Sonntag, 16. Juni 2019
War Lulas Verurteilung manipuliert?
Blickpunkt Lateinamerika, 12.06.2019
Mitschnitte legen Manipulation bei Lula-Urteil nahe
Bei der Verurteilung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010) Mitte 2017 könnte es zu illegalen Manipulationen der Justiz gekommen sein. Dies legen am Montag, 10. Juni 2019 (Ortszeit), veröffentlichte Mitschnitte von Gesprächen zwischen Lulas Richter und den Ermittlern der Anti-Korruptionseinheit "Operation Waschstraße" nahe.
Hinter den Enthüllungen steckt der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald, der bereits 2013 die Spionageaffäre um Edward Snowden ins Rollen brachte. Die Mitschnitte waren offensichtlich bei Hackerangriffen auf die Handys der Ermittler und den ehemaligen Bundesrichter Sergio Moro entwendet worden. Die Gespräche sollen über den Messenger-Dienst Telegram stattgefunden haben. Moro und die Ermittler verurteilten die Attacken als Angriff auf die Justiz und ihre Privatsphäre.
Einflussnahme auf die Wahlen?
Lula war 2017 von Moro wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt worden. Seit April 2018 sitzt er in Haft, nachdem die Berufungsinstanz das Urteil im Januar 2018 bestätigte. Die nun veröffentlichten Mitschnitte zeigen, dass Moro im Fall Lula illegale Anweisungen an die Ermittler erteilte. Zudem sprach man sich über die Vorgehensweise bei den Ermittlungen ab. Ermittler äußerten gegenüber Moro Zweifel an den Beweisen gegen Lula. Besonders heikel sind Mitschnitte, die eine Einflussnahme auf die Wahlen im Oktober 2018 suggerieren. Aufgrund seiner Verurteilung durfte Lula, der in sämtlichen Umfragen führte, nicht antreten. Zudem blockierte die Justiz Interviews mit Lula aus der Haft heraus. Moro selbst veröffentlichte wenige Tage vor dem ersten Wahlgang Ausschnitte aus einer eigentlich geheimen Kronzeugenaussage, die Lula und seine Partei PT belasteten.
Bundesrichter Moro war nach den Wahlen vom neugewählten Präsidenten Jair Messias Bolsonaro zum Justizminister ernannt worden. Umstritten ist bisher, ob es bereits vor den Wahlen eine Absprache mit dem rechtskonservativen Ex-Militär gab. Der Journalist Greenwald kündigte derweil weitere Veröffentlichungen an. Bolsonaro sprach Moro sein vollstes Vertrauen aus.
Oberstes Gericht könnte erneut über Freilassung Lulas entscheiden
Ex-Präsident Lula und seine Partei PT fühlen sich durch die Mitschnitte bestätigt. Sie hatten Moro und den Ermittlern stets Parteilichkeit vorgeworfen. Lula selbst sprach immer wieder von einem Komplott der Justiz. Das Oberste Gericht Brasiliens dürfte in den nächsten Tagen über eine mögliche Freilassung Lulas entscheiden. Lulas Verteidigung hatte den Antrag bereits Ende 2018 gestellt. Sie argumentiert, dass Moros Ernennung zum Justizminister durch Wahlsieger Bolsonaro seine Parteilichkeit beweise.
ORF.at, 15.6.2019
Brisante Enthüllungen
Bolsonaro igelt sich ein
In Brasilien ist die Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsanoro schwer unter Druck geraten. Die Investigativplattform The Intercept veröffentlicht seit Sonntag Dokumente, die bei Ermittlungen gegen den früheren Staatschef Luis Inacio Lula da Silva eine Verschwörung der Staatsanwälte und des Richters Sergio Moro nahelegen. Bolsonaro stärkte Moro, mittlerweile Justizminister, demonstrativ den Rücken, entließ aber eine der moderaten Personen aus seinem Kabinett.
ORF.at, 19.6.2019
Brasilien: Absprachen für Justizminister „nicht ungewöhnlich“
Nach der Veröffentlichung mutmaßlich kompromittierender Textnachrichten hat sich der brasilianische Justizminister Sergio Moro verteidigt. Er soll sich während seiner Zeit als Richter laut Medienberichten im Verfahren gegen den brasilianischen Ex-Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva eng mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt haben.
„In der brasilianischen Rechtstradition ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Richter mit einem Anwalt oder einem Staatsanwalt spricht. Das kommt ständig vor“, sagte Moro laut einem Bericht des Nachrichtenportals G1 heute in einer Anhörung im Senat. Zudem seien die Nachrichten illegal beschafft worden.
Die Onlineplattform The Intercept hatte zuletzt Textnachrichten zwischen dem Richter Moro und dem Staatsanwalt Deltan Dallagnol veröffentlicht. Daraus soll hervorgehen, dass Moro die Ermittler im Verfahren gegen Lula regelwidrig angeleitet hatte.
Anwälte fordern Freilassung Lulas
Wegen Korruption verurteilte der Richter den früheren Staatschef (2003–2010) später zu einer langjährigen Freiheitsstrafe. Aufgrund seiner Verurteilung konnte Lula nicht an der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr teilnehmen. Moro hingegen wurde vom Wahlsieger Jair Bolsonaro zum Justizminister gemacht.
Lulas Anwälte forderten nach der Veröffentlichung der Nachrichten die Freilassung des Ex-Präsidenten aus der Haft. Die Gespräche zwischen Moro und den Ermittlern beweisen ihrer Meinung nach, dass der Richter während des Verfahrens nicht unabhängig war. In der kommenden Woche soll sich der Oberste Gerichtshof mit dem Antrag befassen.