Pro-Regenwald, 23.1.2014
Organisationsbündnis protestiert bei Aktionärsversammlung gegen Beteiligung von Siemens am brasilianischen Belo Monte-Staudamm
"Die Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen müssen ein Ende haben. Wenn Siemens dies nicht herbeiführen kann, muss der Konzern aus dem Projekt aussteigen“, so Heike Drillisch von GegenStrömung. „Auch ein Unternehmen wie Siemens muss sich an die internationalen Umweltund Menschenrechtsstandards halten. Dafür müssen Strukturen im Konzern etabliert werden, die eine Beteiligung an zerstörerischen Projekten wie Belo Monte in Zukunft ausschließen“, fordert Drillisch.
Mit der Lieferung von Turbinen, Generatoren und Transformatoren ist Siemens, über sein Joint Venture Voith Hydro, für die Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks mitverantwortlich und somit auch für die damit einhergehende Missachtung grundlegender internationaler Menschen- und Arbeitsrechte sowie nationaler Gesetzgebung: Das Staudamm-Projekt verstößt gegen UNLeitprinzipien und Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Darüber hinaus werden die Empfehlungen der Weltstaudammkommission außer Acht gelassen. „Siemens missachtet selbst die eigenen Corporate-Governance-Richtlinien. Im Zusammenhang mit dem Staudamm-Projekt kann weder von einer verantwortungsbewussten, wertebasierten Führung noch von einem angemessenen Umgang mit Risiken die Rede sein“, so Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.
„Belo Monte ist der Todesstoß ins Herz der indigenen Völker am Xingu. Auch wenn europäische Firmen mit diesem Wahnsinnsprojekt astronomische Gewinne machen, ist dadurch Belo Monte noch lange nicht ethisch vertretbar. Jede Firma, die sich an Belo Monte beteiligt, zeichnet mitverantwortlich für diese Menschenrechts- und Umweltkatastrophe“, empört sich Erwin Kräutler, katholischer Bischof am Xingu, dessen Beitrag von einer Vertreterin des Bündnisses vorgestellt wurde.
„Der Versuch des Siemens Konzerns, sich als Vorreiter im Bereich sauberer Energie zu profilieren, wirkt durch die Beteiligung an Belo Monte grotesk“, kommentiert Martin Glöckle von Pro REGENWALD. Durch die Flutung der Staubecken würden 400 km² Regenwald vernichtet, dabei einzigartige Schutzgebiete zerstört und gleichzeitig klimaschädliche Treibhausgase in großem Ausmaß freigesetzt. Das Amazonasgebiet ist eines der sensibelsten Ökosysteme der Erde und wirkt stabilisierend auf das globale Klima. „Eine Zerstörung ist nicht umkehrbar und zeigt die Missachtung der Rechte künftiger Generationen durch den Siemens-Vorstand“, so Glöckle.
Süddeutsche, 23.1.2014
Siemens-Zahlen und Hauptversammlung
Einiges schiefgelaufen
Aktionäre zweifeln am Aufsichtsratschef, Aktivisten demonstrieren gegen einen Staudamm mit Siemens-Beteiligung und dann sind da noch die hohen Kosten für den Umbau: Auf der Hauptversammlung des Münchner Elektronikkonzerns spürt die Spitze "keinen Rückenwind". Immerhin gibt es Brezen.
Wasserkraft in Brasilien interessiert die meisten Besucher eher wenig. Sie beachten die Aktivisten nicht, die vor der Münchner Olympiahalle Banner hochhalten und Flugblätter verteilen. Lieber schnell rein ins Warme, in die Halle, wo nach der obligatorischen Sicherheitskontrolle Kaffee, Brezen und Würstchen warten sowie ein Tag voller Reden, voller Fragen und Antworten. 8100 Aktionäre kamen zur Siemens-Hauptversammlung, auf der an diesem Mittwoch Vorstand und Aufsichtsrat ihre Leistung im vergangenen Jahr verteidigten und einen Ausblick auf das laufende Jahr gaben. Ein umstrittener Staudamm im Amazonasgebiet, für dessen Wasserkraftwerk Siemens - sehr zum Unwillen der Protestler - Turbinen und Transformatoren liefert, ist den meisten Anteilseignern da egal. Insgesamt waren 34,67 Prozent des stimmberechtigen Kapitals vertreten. 80.000 Aktionäre stimmten aus der Ferne per Brief oder über einen Bevollmächtigten mit ab.
Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und Vorstandsvorsitzender Peter Löscher räumten in ihren Reden ein, dass im vorigen Jahr einiges schiefgelaufen ist, verwiesen aber darauf, dass am Ende trotzdem ein hoher Gewinn und mehr Umsatz standen. "2012 war ein gutes, aber kein komplett zufriedenstellendes Jahr für uns", sagte Löscher. Nicht zufriedenstellend war etwa, dass Siemens der Deutschen Bahn die versprochenen ICE-Züge nicht liefern und Windparks in der Nordsee nicht rechtzeitig ans Stromnetz anschließen konnte. Diese Probleme belasteten das Unternehmen auch im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres, in den Monaten Oktober bis Dezember. Vor der Hauptversammlung legte der Konzern die Zahlen für dieses Jahresviertel vor Der Umsatz stieg leicht auf 18,1 Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zwölf Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Der Wert neuer Aufträge fiel um drei Prozent, eine Folge des weltweiten Konjunkturabschwungs, heißt es. Trotzdem übertraf der Münchner Dax-Konzern die Erwartungen der Analysten sogar ein wenig.
Der Rückgang beim Gewinn lag auch an Sonderbelastungen, die sich auf 212 Millionen Euro summierten. Mehr als die Hälfte davon, 116 Millionen Euro, verursachten die Verspätungen bei der ICE-Lieferung, die Probleme bei den Windparks schlugen mit Lasten von 28 Millionen Euro zu Buche. Finanzvorstand Joe Kaeser sagte, auch in den kommenden Monaten werde es immer wieder kleinere Belastungen wegen der Offshore-Anbindung geben. 50 Millionen Euro kostete das im November verkündete Sparprogramm. Vorstandschef Löscher will die Kosten bis 2014 um sechs Milliarden Euro senken - dafür verlagert das Unternehmen unter anderem die Fertigung an günstigere Standorte, kappt Stellen und verkauft Geschäftsbereiche. Dieser Umbau soll im gesamten Geschäftsjahr, das im September endet, Belastungen von einer Milliarde Euro zur Folge haben - der Großteil der Anstrengungen kommt also erst noch.