Samstag, 4. Dezember 2021

Bischof Erwin Kräutler: Dies Irae für den Planeten


In seinem Interview über die COP26 erwähnt Dom Erwin Kräutler das "Lacrimosa" von Wolfgang Amadeus Mozart in einem interessanten Kontext - und das zum 230. Todestages von Mozart (+5.12.1791).

Für Dom Erwin ist das 'göttliche Musik' und verdeutlicht neben seiner Erfahrung im Umgang auf Augenhöhe mit Indigenen auch, was er unter Interkulturalität im Unterschied von Inkulturation versteht.

Aus dem Interview mit Pe. Luís Miguel Modino SJ:

Die Botschaft von Papst Franziskus an die COP26 war: "Die Zeit wird knapp! Nützt die Gelegenheit dieser Konferenz!"

Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die COP26 die päpstliche Warnung nicht sehr ernst genommen hat. Im Vergleich zur COP21 in Paris 2015 scheint es mir, dass sie weiterhin eine Frist nach der anderen setzt und die Erfüllung von Vereinbarungen, die sofort eingehalten werden sollten, immer wieder in ferne Jahrzehnte verschiebt. Es werden weitere COPs mit milliardenschweren Ausgaben stattfinden müssen und die Verhandlungen werden weitergehen. "Hasta quando!". "Die Zeit wird knapp!" So die Worte unseres Papst.

Das Argument, dass die Zeit bereits abgelaufen ist, ist realistisch! Wir befinden uns bereits in der Phase des Plan B: Wie können die Folgen gemildert werden? Wer weiß, vielleicht denkt Papst Franziskus bereits an eine neue Enzyklika, um seine Solidarität mit den Familien und Völkern zu bekunden, die Opfer des Desasters des Klimawandels sind, und um die reichen Nationen dieser Welt wieder einmal aufzufordern, den geplagten und hungernden Völkern zu helfen.

Statt den Refrain „Laudato Sì“ aus dem „Sonnengesang“ des hl. Franz von Assisi, kann er für eine neue Enzyklika vielleicht eine Strophe aus der Sequenz „Dies Irae“ wählen, die aus derselben Zeit stammt: „Lacrimosa Dies Illa, qua resurget ex favilla iudicandus homo reus!“ Vor 230 Jahren, in der kalten Nacht zum 5. Dezember 1791, komponierte Mozart auf dem Sterbebett im ersten Stock, Rauhensteingasse 10, in Wien dieses Lacrimosa. Es sind die letzten und unendlich erschütternden Takte aus der Feder Mozarts: Ein suggestives Crescendo lässt den Chorgesang „Voller Tränen jener Tag, an dem aus der Asche zum Gericht sich erheben wird"“ von Silbe zu Silbe immer eindringlicher, überwältigender werden, bis er schließlich im verurteilenden Forteausbruch des „homo reus“ - „des schuldbeladenen Menschen“ - die schaurige Klimax erreicht.


Mit großer Genugtuung verfolgte ich in Glasgow mehrere Zeugenaussagen indigener Völker und applaudierte vor meinem Computerbildschirm. Sie präsentierten sich in ihren traditionellen Gesichtsfarben und mit schönen Kopfbedeckungen. Ihre Beiträge waren ergreifend und bewegend zugleich. Aber ich spürte tief in meinem Herzen einen quälenden Schmerz. Immer wieder fragte ich mich, wie die Zuhörer auf die Botschaft der Indigenen reagieren würden.

[...] die Mehrheit der Teilnehmer der COP26 betrachtete diese Männer und Frauen in ihren Trachten nur als Folklore, um dem Ereignis eine Dimension der Anwesenheit "aller Nationen, Stämme, Rassen und Sprachen" (Offb 7,9) zu verleihen. Die indigene Bevölkerung wurde bei weitem nicht als "gleichberechtigt" in Würde und Rechten akzeptiert und in ihren legitimen Forderungen und Ansprüchen respektiert.

Wir ziehen es vor, heute von einer "Interkulturalität" zu sprechen (vgl. OLIVEIRA, Márcia Maria de. Quando a diferença transforma-se numa ponte. Manaus: Amazonas Atual, 20/02/2020), anstelle von "Inkulturation", um einen Begriff zu ersetzen, der die Überlegenheit einer bestimmten Kultur gegenüber einer anderen zu suggerieren scheint, die "inkulturiert" werden muss.