Mit diesem Psalm betitelt Bischof Kräutler in seinem neuen Busch eine ergreifende Beschreibung des Xingu-Flusses und wie er und seine Bewohner von Menschenhand bedrängt werden.
Erwin Kräutler
ROT WIE BLUT DIE BLUMEN. Ein Bischof zwischen Leben und Tod
Otto Müller Verlag (2009), S. 81-108.
Leseproben:
"Der Xingu ist geheimnisvoll. Wissenschaftler haben die Herkunft und Bedeutung seines Namens bis heute nicht entschlüsselt. Einige wollen ihn mit "Haus Gottes" erklären, sind aber nicht sicher, auf welchen Ursprung der Name tatsächlich zurückzuführen ist. Mal ruhig und sanft, bilden seine Gewässer weitläufige, malerische Seelandschaften, bis felsiges Gestein und Klippen das Flussbett in die Enge zwingen und mächtige Stromschnellen entstehen lassen. Viele Reisende verloren an einem der Wasserfälle ihr Leben, weil sie unerfahren waren und die Gefährlichkeit des Flusslaufes unterschätzten. Wenn der Xingu auch nicht das Haus Gottes sein muss, eines ist sicher: für die indigenen Völker, denen seine Ufergebiete seit Jahrtausenden Heimat sind, ist dieser Fluss heilig". (S.81)
"Warum stellt sich Eletrobrás nicht den Fragen der indigenen Völker? Warum war noch niemand in einer Aldeia, um über Belo Monte zu sprechen? Warum will man keine Unterstützung von jenen, die mit der Welt der Kayapó vertraut sind und Brücken schlagen könnten zu den Nachfahren der ersten Bewohner dieses Landes? (...)
Bei den sogenannten öffentlichen Audienzen werden nicht alle Fakten preisgegeben, und die Indios haben nicht die Möglichkeit, ihre Zweifel, Bedenken und Kritik anzubringen. Diese Anhörungen sind ein unternehmerisches Ritual von Vertretern der Regierungsbehörden, die lediglich die Litanei von Wachstum, Aufschwung und Entwicklung herunterleiern". (S.101)
Textauszug vom Schlussdokument des 2. Indigenen Treffens,
19. - 23. Mai 2009 | Altamira
„Als brasilianische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wenden wir uns an die Öffentlichkeit, um der Gesellschaft und den Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene unsere Entscheidung mitzuteilen, dass wir unser Recht in Anspruch nehmen werden, damit unsere Kinder und Enkel auch in Würde leben können, dass wir unsere Heimat und
Territorien, unsere Kulturen und Traditionen bewahren und unsere Vorfahren, die uns eine wohlbehaltene Umwelt hinterlassen haben, in Ehren halten.
Wir lehnen den Bau von Staudämmen, ob groß oder klein, am Xingu und seinen Nebenflüssen ab und kämpfen weiter gegen ein sozial ungerechtes und umweltzerstörendes Entwicklungsmodell, das bereits durchgesetzt wird, etwa durch die zunehmende Spekulation mit öffentlichem Land, durch die Errichtung illegaler Sägewerke, durch heimlichen Bergbau, der unsere Flüsse vergiftet, durch die Ausdehnung der Monokulturplantagen und der Viehzucht, die unsere Wälder zugrunde richtet.
Der Xingu soll für immer leben!“
Rezension:
In seinem neuen Buch blickt Erwin Kräutler auf über vier Jahrzehnte pastoralen Wirkens am Xingu zurück, wohin er 1965, nach philosophisch-theologischen Studien in Salzburg, als Neupriester geschickt wurde - ein Gebiet, das vier Mal so groß ist wie Österreich.
Kräutlers Schilderungen - "Nebensächlichkeiten" oft, "aber sie gehören zu unserem Alltag und sind Teil unseres missionarischen Einsatzes" (161) - gehen unter die Haut. Er setzt mit seiner ersten Predigt ein, Weihnachten 1965, unter dem unvergeßlichen Eindruck eines zweistündigen Flugs von Belém nach Altamira stehend: ein Stück Amazonien aus der Vogelperspektive, das ihn an Antonín Dvo?áks neunte Symphonie "Aus der Neuen Welt" denken ließ.
Rezension von Andreas R. Batlogg, Stimmen der Zeit (2009) 853-858