Haddad gleichauf. Die Pfingstkirchen repräsentieren nur 30 Prozent, sind aber politisch aktiver. Ihre Anhänger trommelten leidenschaftlich gegen die "korrupte Linke" - und für den "Messias". Der Katholik Bolsonaro hatte sich 2016 von einem evangelikalen Pastor im Jordan taufen lassen und kämpft u.a. gegen den "Kulturmarxismus" mit seinen "linken, antichristlichen Ideen" wie Minderheitenrechte, Gender-Politik und Sexualaufklärung an Schulen.

Das Ministerium für Frauen, Familie und Menschenrechte übernahm jetzt die evangelikale Pastorin Damares Alves. Bekannt wurde sie durch das Video eines evangelikalen Gottesdienstes. Unter Tränen berichtet sie, wie ihr Jesus in einem Guavenbaum erschienen sei. Alves hat auch die Oberaufsicht über die staatliche Indigenenbehörde Funai inne. Zuletzt hatte sie den Indigenen vorgeworfen, in großem Maße ungewollte Kinder auszusetzen. Da ihr Chef Bolsonaro bereits angekündigt hat, den Schutzstatus der Ureinwohner aufzuweichen und sie "in die Zivilisation zu holen", sind Indigenen-Vertretern alarmiert.


Berner Zeitung, 2.1.2019
Bolsonaro lässt harten Worten erste Taten folgen
Die «Muse des Gifts» ist in Brasilien neu für die Schutzgebiete der Indigenen zuständig. Kritiker sind alarmiert.