Deutsche Fassung von © AMK 2020 basierend auf „Carta ao Povo de Deus" von O Globo
Wir sind 152 Bischöfe der katholischen Kirche aus unterschiedlichen Regionen Brasiliens, in Gemeinschaft mit Papst Franziskus und seinem Lehramt und in Gemeinschaft mit der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens (CNNB), die sich im Dienste des Evangeliums für die Verteidigung der Erniedrigten, für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Getragen vom Evangelium und der katholischen Soziallehre schreiben wir in diesen schweren Tagen den Brief an das Volk Gottes, um allen Halt und Trost zur Überwindung von Leid und Ungewissheit zu geben.
Evangelisieren ist die ureigene Mission, die Jesus seiner Kirche hinterlassen hat. „Evangelisieren bedeutet, das Reich Gottes in der Welt gegenwärtig machen.“ (EG 176) Für uns ist das Angebot des Evangeliums mehr als die persönliche Beziehung zu Gott.
Unsere Antwort der Liebe dürfte auch nicht als eine bloße Summe kleiner persönlicher Gesten gegenüber irgendeinem Notleidenden verstanden werden; (…) eine Reihe von Taten, die nur darauf ausgerichtet sind, das eigene Gewissen zu beruhigen. Das Angebot ist das Reich Gottes“ (Lk 4,43 und Mt 6,33) (EG 180). Daraus entspringt das Verständnis vom Reich Gottes als Geschenk, als Verpflichtung und Ziel.
Auf diesem Hintergrund nehmen wir zur gegenwärtigen Realität in Brasilien Stellung. Wir verfolgen weder parteipolitische, wirtschaftliche, ideologische noch andere Interessen. Unser einziges Streben gilt dem Reich Gottes im Hier und Heute der Geschichte, wenn wir eine gerechte, geschwisterliche und solidarische Gesellschaft als Zivilisation der Liebe gestalten.
Brasilien erlebt schwere Zeiten, ist einem turbulenten Sturm ausgesetzt, den es zu bezwingen gilt. (vgl. The perfect storm. Wolfgang Petersen. 2000) Den Sturm ausgelöst haben die Krise des Gesundheitswesens und der völlige wirtschaftliche Zusammenbruch.
Die vom Präsidenten der Republik und anderen Sektoren ausgelösten Spannungen haben die Grundfeste der Republik erschüttert und zu einer tiefgreifenden Regierungskrise geführt.
Das Land gerät immer mehr in gefährliche Sackgassen. Die an der Spitze stehenden Verantwortlichen, Institutionen und zivile Organisationen sind mehr denn je zum Dialog aufgefordert, statt engstirnig ideologische Parolen zu propagieren.
Wir sind aufgerufen, uns den derzeitigen Herausforderungen mit sachlichen Vorschlägen und Abmachungen zu stellen, für das Leben, zum Schutz der besonders Verletzlichen inmitten einer ungleichen, ungerechten und gewaltsamen Gesellschaft. Die aktuelle Lage verträgt keine Gleichgültigkeit.
Wer das Leben verteidigt, muss Position beziehen. Die politischen Entscheidungen, die zu dieser Situation geführt haben, sowie die selbstgefällige und ausschweifende Bundesregierung, erlauben keine Trägheit und Nachlässigkeit, wenn es um die Eindämmung der Übel geht, die über das brasilianische Volk hereingebrochen sind.
Missstände, die auch unser gemeinsames Haus bedrohen, infolge der skrupellosen Plünderungen durch Holzfäller, durch den Bergbau, den Großgrundbesitz und den Predigern des Fortschritts, die sich über die Rechte der Menschen und der Mutter Erde hinwegsetzen.
„Wir können nicht vorgeben, gesund zu sein in einer Welt, die krank ist. Die Wunden, die unserer Mutter Erde zugefügt wurden, bluten auch an uns" (Brief von Papst Franziskus an den Präsidenten Kolumbiens aus Anlass des Weltumwelttages. Vatikan, 05. Juni 2020).
Alle, Menschen und Institutionen, werden in dieser schweren, herausfordernden Zeit nach ihren Taten oder Unterlassungen beurteilt. Systematisch wird ohne wissenschaftliche Belege versucht, die Tausenden von COVID-19-Toten als normal und unvermeidlich abzutun. Als Zufall oder Strafe Gottes wird das sozio-ökonomische Chaos mit Arbeitslosigkeit und Hungersnot betrachtet. Politische Maßnahmen ziehen bloß auf den Machterhalt ab.
Dieser Diskurs folgt weder ethischen und moralischen Prinzipien. Der katholischen Tradition und Soziallehre, die dem Auftrag des Herr und seiner Verheißung folgt, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10), verschließt er sich.
Die Analyse des politischen Lebens zeigt die Unfähigkeit der Bundesregierung angesichts der Krise. Tückisch waren die Reformen der Arbeitsgesetzgebung und der Sozialversicherung. Statt das Leben der Ärmsten zu verbessern, haben die prekären Bedingungen zugenommen. Es braucht Maßnahmen und Reformen zum Wohle der Menschen und nicht zum Schaden der Schwachen. Verbotene Agrarchemikalien werden wieder zugelassen, die Kontrolle der Abholzung eingestellt. Das ist weder für das Gemeinwohl noch für den sozialen Frieden förderlich. Eine Wirtschaft, die den Prinzipien des Neoliberalismus folgt, die wenigen Mächtigen ein Monopol einräumt zum Nachteil der Bevölkerungsmehrheit, ist nicht nachhaltig.
Die derzeitige Regierung stellt nicht den Menschen und das Wohl aller in den Mittelpunkt, sondern verteidigt unnachgiebig die Interessen einer Wirtschaft, die tötet (vgl. EG 53). Alles hat sich dem Markt und dem Gewinn zu unterwerfen. Unfähigkeit und Inkompetenz kennzeichnen das Vorgehen der Regierung, zum Teil im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnisse, gegen Bundesstaaten, Gemeinden, gegen Behörden und Amtsträger der Republik.
Besorgnis erregend sind die Annäherung an Totalitarismus sowie die Demokratie zersetzende Entscheidungen. Bedenklich sind Lockerungen hinsichtlich der Brasilianischen Verkehrsordnung (PL 3267/2019) und der bevorstehenden Aufweichung der Normen für den Besitz und die Nutzung von Schusswaffen. Manipulativ verbreitete Nachrichten mobilisieren massenhaft radikale Anhänger.
Wir sind entsetzt über die Geringschätzung von Bildung, Kultur und Gesundheit, wie aufgrund der Auseinandersetzungen hinsichtlich der öffentlichen Bildung und der Personalbesetzung in den Ressorts Bildung, Kultur und Umwelt, der Abqualifizierung pädagogischer Prozesse und bedeutender brasilianischer Denker deutlich wurde. Abneigung wird gehegt gegen kritisches Bewusstsein, gegen Meinungs- und Pressefreiheit. Unbedachte, überhebliche Äußerungen gefährden die diplomatischen Beziehungen zu unterschiedlichen Ländern.
Obwohl Brasilien einen der vorderen Plätze bei der Zählung der Infizierten und Toten der Pandemie einnimmt, ist die Situation im Gesundheitsministerium prekär: es fehlt ein ordentlich bestellter Minister, die notwendige Koordination mit anderen staatlichen Einrichtungen liegt im Argen, sträflich vernachlässigt werden die Bedürfnisse von Mitarbeitern der Gesundheitsberufe: sie erkranken, wenn sie Leben retten. Im Umgang mit Angehörigen von COVID-19-Verstorbenen vermisst man Respekt und Sensibilität.
In Bezug auf die Wirtschaft vernachlässigt der Ressortminister die Kleinunternehmer, obwohl sie die meisten Arbeitsplätze im Land schaffen. Vorrang genießen Wirtschaftskonzerne und unproduktive Finanzgruppen. Als Folge der Rezession könnte die Zahl der Arbeitslosen auf über 20 Millionen Brasilianer ansteigen. Gewaltig sind die Einbrüche der öffentlichen Finanzierung der Bereiche Ernährung, Bildung, Schaffung von Wohnraum und Arbeitsmarkt.
Trotz nationaler und internationaler Appelle kümmert sich die Regierung nicht um die Ärmsten und Verletzlichsten der Gesellschaft: indigene Gemeinschaften, Quilombolas, Siedler entlang der Flüsse, sowie Millionen Menschen, die in städtischen Randzonen, in Slums und auf den Straßen leben. Die SARS-CoV-2 Pandemie trifft sie besonders hart, auch weil keine Maßnahmen gegen die Krise im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft in Sicht sind. Am 07.07.2020 hat der Präsident der Republik einen vom Nationalkongress und Senat beschlossenen Notfallplan gegen die Verbreitung von COVID-19 unter indigenen Völkern, Quilombolas und traditionellen Gemeinschaften mit 16 Einsprüchen unterzeichnet. Als Begründung führte er unter anderem fehlende Kostenaufstellung an, für die Versorgung mit Trinkwasser und Hygienematerial, die Bereitstellung von Pflege- und Intensivbetten, von Beatmungs- und Sauerstoffgeräten und andere Maßnahmen (vgl. Präsidentschaft der CNBB. Offener Brief an den Nationalkongress. 13.07.2020)
Sogar die Religion wird missbraucht, um Gläubige zu verunsichern, Spaltung zu fördern, Hass zu verbreiten und Spannungen zwischen Kirchen und ihren Führern zu wecken. Jede Verflechtung zwischen Religion und Macht ist in einem säkularen Staat schädlich, besonders die Verquickung fundamentalistischer religiöser Gruppen mit autoritären Machthabern. Wir sind bestürzt, wie der Name Gottes und die göttliche Botschaft verunglimpft, wie Vorurteile und Hass geschürt werden. Statt Liebe zu predigen werden Entscheidungen gerechtfertigt, die dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit nicht entsprechen.
Es ist die Zeit für Einheit in der Vielfalt. In einem nationalen Dialog mit Humanisten, Förderern der Demokratie, mit Vertretern sozialer Bewegungen, mit Frauen und Männern guten Willens sollen die Achtung der Bundesverfassung und der demokratische Rechtsstaat wieder hergestellt werden. Notwendig sind Ethik in der Politik, Transparenz in Bezug auf Informationen und öffentlicher Haushalt, eine Wirtschaft, die auf das Gemeinwohl abzielt, soziale und ökologische Gerechtigkeit, „Land, Unterkunft und Arbeit“, Schutz der Familien, ganzheitliche und gute Bildung und Gesundheit für alle. Wir unterstützen den Pakt für das Leben und für Brasilien, gezeichnet von der CNBB und fünf Einrichtungen der Zivilgesellschaft. Wir schließen uns Papst Franziskus und seinem Aufruf an die Menschheit für einen „globalen Bildungspakt“ und eine „Wirtschaft von Franziskus“ an. Gemeinsam mit kirchlichen Bewegungen und den Basisbewegungen suchen wir dringend neue Alternativen für Brasilien.
Die Zeit der Pandemie zwingt uns, Abstand zu halten, lehrt uns eine „neue Normalität“ und lässt uns daheim, in unseren Familien die Hauskirche als Ort der Begegnung mit Gott und unseren Schwestern und Brüdern entdecken. Hier muss das Licht des Evangeliums erstrahlen, um zu erkennen: „Diese Zeit erlaubt keine Gleichgültigkeit, (…) keinen Egoismus, (…) keine Spaltung, (…) kein Vergessen“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Franziskus, Ostern 2020. Rom, 12. April 2020.)
Die Stunde ist da, um vom Schlaf zu erwachen, der uns lähmt, der uns zu bloßen Zuschauern macht, wie Tausende sterben und der uns umgebenden Gewalt. Mit dem Apostel Paulus ermuntern wir:„Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ (Röm 13,12)
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. (Num 6,24-26)
Evangelisieren ist die ureigene Mission, die Jesus seiner Kirche hinterlassen hat. „Evangelisieren bedeutet, das Reich Gottes in der Welt gegenwärtig machen.“ (EG 176) Für uns ist das Angebot des Evangeliums mehr als die persönliche Beziehung zu Gott.
Unsere Antwort der Liebe dürfte auch nicht als eine bloße Summe kleiner persönlicher Gesten gegenüber irgendeinem Notleidenden verstanden werden; (…) eine Reihe von Taten, die nur darauf ausgerichtet sind, das eigene Gewissen zu beruhigen. Das Angebot ist das Reich Gottes“ (Lk 4,43 und Mt 6,33) (EG 180). Daraus entspringt das Verständnis vom Reich Gottes als Geschenk, als Verpflichtung und Ziel.
Auf diesem Hintergrund nehmen wir zur gegenwärtigen Realität in Brasilien Stellung. Wir verfolgen weder parteipolitische, wirtschaftliche, ideologische noch andere Interessen. Unser einziges Streben gilt dem Reich Gottes im Hier und Heute der Geschichte, wenn wir eine gerechte, geschwisterliche und solidarische Gesellschaft als Zivilisation der Liebe gestalten.
Brasilien erlebt schwere Zeiten, ist einem turbulenten Sturm ausgesetzt, den es zu bezwingen gilt. (vgl. The perfect storm. Wolfgang Petersen. 2000) Den Sturm ausgelöst haben die Krise des Gesundheitswesens und der völlige wirtschaftliche Zusammenbruch.
Die vom Präsidenten der Republik und anderen Sektoren ausgelösten Spannungen haben die Grundfeste der Republik erschüttert und zu einer tiefgreifenden Regierungskrise geführt.
Das Land gerät immer mehr in gefährliche Sackgassen. Die an der Spitze stehenden Verantwortlichen, Institutionen und zivile Organisationen sind mehr denn je zum Dialog aufgefordert, statt engstirnig ideologische Parolen zu propagieren.
Wir sind aufgerufen, uns den derzeitigen Herausforderungen mit sachlichen Vorschlägen und Abmachungen zu stellen, für das Leben, zum Schutz der besonders Verletzlichen inmitten einer ungleichen, ungerechten und gewaltsamen Gesellschaft. Die aktuelle Lage verträgt keine Gleichgültigkeit.
Wer das Leben verteidigt, muss Position beziehen. Die politischen Entscheidungen, die zu dieser Situation geführt haben, sowie die selbstgefällige und ausschweifende Bundesregierung, erlauben keine Trägheit und Nachlässigkeit, wenn es um die Eindämmung der Übel geht, die über das brasilianische Volk hereingebrochen sind.
Missstände, die auch unser gemeinsames Haus bedrohen, infolge der skrupellosen Plünderungen durch Holzfäller, durch den Bergbau, den Großgrundbesitz und den Predigern des Fortschritts, die sich über die Rechte der Menschen und der Mutter Erde hinwegsetzen.
„Wir können nicht vorgeben, gesund zu sein in einer Welt, die krank ist. Die Wunden, die unserer Mutter Erde zugefügt wurden, bluten auch an uns" (Brief von Papst Franziskus an den Präsidenten Kolumbiens aus Anlass des Weltumwelttages. Vatikan, 05. Juni 2020).
Alle, Menschen und Institutionen, werden in dieser schweren, herausfordernden Zeit nach ihren Taten oder Unterlassungen beurteilt. Systematisch wird ohne wissenschaftliche Belege versucht, die Tausenden von COVID-19-Toten als normal und unvermeidlich abzutun. Als Zufall oder Strafe Gottes wird das sozio-ökonomische Chaos mit Arbeitslosigkeit und Hungersnot betrachtet. Politische Maßnahmen ziehen bloß auf den Machterhalt ab.
Dieser Diskurs folgt weder ethischen und moralischen Prinzipien. Der katholischen Tradition und Soziallehre, die dem Auftrag des Herr und seiner Verheißung folgt, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10), verschließt er sich.
Die Analyse des politischen Lebens zeigt die Unfähigkeit der Bundesregierung angesichts der Krise. Tückisch waren die Reformen der Arbeitsgesetzgebung und der Sozialversicherung. Statt das Leben der Ärmsten zu verbessern, haben die prekären Bedingungen zugenommen. Es braucht Maßnahmen und Reformen zum Wohle der Menschen und nicht zum Schaden der Schwachen. Verbotene Agrarchemikalien werden wieder zugelassen, die Kontrolle der Abholzung eingestellt. Das ist weder für das Gemeinwohl noch für den sozialen Frieden förderlich. Eine Wirtschaft, die den Prinzipien des Neoliberalismus folgt, die wenigen Mächtigen ein Monopol einräumt zum Nachteil der Bevölkerungsmehrheit, ist nicht nachhaltig.
Die derzeitige Regierung stellt nicht den Menschen und das Wohl aller in den Mittelpunkt, sondern verteidigt unnachgiebig die Interessen einer Wirtschaft, die tötet (vgl. EG 53). Alles hat sich dem Markt und dem Gewinn zu unterwerfen. Unfähigkeit und Inkompetenz kennzeichnen das Vorgehen der Regierung, zum Teil im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnisse, gegen Bundesstaaten, Gemeinden, gegen Behörden und Amtsträger der Republik.
Besorgnis erregend sind die Annäherung an Totalitarismus sowie die Demokratie zersetzende Entscheidungen. Bedenklich sind Lockerungen hinsichtlich der Brasilianischen Verkehrsordnung (PL 3267/2019) und der bevorstehenden Aufweichung der Normen für den Besitz und die Nutzung von Schusswaffen. Manipulativ verbreitete Nachrichten mobilisieren massenhaft radikale Anhänger.
Wir sind entsetzt über die Geringschätzung von Bildung, Kultur und Gesundheit, wie aufgrund der Auseinandersetzungen hinsichtlich der öffentlichen Bildung und der Personalbesetzung in den Ressorts Bildung, Kultur und Umwelt, der Abqualifizierung pädagogischer Prozesse und bedeutender brasilianischer Denker deutlich wurde. Abneigung wird gehegt gegen kritisches Bewusstsein, gegen Meinungs- und Pressefreiheit. Unbedachte, überhebliche Äußerungen gefährden die diplomatischen Beziehungen zu unterschiedlichen Ländern.
Obwohl Brasilien einen der vorderen Plätze bei der Zählung der Infizierten und Toten der Pandemie einnimmt, ist die Situation im Gesundheitsministerium prekär: es fehlt ein ordentlich bestellter Minister, die notwendige Koordination mit anderen staatlichen Einrichtungen liegt im Argen, sträflich vernachlässigt werden die Bedürfnisse von Mitarbeitern der Gesundheitsberufe: sie erkranken, wenn sie Leben retten. Im Umgang mit Angehörigen von COVID-19-Verstorbenen vermisst man Respekt und Sensibilität.
In Bezug auf die Wirtschaft vernachlässigt der Ressortminister die Kleinunternehmer, obwohl sie die meisten Arbeitsplätze im Land schaffen. Vorrang genießen Wirtschaftskonzerne und unproduktive Finanzgruppen. Als Folge der Rezession könnte die Zahl der Arbeitslosen auf über 20 Millionen Brasilianer ansteigen. Gewaltig sind die Einbrüche der öffentlichen Finanzierung der Bereiche Ernährung, Bildung, Schaffung von Wohnraum und Arbeitsmarkt.
Trotz nationaler und internationaler Appelle kümmert sich die Regierung nicht um die Ärmsten und Verletzlichsten der Gesellschaft: indigene Gemeinschaften, Quilombolas, Siedler entlang der Flüsse, sowie Millionen Menschen, die in städtischen Randzonen, in Slums und auf den Straßen leben. Die SARS-CoV-2 Pandemie trifft sie besonders hart, auch weil keine Maßnahmen gegen die Krise im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft in Sicht sind. Am 07.07.2020 hat der Präsident der Republik einen vom Nationalkongress und Senat beschlossenen Notfallplan gegen die Verbreitung von COVID-19 unter indigenen Völkern, Quilombolas und traditionellen Gemeinschaften mit 16 Einsprüchen unterzeichnet. Als Begründung führte er unter anderem fehlende Kostenaufstellung an, für die Versorgung mit Trinkwasser und Hygienematerial, die Bereitstellung von Pflege- und Intensivbetten, von Beatmungs- und Sauerstoffgeräten und andere Maßnahmen (vgl. Präsidentschaft der CNBB. Offener Brief an den Nationalkongress. 13.07.2020)
Sogar die Religion wird missbraucht, um Gläubige zu verunsichern, Spaltung zu fördern, Hass zu verbreiten und Spannungen zwischen Kirchen und ihren Führern zu wecken. Jede Verflechtung zwischen Religion und Macht ist in einem säkularen Staat schädlich, besonders die Verquickung fundamentalistischer religiöser Gruppen mit autoritären Machthabern. Wir sind bestürzt, wie der Name Gottes und die göttliche Botschaft verunglimpft, wie Vorurteile und Hass geschürt werden. Statt Liebe zu predigen werden Entscheidungen gerechtfertigt, die dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit nicht entsprechen.
Es ist die Zeit für Einheit in der Vielfalt. In einem nationalen Dialog mit Humanisten, Förderern der Demokratie, mit Vertretern sozialer Bewegungen, mit Frauen und Männern guten Willens sollen die Achtung der Bundesverfassung und der demokratische Rechtsstaat wieder hergestellt werden. Notwendig sind Ethik in der Politik, Transparenz in Bezug auf Informationen und öffentlicher Haushalt, eine Wirtschaft, die auf das Gemeinwohl abzielt, soziale und ökologische Gerechtigkeit, „Land, Unterkunft und Arbeit“, Schutz der Familien, ganzheitliche und gute Bildung und Gesundheit für alle. Wir unterstützen den Pakt für das Leben und für Brasilien, gezeichnet von der CNBB und fünf Einrichtungen der Zivilgesellschaft. Wir schließen uns Papst Franziskus und seinem Aufruf an die Menschheit für einen „globalen Bildungspakt“ und eine „Wirtschaft von Franziskus“ an. Gemeinsam mit kirchlichen Bewegungen und den Basisbewegungen suchen wir dringend neue Alternativen für Brasilien.
Die Zeit der Pandemie zwingt uns, Abstand zu halten, lehrt uns eine „neue Normalität“ und lässt uns daheim, in unseren Familien die Hauskirche als Ort der Begegnung mit Gott und unseren Schwestern und Brüdern entdecken. Hier muss das Licht des Evangeliums erstrahlen, um zu erkennen: „Diese Zeit erlaubt keine Gleichgültigkeit, (…) keinen Egoismus, (…) keine Spaltung, (…) kein Vergessen“ (Botschaft „Urbi et Orbi“ von Papst Franziskus, Ostern 2020. Rom, 12. April 2020.)
Die Stunde ist da, um vom Schlaf zu erwachen, der uns lähmt, der uns zu bloßen Zuschauern macht, wie Tausende sterben und der uns umgebenden Gewalt. Mit dem Apostel Paulus ermuntern wir:„Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ (Röm 13,12)
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. (Num 6,24-26)