Samstag, 14. Juli 2012

Parlamentarische Anfrage betreffend Belo Monte - Naturzerstörung durch ein "Österreichisches Vorzeigeunternehmen"


Belo Monte - Naturzerstörung durch ein "Österreichisches Vorzeigeunternehmen" (12505/J)

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Belo Monte - Naturzerstörung durch ein "Österreichisches Vorzeigeunternehmen"

Anfrage (gescanntes Original) / PDF-IMAGE, 39 KB


BEGRÜNDUNG
Vom 20. bis 22. Juni 2012 fand im brasilianischen Rio de Janeiro der Gipfel der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung statt. Einer der Hauptthemen des Gipfels war die so genannte „Grünen Wirtschaft“. Umweltminister Nikolaus Berlakovich kündigte an, persönlich am Gipfel teilzunehmen, sagte seine Teilnahme allerdings kurzfristig ab. Er unterstrich aber im Vorfeld die Bedeutung der Grünen Wirtschaft:
"Das Motto des Gipfels, die Green Economy, ist der Wirtschaftsmotor für die Weltwirtschaft. Damit wird die Umwelt nicht geschädigt, sondern gezeigt, dass Wachstum im Einklang zwischen Menschen und Umwelt möglich ist.“ BM Berlakovich am 12. Juni 2012 (PK, APA)

Ein Beispiel falsch verstandener „Grüner Wirtschaft“ ist der Bau eines gigantischen Staudamms in Belo Monte, einem bisher unberührten Gebiet im brasilianischen Amazonas. Mit einer Leistungskapazität von 11.233 Megawatt soll Belo Monte zum drittgrößten Wasserkraftwerk der Welt werden. Laut amtlichen Angaben wird eine Fläche von 500 Quadratkilometern geflutet, 20.000 Menschen müssten zwangsumgesiedelt werden. Durch die Stauung des Flusses werden noch viele weitere indigene Völker gegen ihren Willen ihrer Existenzgrundlage beraubt.

Darüber hinaus wird die Region „Volta Grande“ (Große Schlinge) des Xingu durch den Bau des Kraftwerks praktisch trocken gelegt - ca. 80 % des Wassers wird abgeleitet werden. „Belo Monte“ wird auf einer Strecke von hundert Kilometern Wasserfälle, Stromschnellen und natürliche Flussläufe zerstören und verändern. Die Nebenflüsse des Xingu werden austrocknen und die Menschen, die vom Fischfang und von klein strukturierter Landwirtschaft leben, werden ihre Lebensgrundlage verlieren. Die Fischbestände würden drastisch reduziert, einige Arten werden höchstwahrscheinlich aussterben. Die lokale Bevölkerung deckt derzeit 70 % ihres Proteinbedarfs mit Fisch und anderen Flusstieren. Der Xingu ist derzeit einer der Flüsse mit dem größten Fisch-Artenreichtum weltweit. Er bietet drei- bis viermal so vielen Arten einen Lebensraum wie ganz Europa zusammen.

Durch den gefallenen Wasserpegel werden v.a. in den Trockenmonaten die Wasserwege nach Altamira unterbrochen. Indigene Gemeinschaften werden die Stadt nicht mehr erreichen können, um Produkte zu kaufen oder verkaufen. Oberhalb des Kraftwerks besteht die Gefahr, dass der steigende Grundwasserspiegel die Quellen verunreinigt und so die Wasserversorgung von Altamira gefährdet wird - unterhalb wird der Spiegel sinken, was negative Effekte für die landwirtschaftliche Produktion mit sich bringt.

Gegen die massiven Umweltzerstörungen und gravierenden Menschenrechtsverletzungen protestieren indigene Gruppen genauso wie internationale Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen sowie Kirchenvertreter, darunter der mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnete österreichische Bischof Erwin Kräutler.

Die österreichische Firma Andritz AG wird, wie schon beim Megastaudamm im türkischen Ilisu, über ihr Tochterunternehmen Andritz HYDRO Turbinen und Kraftwerkstechnik für das Kraftwerksprojekt bereitstellen. Mit über 300 Millionen Euro ist Andritz einer der wichtigsten Projektteilnehmerinnen in Belo Monte.

Am 4. Februar 2010 zeichnete Umweltminister Berlakovich „Österreichische Vorzeigeunternehmen“ mit dem Staatspreis für Umwelt und Energietechnologie aus. Die Firma Andritz Hydro GmbH wurde in der Kategorie „Umwelt & Klima“ ausgezeichnet und somit von Minister Berlakovich als Österreichisches Vorzeigeunternehmen geadelt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE
1) Sind ihnen die zu erwartenden Menschenrechtsverletzungen und die massive Naturzerstörung im Zuge der Errichtung des Belo Monte Staudammes bekannt?
2) Fällt Ihrer Ansicht nach ein Projekt wie Belo Monte in die Kategorie „Green Economy“?
3) Was werden Sie als Umweltminister konkret tun, um dazu beizutragen, dieses von internationalen Organisationen als umweltzerstörend und menschenrechtsverletzend eingestufte Projekt, zu stoppen?
4) Haben Sie sich bei den brasilianischen Behörden für eine Beendigung des Belo
Monte Projekts eingesetzt?
5) Wenn nein, warum nicht?
6) Wenn ja, was konkret haben Sie getan?
7) Ist Ihnen bekannt, dass die Firma Andritz an dem Belo Monte Projekt beteiligt ist?
8) Wenn ja, wussten Sie zum Zeitpunkt der Verleihung des Umwelt-Staatspreises schon von der Beteiligung von Andritz an dem Belo Monte Projekt?
9) Wenn Sie zum Zeitpunkt der Verleihung des Staatspreises schon von der Beteiligung von Andritz am Belo Monte Projekt gewusst haben, warum haben Sie sich trotzdem dafür entschieden, den Preis an diese Firme zu verleihen?
10) Ist die Firma Andritz ein „Österreichisches Vorzeigeunternehmen“?
11) Haben Sie sich bei der Firma Andritz für eine Beendigung der Beteiligung am Belo Monte Projekt eingesetzt?
12) Wenn nein, warum nicht?
13) Wenn ja, was konkret haben Sie getan?