Montag, 25. Mai 2020

Bischof Erwin Kräutler erhebt schwere Vorwürfe gegen Bolsonaro

VaticanNews, 25.5.2020
Amazonas-Bischof Kräutler: Schwere Vorwürfe gegen Bolsonaro
Amazonas-Bischof Erwin Kräutler wirft Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro „menschenverachtendes Handeln“ im Umgang mit dem Coronavirus vor. Bolsonaro nehme den Tod zehntausender Menschen in Kauf, sagte Kräutler in einem Interview im ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ (Sonntag) über den Präsidenten, der von den brasilianischen Bundesstaaten verhängte Corona-Vorsichtsmaßnahmen in seinen öffentlichen Auftritten konterkariert.

Der Präsident verweise selbst darauf, dass es im Land 70.000 Corona-Tote geben werde, dies aber einfach so sei, schilderte der emeritierte Bischof von Xingu. „Der sagt das wirklich brutal. Das ist wie ein Stich ins Herz, weil das ja Menschen sind.“ Kräutler drückte zugleich die Hoffnung aus, „dass dieser Präsident bald einmal fällt“.

Der Bischof warnte vor einer Katastrophe in Amazonien. Tag für Tag würden sich mehr Menschen anstecken. Die Krankenhäuser seien total überfordert. Dies gelte für mehrere Großstädte, aber auch für seine frühere Bischofsstadt Altamira, wo Kräutler nach wie vor lebt. In der 140.000-Einwohner-Stadt gebe es nicht mehr als 16 Intensivbetten.

Indigene stecken sich leichter an

Besonders betroffen sei auch die abgeschieden lebende indigene Bevölkerung Amazoniens. „Diese indigenen Völker haben nicht diese Immunität, die der anderen Bevölkerung zugeschrieben wird. Und wenn eine Ansteckung in einem Dorf beginnt oder ein Indigener angesteckt wird, dann heißt das, das ganze Dorf ist verseucht“, sagte Kräutler.

Der emeritierte Bischof machte auch auf einen Zusammenhang von Umweltzerstörung und Corona-Pandemie aufmerksam. Immer mehr Holzfäller und Goldgräber würden in das Gebiet vordringen, „oft ermuntert“ durch Aussagen von Präsident Bolsonaro. „Die geben dann das Virus weiter“, kritisierte Kräutler. Allein in den Indio-Dörfern gebe es bisher 92 Todesfälle. Eingeschleppt hätten das Virus Menschen, „die über Leichen gehen“, so der Bischof. „Denen ist das vollkommen egal. Sie wollen ans Gold, sie wollen ans Holz, an die Naturreichtümer - ohne Rücksicht auf Verluste.“

Leute werden allein gelassen

Sehr schwierig beurteilte Kräutler auch die pastorale Situation in der Coronakrise, insbesondere bei Trauerfällen. Das Virus verhindere zunehmend Abschiedsrituale und mache auch die pastorale Begleitung von Hinterbliebenen kaum möglich. „Das Einzige, was wir noch tun können, ist mit den Betroffenen via Social Media in Kontakt zu treten... Mir tut das furchtbar leid, weil die Leute alleine gelassen sind.“

In ganz Brasilien sind nach jüngsten Angaben der Behörden (Sonntagabend/Ortszeit) bereits mehr als 360.000 Menschen mit dem Virus infiziert. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Coronaviren stieg zuletzt stark an und liegt nach offiziellen Angaben mittlerweile bei mehr als 22.000.


VOL.at, 26.5.2020
Kräutler über Bolsonaro: "Menschenverachtend"
Der emeritierte Amazonas-Bischof Erwin Kräutler wirft Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro "menschenverachtendes Handeln" im Umgang mit dem Coronavirus vor


Kathpress, 27.5.2020
Befreiungstheologe prangert Indigenenpolitik Bolsonaros an
Der deutsche Theologe Paulo Suess zeigt sich besorgt über Äußerungen von Ministern der Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro über die Umweltpolitik und die Rechte indigener Völker. In dem am Freitag von der Justiz veröffentlichten Mitschnitt einer Kabinettssitzung vom 22. April hatte Umweltminister Ricardo Salles angeregt, die Umweltgesetzgebung im Schutz der Covid-19-Pandemie zu schleifen. In dem Mitschnitt sagt der Minister, man müsse ausnutzen, dass die Presse derzeit wegen des Coronavirus abgelenkt sei. "Das ist ganz am Rande der Legalität. Und es betrifft ja auch Indigenenland", so Suess, der seit den Sechzigerjahren in Brasilien lebt, im Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Suess, Berater für den kirchlichen Indigenenmissionsrat (Cimi), verfasst derzeit für die Organisation den Jahresbericht 2019 zur Gewalt gegen indigene Völker und Übergriffe auf ihr Land. Demnach gab es in dem Jahr insgesamt 202 Besetzungen von Indigenenland, angefacht von Bestrebungen der Regierung, die illegale Landbesetzung zu legalisieren.

Suess kommentierte auch Äußerungen von Bildungsminister Abraham Weintraub, der erklärt hatte, er hasse den Begriff "indigene Völker", der Privilegien für die Ureinwohner rechtfertige. Stattdessen gebe es nur ein brasilianisches Volk, so Weintraub. "Das ist die Ideologie der Militärdiktatur, die die Indigenen in Brasilianer verwandeln wollte", sagte Suess. Die Diktatur (1964-85) habe jedoch damit die Indigenen in den Ethnozid geführt. Weintraub akzeptiere nicht, dass die Rechte der Indigenen auf Land und Kultur in der Verfassung von 1988 verankert wurden.

Suess kritisierte zudem Äußerungen der Ministerin für Menschenrechte, Damares Alves. Sie sprach von absichtlichen Infektionen von Indigenen mit Covid-19, um die Zunahme der Fälle der Regierung anzukreiden. In Wahrheit hätten sich Indigene aus über 60 Ethnien in den Städten der Amazonasregion angesteckt. Dort hätten sie tagelang auf die staatlichen Corona-Hilfen von rund 100 Euro gewartet, so Suess. In den Schlangen vor den Banken sei es zu den Infektionen gekommen.

Zuletzt hatte auch der österreichische Amazonas-Bischof Erwin Kräutler Bolsonaro "menschenverachtendes Handeln" im Umgang mit dem Coronavirus vorgeworfen. Bolsonaro nehme den Tod zehntausender Menschen in Kauf, sagte Kräutler in einem Interview im ORF-Religionsmagazin "Orientierung" über den Präsidenten, der von den brasilianischen Bundesstaaten verhängte Corona-Vorsichtsmaßnahmen in seinen öffentlichen Auftritten konterkariert. Der emeritierte Bischof von Xingu warnte vor einer Katastrophe in Amazonien: Tag für Tag würden sich mehr Menschen anstecken und die Krankenhäuser seien überfordert.