Dienstag, 14. Januar 2014

Andritz veröffentlicht Gewinnwarnung für Südamerika

ORF, 13.1.2014
Südamerika-Auftrag zwingt Andritz zu Gewinnwarnung

Der börsennotierte steirische Anlagenbauer Andritz muss wegen seiner Lieferungen für ein Zellstoffwerk in Südamerika eine Gewinnwarnung veröffentlichen. Es seien weitere finanzielle Vorsorgen im „mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich notwendig“, teilte Andritz heute mit. Diese werden das vierte Quartal und das Gesamtjahr 2013 „deutlich negativ beeinflussen“.

Das Betriebsergebnis werde 2013 voraussichtlich rund 200 Mio. Euro betragen,. Nach Abzug der Rückstellungen für den übernommenen Schuler-Konzern seien es gar nur noch 160 Mio. Euro. Zum Vergleich: 2012 standen hier 357,8 Mio. Euro. Die Nachricht schickte die Aktie auf Talfahrt. Sie liegt aktuell sechs Prozent im Minus.
Kostenexplosion in Uruguay

Auslöser der Gewinnwarnung ist ein Zellstoffwerk in Uruguay, das die Österreicher derzeit errichten. Schon im ersten Quartal 2013 war der Andritz-Gewinn wegen des Werks um 92 Prozent zusammengeschmolzen. So wie heute musste der Vorstand um Konzernchef Wolfgang Leitner auch damals Rückstellungen im mittleren zweistelligen Euro-Millionenbereich bilden.

Grund für die erneuten Vorsorgen in Millionenhöhe sind laut Andritz zusätzliche Projektkostenüberschreitungen, die zum einen aus Streiks auf der Baustelle und zum anderen aus Mehraufwendungen für Errichtung und Montage resultieren. „Weitere finanzielle Vorsorgen sind aus heutiger Sicht nicht erkennbar, können aber nicht ausgeschlossen werden“, erklärte der Anlagenbauer. Die Anlage soll „noch im ersten Quartal 2014“ in Betrieb genommen werden.

Der Standard, 13. Jänner 2014
Südamerika-Auftrag bringt Andritz unter Druck
Streiks und Mehrkosten verursachten bei Südamerika-Auftrag erneut hohe Rückstellungen
Wien - Der steirische Maschinenbauer Andritz bekommt die Probleme beim Bau eines Zellstoffwerks in Südamerika nicht in den Griff: Im vierten Quartal habe der Konzern wegen Streiks auf der Baustelle und zusätzlicher Montagekosten weitere Rückstellungen im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich bilden müssen, teilte die Firma am Montag mit. Diese schmälerten auch den operativen Gewinn (Ebita) im vergangenen Jahr, der vorläufigen Zahlen zufolge um mehr als die Hälfte auf 160 Millionen Euro einbrach. An der Börse rutschte die Andritz-Aktie daraufhin bis zu neun Prozent auf 42,5 Euro ab.

Die Presse, 13.1.2014
Andritz verdient deutlich weniger
Anhaltende Probleme bei einem Zellstoffwerk in Südamerika zwingen den steirischen Anlagenbauer Andritz erneut zu Rückstellungen. Der operative Gewinn dürfte sich halbieren.
Der steirische Anlagenbauer Andritz bekommt seine Probleme beim Bau eines Zellstoffwerks in Südamerika nicht in den Griff. Aus diesem Grund sah sich das Unternehmen am gestrigen Montag zu einer Gewinnwarnung veranlasst. Im vierten Quartal musste Andritz – wegen Streiks auf der Baustelle und zusätzlicher Montagekosten – weitere Rückstellungen bilden. Und zwar im mittleren zweistelligen Millionenbereich, wie das Unternehmen mitteilte.
Das wird auch einen Einfluss auf den operativen Gewinn (Ebitda) des Geschäftsjahres 2013 haben. Vorläufigen Zahlen zufolge dürfte dieser um mehr als die Hälfte auf 160 Mio. Euro eingebrochen sein. 2012 lag das Ebitda noch bei rund 357 Mio. Euro. Andritz errichtet in Uruguay ein Zellstoffwerk und musste bereits im ersten und dritten Quartal Rücklagen bilden. Mit diesen Nachrichten schockierte das Unternehmen die Börse bereits im Mai 2013. Damals sackten die Aktien um 24 Prozent ab.

Aktualisierung:

Schwäbische, 04.05.2014
Der Stolz der österreichischen Industrie
Die Andritz AG gilt in Wien als Vorzeigeunternehmen – Mutterkonzern des schwäbischen Pressenherstellers Schuler ist zugleich das Feindbild von Umweltschützern

Der Maschinen- und Anlagenbauer Andritz AG mit Sitz in der steirischen Landeshauptstadt Graz zählt zu den wenigen global aktiven Konzernen Österreichs und hat einen rasanten Aufstieg hinter sich. Innerhalb von zehn Jahren wurde der Umsatz fast vervierfacht, von 1,5 Milliarden Euro (2004) auf 5,7 im letzten Jahr. Die Zahl der Beschäftigten stieg innerhalb der letzten vier Jahre von 14.000 auf aktuell knapp 24.000. Die seit 2001 an der Wiener Börse notierte Andritz-Gruppe mit 220 Produktionsstätten im In- und Ausland ist in allen der vier betriebenen Sparten Weltmarktführer: bei Ausrüstung und Service für Wasserkraftwerke, der Zellstoff- und Papiererzeugung sowie der Metallverarbeitung und Herstellung von Futtermittel und Biotreibstoff.

Das Unternehmen mit langer Tradition – 1852 als kleine Eisengießerei von einem ungarischen Zuwanderer im damals noch Grazer Vorort Andritz gegründet – wird seit 1994 von Wolfgang Leitner geführt. Der 61-jährige Grazer sei eine seltene Art von Manager, „der Visionen hat, aber auch vorsichtig ist und sich nicht blenden lässt“, schreibt das renommierte Wiener Wirtschaftsmagazin „Trend“, das ihn 2006 zum „Mann des Jahres“ kürte. Der medienscheue Konzernchef, der aus einer Arbeiterfamilie stammt – sein Vater hat als Schlosser 30 Jahre lang in der Firma gearbeitet –, gilt als einer der reichsten Männer des Landes. Sein Vermögen wird auf 1,3 Milliarden Euro geschätzt.

Als Genie gefeiert

In Wirtschaftskreisen wird Leitner als strategisches Genie hochgejubelt. Die Übernahme des schwäbischen Pressenherstellers Schuler 2013 ist sein bislang größter Coup: Damit hat sich die Andritz AG den stärksten Partner in Deutschland und zugleich globalen Marktführer in der Metallumformtechnik geangelt. Schuler hat seinen Hauptsitz in Göppingen und einen bedeutenden Standort in Weingarten (Kreis Ravensburg). Seinen unternehmerischen Spürsinn hat Leitner schon zuvor bei Zukäufen immer wieder bewiesen. Der spektakulärste Einkauf vor Schuler war 2006 die Übernahme der auf Wasserkrafttechnik spezialisierten österreichischen VA Tech Hydro AG mit damals 3000 Mitarbeitern und 900 Millionen Euro Jahresumsatz. Sein Meisterstück lieferte Leitner, der Chemie studierte, vor 20 Jahren: Einzig dem damaligen Finanzvorstand hatte man zugetraut, die in einer existenziellen Krise steckende Maschinenfabrik zu retten. Innerhalb weniger Jahre stieg die Andritz AG von einem Provinzbetrieb zu einem weltweit führenden Anbieter auf.

Nach einer langen Aufstiegsphase kam im Vorjahr ein Rückschlag, hauptsächlich wegen Bauverzögerungen eines Zellstoffwerks in Südamerika. Das Betriebsergebnis brach um 73 Prozent gegenüber 2012 auf knapp 90 Millionen Euro ein. Dass der Umsatz dennoch nicht einbrach, lag an der Übernahme von Schuler; andernfalls hätte Andritz laut eigenen Angaben einen Rückgang von 14 Prozent verschmerzen müssen. Der Ausblick sei aber, ließ das Management verbreiten, dank voller Auftragsbücher wieder positiv.

Für Umweltschützer ist der Grazer Vorzeigekonzern allerdings ein großes Feindbild. Die Andritz AG beteilige sich nicht nur an Projekten mit gravierenden sozialen und ökologischen Verwerfungen, das Unternehmen sei vielfach auch „die treibende Kraft bei Finanzierung und Umsetzung“, kritisieren die Österreich-Vertreter von ECA Watch, Gobal 2000 und Greenpeace in einer gemeinsamen Protestnote. Vor allem zwei Riesenprojekte bescheren dem Grazer Konzern weltweit negative Schlagzeilen. So sind beim Bau des Mega-Staudammes Belo Monte im brasilianischen Urwald, bei dem Andritz einen Großauftrag von über 300 Millionen Euro an Land zog, 40.000 Indios von Zwangsumsiedlung bedroht. Die seit Jahren dauernde Protestwelle gegen das Zehn-Milliarden-Euro-Projekt wird von einem Landsmann von Leitner angeführt, dem aus Vorarlberg stammenden „Amazonas-Bischof“ Erwin Kräutler. Der Konzernchef verwies in einer Stellungnahme kühl auf die Verantwortung des brasilianischen Staates als Auftraggeber und dessen „detaillierte Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien“.

Gigantische Bauprojekte

Nicht weniger umstritten ist der monströse Ilisu-Staudamm am Oberlauf des Tigris in Südostanatolien, der in diesem Jahr fertiggestellt werden soll. Auch bei diesem Projekt liefert Andritz für 340 Millionen Euro die Kraftwerkstechnik. Rund 100.000 Bewohner müssen für den Staudamm umgesiedelt werden, weil man deren 200 Ortschaften fluten will. Auch das kulturhistorisch bedeutsame Seldschukenstädtchen Hasankeyf wird im Stausee versinken. Leitners lakonische Reaktion in einer Grazer Zeitung auf die Proteste: „Wenn wir als Lieferanten ausfallen, springen die Chinesen ein.“ Als Geste des guten Willens finanziert Andritz in der Region die Ausbildung von 36 Lehrlingen.