Dienstag, 2. Juni 2020

Bischof Kräutler erneuert scharfe Kritik an Bolsonaro

Kathpress, 1.6.2020
Kräutler: "Allüren und Manien Bolsonaros erinnern an Diktatoren"
Der austra-brasilianische emeritierte Bischof Erwin Kräutler hat seine scharfe Kritik am brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro erneuert: Bolsonaro nehme in der aktuellen Corona-Krise, die Brasilien besonders hart treffe, durch sein fahrlässiges "menschenverachtendes Verhalten (...) Zehntausende Tote in Kauf", sagte Kräutler am Wochenende im "Kurier"-Interview (31. Mai). Seit Monaten warnen die brasilianischen Bischöfe davor, dass Brasilien sich zu einer Diktatur verwandle. Diese Gefahr sei real, so Kräutler: Als Präsident strebe Bolsonaro nach einer Alleinherrschaft, wähne sich über der Verfassung und trete die Gewaltenteilung mit Füßen: "Die Allüren und Manien Bolsonaros erinnern tatsächlich an Diktatoren noch nicht lange vergangener Zeiten."

Im Gegensatz zur brasilianischen Oberschicht, deren Vertreter Bolsonaro sei, treffe die aktuelle Corona-Krise gerade die Ärmsten der Armen, führte der frühere Bischof weiter aus, der seit zwei Monaten "als 'Eremit' im Bistumshaus in Altamira" lebt, wie er berichtet. Besonders gefährdet seien die Indigenen, für die die Pandemie "zu einem Genozid" werden könne, befürchtet Kräutler: "Alle Indigenen sind in großer Gefahr. Denn Tatsache ist, dass ihr Immunsystem für eingeschleppte Krankheiten besonders anfällig ist. Schon im 16. und 17. Jahrhundert und noch herauf bis ins 20. Jahrhundert starben ganze Völker an Masern, Pocken und anderen Epidemien."

Er versuche u.a. durch Videobotschaften den Menschen Mut zuzusprechen und sie dazu zu bewegen, zuhause zu bleiben. Da die Gesundheitsversorgung gerade in den kleinen Dörfern teils sehr schlecht sei, gebe es kaum ein anderes Mittel gegen die Pandemie, als soziale Distanz zu suchen. "Es geht hier tatsächlich um Leben und Tod."

In Brasilien sind nach jüngsten Angaben bereits rund 30.000 Menschen im Zusammenhang mit Corona gestorben. Im globalen Vergleich liegt Brasilien mit fast einer halben Million Infizierten nach den USA an zweiter Stelle.



Domradio, 02.06.2020
Amazonas-Bischof Kräutler kritisiert Bolsonaro
Wie ein Diktator
Bischof Erwin Kräutler hat den Kurs des brasilianischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro in der Corona-Krise erneut scharf kritisiert. Die Krise treffe besonders die Ärmsten, für die sich Bolsonaro nicht einsetze, so der Amazonas-Bischof.


KURIER, 3.6.2020
Corona: Mehr als 1.200 Tote in Brasilien innerhalb 24 Stunden
Es handelt sich hierbei um die höchste Todeszahl innerhalb eines Tages, teilte das Gesundheitsministerium mit.

ORF, 4.6.2020
1.349 Tote in Brasilien in 24 Stunden
In Brasilien gibt es weiterhin keine Anzeichen für eine Verlangsamung der Coronavirus-Verbreitung. Innerhalb von 24 Stunden starben laut Gesundheitsministerium 1.349 Menschen mit oder an einer Covid-19-Erkrankung. Es ist der nächste traurige Rekord nach 1.262 Toten im gleichen Zeitraum davor.
28.633 Neuinfektionen wurden in Brasilien gemeldet, es sind nun insgesamt 584.016 bestätigte Fälle und 32.548 Verstorbene.


Kathpress, 6.6.2020
Theologe Boff nennt Präsident Bolsonaro "Völkermörder"
81-jähriger Befreiungstheologe über Brasiliens Regierungschef: "Derart viele Verbrechen gegen seine Pflichten" sollten zum Rücktritt zwingen
Rio de Janeiro, 06.06.2020 (KAP/KNA) Der brasilianische Theologe Leonardo Boff (81) hat Präsident Jair Messias Bolsonaro angesichts der rasch steigenden Corona-Opferzahlen als "Völkermörder" bezeichnet und zu seinem Sturz aufgerufen. Auf seinem Twitter-Account zog Boff am Freitag zudem eine Parallele zu Adolf Hitler. Brasilien verzeichnete am Donnerstag 1.473 neue Corona-Tote und übernahm mit mehr als 34.000 Toten von Italien den dritten Platz in der weltweiten Corona-Opferstatistik.

"Wir haben derart viele Verbrechen gegen seine Pflichten gesehen, so viele Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht gegenüber dem Leben, dass der Präsident zum Rücktritt gezwungen werden sollte", schrieb Boff. "Er ist ein Völkermörder, dem das menschliche Leid egal ist. Brasilien hat diese Strafe nicht verdient. Und was machen die verantwortlichen Autoritäten? Sie müssen agieren!"

Bolsonaro hatte die Corona-Pandemie stets als "kleine Grippe" verharmlost. Angesichts der hohen Opferzahlen äußerte er sich schulterzuckend. "Mein zweiter Name ist zwar Messias, aber Wunder kann ich auch nicht vollbringen." In dieser Woche sagte er: "Es tut mir leid um alle Toten, aber das ist nun einmal unser aller Schicksal."

Gleichzeitig fordert Bolsonaro ein Ende der von den Bürgermeistern und Gouverneuren angeordneten Einschränkungen. Allerdings hatte ihm der Oberste Gerichtshof untersagt, die Maßnahmen auszuhebeln.

PR statt Sozialprogramme

Boff kritisierte am Freitag in einem zweiten Tweet zudem ein präsidentielles Dekret von Donnerstag, dass umgerechnet rund 15 Millionen Euro aus dem Sozialprogramm "Bolsa Familia" abzieht und für PR-Kampagnen der Regierung bereitstellt. Nur eine grausame und lieblose Person wie der Präsident könne das Brot aus dem Mund der Kinder nehmen, um damit seine Eitelkeit zu finanzieren, so Boff. "Jeder Tyrann, so sagen es die Psychoanalytiker, ist egozentrisch und eitel, so wie es Hitler war."

Die Regierung hatte die Umschichtung der Beträge gerechtfertigt. Da derzeit an Dutzende Millionen Brasilianer, darunter Millionen Empfänger von "Bolsa Familia", die höheren Corona-Hilfsgelder gezahlt würden, seien Gelder auf den "Bolsa Familia"-Konten der Regierung übrig geblieben. Diese würden nun für andere Aufgaben bereitgestellt. Ein Schaden sei den Empfängern nicht entstanden.

Boff ist einer der renommiertesten Befreiungstheologen. Er trat 1959 in den Franziskanerorden ein und promovierte 1970 in Philosophie und Theologie. 1984 sanktionierte ihn die römische Glaubenskongregation für seine Verbindung zwischen Befreiungstheologie und Marxismus. 1992 verließ Boff das Priestertum. Seitdem ist sein Denken und Engagement stark auf ökologische Themen gerichtet.

Zu seinem 80. Geburtstag am 14. Dezember 2018 schickte ihm Papst Franziskus ein Glückwunschschreiben, in dem er ihn als "Bruder" bezeichnete. Dies wurde teilweise als späte römische Anerkennung für Boff gewertet.

Auch der austro-brasilianische emeritierte Bischof Erwin Kräutler hatte Bolsonare mehrmals scharfe kritisiert. Der brasilianische Präsident nehme in der aktuellen Corona-Krise, die Brasilien besonders hart treffe, durch sein fahrlässiges "menschenverachtendes Verhalten (...) Zehntausende Tote in Kauf", sagte Kräutler zuletzt im "Kurier"-Interview (31. Mai). Seit Monaten warnen auch die brasilianischen Bischöfe davor, dass Brasilien sich in eine Diktatur verwandle.