Donnerstag, 2. Dezember 2021

Dom Erwin Kräutler zur COP26: "Unser Planet liegt bereits auf der Intensivstation"

Im Interview mit Pe. Luís Miguel Modino SJ gebraucht Dom Erin prophetische Worte, um uns eindringlich vor Augen zu führen, wie ernst es um unseren Planeten steht und wie notwendig ein rasches und entschiedenes Handeln für unser gemeinsames Haus wäre. Der emeritierte Bischof vom Xingu und Präsident von REPAM-Brasilien bedauert zutiefst, dass unser Planet bereits auf der Intensivstation liegt.

Pe. Modino: Wie beurteilen Sie die COP26? Sind Sie mit den erzielten Vereinbarungen zufrieden oder haben Sie mehr erwartet?

Dom Erwin: Wer von uns hat nicht viel mehr erwartet! Dennoch war ich seit Beginn der COP26 recht skeptisch und fragte mich, ob die wirklich Verantwortlichen für den Klimawandel überzeugende Initiativen ergreifen würden, um die Treibhausgasemissionen zu senken und die Erwärmung auf 1,5° Celsius zu begrenzen.

Ich glaube ehrlich gesagt nicht mehr daran, dass dieses Ziel erreicht werden kann, und schlimmer noch - auch wenn ich kein Klimaforscher bin - aus der Xingu-Region, wo ich seit 56 Jahren lebe, weiß ich, dass wir diese Schwelle bereits überschritten haben. Wenn ich die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts mit dem Klima von heute vergleiche, kann ich nur aufschreien und sagen, dass sich das Klima verändert hat. Damals wusste noch niemand etwas von Klimaanlagen. Heute kommen Krankenhäuser, Schulen, Hotels, Büros und Kirchen nicht mehr ohne zentrale Klimatisierung aus. Viele Familien mit etwas Einkommen entscheiden sich dafür, um einen angenehmeren Tag oder eine erholsame Nacht zu haben.

Als die Abholzung in der größten Gemeinde Brasiliens, Altamira, mit dem Bau der Transamazônica-Schnellstraße in den 1970er Jahren zunahm, stieg auch die Hitze in der Stadt und den Dörfern erheblich an.

Und da wir in der Ära des Coronavirus leben und so oft Nachrichten über geliebte Menschen erhalten, die auf der Intensivstation ums Überleben kämpfen, - zu oft bekommen wir die traurige Nachricht zu lesen,  dass sie der Aggression des grausamen Infektionserregers erlegen sind - vergleiche ich die COP26 mit einem medizinischen Gremium, das über die Zukunft unseres Planeten diskutiert, der auf der Intensivstation liegt.

Wissenschaftler und Mediziner treffen sich, um über die nächsten Schritte zu beraten, die das Überleben des Planeten sichern sollen. Und die abschließende Stellungnahme dieser "Ärztekammer" ist erschütternd. Die Verantwortlichen für diese Schande geben nach tagelangen Debatten beschwichtigende Empfehlungen und verabschieden sich. Der Patient liegt mit dem Gesicht nach unten auf der Intensivstation und ist intubiert. Er kann das Blut nicht mehr mit Sauerstoff versorgen.

Maßnahmen, die sofort ergriffen werden sollten, um den Planeten zu retten, werden für die nächsten Jahrzehnte vorschoben! Ich habe gestern erfahren, dass meine Nichte schwanger ist. Wie wird die Welt für diesen neuen Menschen aussehen, der noch im Mutterleib liegt, wenn er erwachsen ist?


Pe. Modino: Papst Franziskus kann als einer der großen Verteidiger des Gemeinsamen Hauses angesehen werden. Können wir sagen, dass seine Ratschläge politische Bedeutung haben? Inwieweit beeinflussen seine Worte die Entscheidungsfindung?

Dom Erwin: Ich erinnere mich gerne an den 4. April 2014, als ich mit Papst Franziskus zusammen war und er mir offenbarte, dass er eine Enzyklika über Ökologie schreiben würde, und sofort hinzufügte: "pero una ecologia humana". Auf dieses Detail legte er besonderen Wert: "Wir werden die Ökologie nicht nur allgemein behandeln. Es ist an der Zeit, von einer 'menschlichen' Ökologie zu sprechen". Ich habe die Gelegenheit genutzt, um darauf hinzuweisen, dass diese Enzyklika unbedingt einen ausführlichen Bezug zu Amazonien und den indigenen Völkern enthalten muss. Und der Papst hat meine Bitte in den Artikeln 37/38 und 145/146 von "Laudato sì" angenommen!

Es war Papst Benedikt XVI., der den Begriff "Humanökologie" prägte. In seiner Enzyklika "Caritas in Veritate" (29. Juni 2009) betont er: "Wenn in der Gesellschaft die 'Humanökologie' respektiert wird, profitiert davon auch die Umweltökologie" (Nr. 51). In seiner Enzyklika "Sollicitudo Rei Socialis" (30. Dezember 1987) betonte Papst Johannes Paul II. unsere Verantwortung für die Umwelt: "Sie (die natürlichen Ressourcen) mit absolutem Verfügungsanspruch zu benutzen, als ob sie unerschöpflich wären, bringt ihr Fortbestehen nicht nur für die gegenwärtige Generation, sondern vor allem für die künftigen in ernste Gefahr. " (Nr. 34).

Mit der Enzyklika Laudato Sì wollte Papst Franziskus alle konfessionellen, politischen, rassischen und ideologischen Grenzen überschreiten und sich an die gesamte Menschheit auf allen Kontinenten wenden. "Angesichts der weltweiten Umweltschäden möchte ich mich jetzt an jeden Menschen wenden, der auf diesem Planeten wohnt", schreibt der Papst in der Einleitung, "ich möchte in Bezug auf unser gemeinsames Haus in besonderer Weise mit allen ins Gespräch kommen (LS 3). Niemand kann leugnen, dass die Enzyklika einen starken Einfluss auf das Pariser Abkommen hatte, das am 12. Dezember 2015 als Ergebnis der COP21 angenommen wurde.

Papst Franziskus hatte sogar erwogen, nach Glasgow zur COP26 zu reisen. Warum wurde dieser Plan nicht verwirklicht? Die Behauptung, dass die vorangegangene Darmoperation den Papst daran gehindert hätte, nach Glasgow zu reisen, überzeugt mich nicht. Kurz nach seiner Operation reiste er bereits nach Ungarn und in die Slowakei. Ich vermute, dass die Absage wegen der Rolle des Papstes als Staatsoberhaupt und Pontifex der katholischen Kirche zurückzuführen ist. Sicherlich hätte die Anwesenheit des Staatsoberhauptes Franziskus die aller anderen Staatsoberhäupter in den Schatten gestellt. Schade, dass er nicht dort war! Ich sage das genau wegen der Warnung, die er aus Rom zur COP26 gesprochen hat: "Die Zeit läuft ab; diese Gelegenheit darf nicht vergeudet werden".

Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die COP26 die päpstliche Warnung nicht sehr ernst genommen hat. Im Vergleich zur COP21 in Paris 2015 scheint es mir, dass sie weiterhin eine Frist nach der anderen setzt und die Erfüllung von Vereinbarungen, die sofort eingehalten werden sollten, immer wieder in ferne Jahrzehnte verschiebt. Es werden weitere COPs mit milliardenschweren Ausgaben stattfinden müssen und die Verhandlungen werden weitergehen. "Hasta quando!". "Die Zeit wird knapp!" So die Worte unseres Papst.

Das Argument, dass die Zeit bereits abgelaufen ist, ist realistisch! Wir befinden uns bereits in der Phase des Plan B: Wie können die Folgen gemildert werden? Wer weiß, vielleicht denkt Papst Franziskus bereits an eine neue Enzyklika, um seine Solidarität mit den Familien und Völkern zu bekunden, die Opfer des Desasters des Klimawandels sind, und um die reichen Nationen dieser Welt wieder einmal aufzufordern, den geplagten und hungernden Völkern zu helfen.

Statt den Refrain „Laudato Sì“ aus dem „Sonnengesang“ des hl. Franz von Assisi, kann er für eine neue Enzyklika vielleicht eine Strophe aus der Sequenz „Dies Irae“ wählen, die aus derselben Zeit stammt: „Lacrimosa Dies illa, qua resurget ex favilla iudicandus homo reus!“ Vor 230 Jahren, in der kalten Nacht zum 5. Dezember 1791, komponierte Mozart auf dem Sterbebett im ersten Stock, Rauhensteingasse 10, in Wien dieses Lacrimosa. Es sind die letzten und unendlich erschütternden Takte aus der Feder Mozarts: Ein suggestives Crescendo lässt den Chorgesang „Voller Tränen jener Tag, an dem aus der Asche zum Gericht sich erheben wird"“ von Silbe zu Silbe immer eindringlicher, überwältigender werden, bis er schließlich im verurteilenden Forteausbruch des „homo reus“ - „des schuldbeladenen Menschen“ - die schaurige Klimax erreicht.


Pe. Modino: Brasilien ist eines der Länder, in denen der mangelnde Schutz der Umwelt vielen Menschen große Sorgen bereitet. Wie sollten sich die brasilianische Gesellschaft und die Kirche positionieren, damit die politischen Entscheidungsträger diese Sorge als dringende Notwendigkeit begreift?

Dom Erwin: Der Slogan "Amazonien gehört uns" ist sehr gefährlich. Damit wird jede Äußerung zu Amazonien von vornherein als unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens gewertet. Heute weiß die ganze Welt, was in Amazonien geschieht. Wissenschaftler warnen, dass der Amazonas eine regulierende Funktion für das Weltklima hat. Und der ehemalige Präsident Lula wird sicherlich zugeben, dass die Rede, die er am 22. Juni 2010 in Altamira im Zusammenhang mit dem Bau des Belo Monte-Wasserkraftwerks hielt, weder in seiner Regierung noch in den nachfolgenden Regierungen wirkliche Konsequenzen hatte:

"Wir müssen der Welt zeigen, dass sich niemand mehr als wir um unseren Wald kümmern. Aber sie gehört uns. Und kein Ausländer soll seine Nase in Dinge stecken, die ihn nichts angehen. Wir wissen, wie wir uns um unseren Wald und um unsere Entwicklung zu kümmern haben". Regierungen kommen und gehen, neue treten ihr Amt an, und die Situation wird immer schlimmer!

Amazonien ist nicht nur brasilianisch. Obwohl Brasilien den größten Teil dieser Makroregion ausmacht, gibt es neun Länder, die zu Amazonien gehören. Deshalb müssen die zu ergreifenden Maßnahmen multilateral sein, denn sie müssen Amazonien als Ganzes und nicht in homöopathischen Portionen retten. Es ist kein Angriff auf die brasilianische Souveränität oder die eines anderen Landes in Amazonien, wenn man die These vertritt, dass Amazonien zum Erbe der Menschheit gehört. Diese Tatsache unterstreicht die große Verantwortung, die jedes Land für den Schutz Amazoniens trägt. Seine Funktion als Regulator des planetarischen Klimas beschränkt sich nicht auf die Küste oder auf Landesgrenzen Brasiliens.

Das große Versagen aller Regierungen, ob auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene, war und ist das fast völlige Fehlen des politischen Willens, ein ernsthaftes und solides Programm zur Verteidigung Amazoniens zu verwirklichen. Die Regierungen lassen sich mit Versprechungen von Megaprojekten, Verbesserungen der städtischen Infrastruktur, Arbeitsplätzen und viel Geld beeindrucken. Verlogene Versprechen! Ein Beweis dafür ist der Belo Monte-Staudamm an der Großen Schleife des Xingu-Flusses, der eine enormes Ausmaß an Zerstörung, Verwüstung, Frustration und Enttäuschung hinterlassen hat.

Und es gibt bereis ein weiteres Projekt bei der Großen Schleife des Xingu, etwa 40 km vom Staudamm entfernt. Belo Sun Mining, ein kanadisches Unternehmen, will innerhalb von zwei Jahrzehnten Milliarden Reals in den Goldabbau investieren. Millionen an Steuern und weitere Millionen in Form von Lizenzgebühren für die Gewinnung von 74 Tonnen Gold in der Großen Volta des Xingu werden versprochen. Dazu müssen Millionen und Abermillionen von Tonnen Gestein abgetragen werden. Das Verwunderlichste an diesem Projekt ist die Lagerung von Abraum nur wenige Meter vom Ufer des Xingu entfernt. Die Versprechen sind spektakulär. Alles sei unter Kontrolle. Ein Unfall wird nicht in Erwägung gezogen!

Es handelt sich um genau dieselbe Rede, die vor dem monumentalen Unfall in Mariana und Brumadinho zu hören war, bei dem Hunderte von Menschen ums Leben kamen! Die große Mehrheit der Politiker träumt vom großen Geld und glaubt fest daran, dass das ganze Unternehmen sicher sein wird.  Nach zwei Jahrzehnten wird das Unternehmen nach Kanada zurückkehren. Das Geld ist weg. Das Gold ist weg! Und Brasilien wird mit einer Zeitbombe von der Größe zweier "Zuckerhutberge" aus Bergbauabfällen zurückbleiben, die die Umwelt der Großen Schleife und der gesamten Region des unteren Xingu terrorisieren.

Ein weiteres Manko ist das unzureichende Bewusstsein für den Erhalt Amazoniens in fast allen Teilen der Gesellschaft. Der Glaube, dass Amazonien unerschöpflich und ewig überreichlich ist, scheint zur DNA der großen und kleinen Menschen zu gehören. Es ist von größter Dringlichkeit, Umweltbewusstsein und -ethik von der Grundschule bis zur Universität zu vermitteln. 

In der Enzyklika Laudato Sì betont unser Papst Franziskus: "Der Mensch ist nicht völlig autonom. Seine Freiheit wird krank, wenn sie sich den blinden Kräften des Unbewussten, der unmittelbaren Bedürfnisse, des Egoismus und der Gewalt überlässt. In diesem Sinne ist er seiner eigenen Macht, die weiter wächst, ungeschützt ausgesetzt, ohne die Mittel zu haben, sie zu kontrollieren. Er mag über oberflächliche Mechanismen verfügen, doch wir können feststellen, dass er heute keine solide Ethik, keine Kultur und Spiritualität besitzt, die ihm wirklich Grenzen setzen und ihn in einer klaren Selbstbeschränkung zügeln." (LS 105).


Pe. Modino: Haben Sie die Hoffnung, dass die brasilianische Regierung Maßnahmen ergreift, um die Realität in Bezug auf den Umweltschutz zu ändern?

Dom Erwin: Ich habe nicht die geringste Hoffnung, dass die Regierung Bolsonaro sich jemals dazu bereit erklärt, ihre Ansichten in Bezug auf Amazonien zu verändern. Obwohl der Satz "Lasst die Viehherde vorbeiziehen" von einem ehemaligen Umweltminister stammt, verrät sein Inhalt die Denkweise Bolsonaros. Tatsächlich hat kein Präsident, den ich in mehr als fünf Jahrzehnten erlebt habe, Amazonien je geliebt oder verstanden, was seine eigentliche Bedeutung ist.

Obwohl Amazonien die Hälfte der Fläche Brasiliens einnimmt, wurde es immer als "Kolonie" oder "Provinz" betrachtet: Kautschuk, Holz, Bergbau, Energie, die letzte landwirtschaftliche Grenze, kurzum, eine Kolonie, die bis zum letzten Blutstropfen ausgebeutet wird, ohne sich um die Wunden zu kümmern, die durch die Misshandlung entstanden sind, und ohne die offenen Wunden zu heilen, die immer größer und tiefer werden!


Pe. Modino: Die indigenen Völker, die Sie während Ihres gesamten Missionslebens begleitet haben, spielten auf der COP26 eine wichtige Rolle. Viele Menschen erkennen die Bedeutung ihrer Beiträge, aber warum werden ihre Vorschläge nicht ernst genommen? Warum ist die brasilianische Regierung entschlossen, sie zu verfolgen und ihre Rechte und Territorien zu beschneiden?

Dom Erwin: Mit großer Genugtuung verfolgte ich in Glasgow mehrere Zeugenaussagen indigener Völker und applaudierte vor meinem Computerbildschirm. Sie präsentierten sich in ihren traditionellen Gesichtsfarben und mit schönen Kopfbedeckungen. Ihre Beiträge waren ergreifend und bewegend zugleich. Aber ich spürte tief in meinem Herzen einen quälenden Schmerz. Immer wieder fragte ich mich, wie die Zuhörer auf die Botschaft der Indigenen reagieren würden.

Ich gestehe, dass ich während der Synode für Amazonien in Rom im Oktober 2019 das gleiche Gefühl hatte. Indigene Menschen, Frauen und Männer aus den verschiedenen Ländern Amazoniens, waren eingeladen worden, an einem historischen Ereignis unserer Kirche teilzunehmen. Und sie waren nicht schüchtern. Sie nutzten die ihnen zugestandene Redezeit in der Synodenaula, um ihre Botschaft vorzutragen. Sie sahen einen sehr aufmerksamen Papst, die Kardinäle und Bischöfe hörten größtenteils einfühlsam zu. Sie erhielten Beifall.

Bei ihrem Kommen und Gehen zum und vom Synodensaal wurden sie zu beliebten Fotomotiven. Bereits am Eröffnungstag umringten sie den Papst bei der Prozession vom Petersdom und "störten" die feierliche Prozession, die im Rahmen der üblichen kanonischen Vorschriften geplant war. Die berühmte kirchliche Rangordnung, die sich nach der Stellung eines Bischofs oder Kardinals richtete, blieb einfach auf der Strecke. Die Indigenen übernahmen die Prozession.

Was hat die Amazonas-Synode mit der COP26 zu tun? Bei beiden Veranstaltungen standen die Ureinwohner im Mittelpunkt des Interesses! Sie hatten die Möglichkeit, sich zu äußern, und sie taten dies mit großem Anstand. Aber - und darin liegt das Detail - die Mehrheit der Teilnehmer der COP26 betrachtete diese Männer und Frauen in ihren Trachten nur als Folklore, um dem Ereignis eine Dimension der Anwesenheit "aller Nationen, Stämme, Rassen und Sprachen" (Offb 7,9) zu verleihen. Die indigene Bevölkerung wurde bei weitem nicht als "gleichberechtigt" in Würde und Rechten akzeptiert und in ihren legitimen Forderungen und Ansprüchen respektiert.

In unserer Kirche ist das nicht viel anders! Wir ziehen es vor, heute von einer "Interkulturalität" zu sprechen (vgl. OLIVEIRA, Márcia Maria de. Quando a diferença transforma-se numa ponte. Manaus: Amazonas Atual, 20/02/2020), anstelle von "Inkulturation"  um einen Begriff zu ersetzen, der die Überlegenheit einer bestimmten Kultur gegenüber einer anderen zu suggerieren scheint, die "inkulturiert" werden muss. Schon das Dokument von Santo Domingo ist dieser Versuchung erlegen, als es riet: "Eine Inkulturation der Liturgie zu fördern, indem man ihre Symbole und religiösen Ausdrucksformen mit Wertschätzung aufnimmt, die mit dem klaren Sinn des Glaubens vereinbar sind, den Wert der universalen Symbole bewahrt und mit der allgemeinen Disziplin der Kirche in Einklang steht" (DSC, 248).

Wer soll bestimmen, was mit dem klaren Sinn des Glaubens und der allgemeinen Disziplin der Kirche vereinbar ist oder nicht, was damit in Einklang steht oder nicht? Nur wenn man mit einem Volk lebt, kann man die tiefe Bedeutung seiner kulturellen Ausdrucksformen kennen lernen, seine Sprache sprechen und in das Universum seiner archaischen und religiösen Symbolik eintauchen. Dies kann nicht in zehntausend Kilometern Entfernung in einem klimatisierten Büro geschehen.

Es gibt sehr wertvolle Versuche, Schritte in Richtung einer liturgischen Interkulturalität zu unternehmen und die kulturellen Ausdrucksformen der indigenen Völker und der Quilombolas zu akzeptieren. Wer erinnert sich nicht an den großen Förderer dieser Versuche der Interkulturalität, den 2017 verstorbenen Bischof José Maria Pires! Was fehlt, ist der Mut und die Kühnheit, größere Schritte zu wagen.

Auf der Suche nach "Interkulturalität" ist die Realität in unserer Kirche heute ziemlich merkwürdig. Seit einiger Zeit treten immer mehr extrem rassistische Personen und Gruppierungen auf, die Bischöfe und Priester beschimpfen, die indigene oder quilombolische Ausdrücke, Lieder und Trommelschläge in einer liturgischen Feier akzeptieren. Es wird nicht einfach sein, die Beschlüsse der Synode für Amazonien und die "Träume" des Apostolischen Schreibens von Papst Franziskus, "Querida Amazonia", zu verwirklichen. Die Opposition ist virulent!

Wer liebt Amazonien wirklich als das Land seiner Vorfahren seit Menschengedenken? Ich erinnere mich an den historischen Marsch der indigenen Völker im Jahr 2000 im Rahmen der 500-Jahr-Feier in Porto Seguro. Die indigenen Völker Amazoniens trugen Transparente mit der Aufschrift: "Reduziert ja, besiegt nie!" Tatsächlich ist Amazonien seit Tausenden von Jahren ihr Zuhause, ihre Heimat, der Boden ihrer Mythen und Riten, die richtige Umgebung für ihre Tänze und ihren Glauben, das Land, in dem ihre Vorfahren begraben wurden.

Bolsonaro und die Agrarindustrie lehnen heute die brasilianische Verfassung von 1988 ab, die die Existenz indigenen Landes bestätigt und dadurch die Existenz dieser Ländereien jenseits des kapitalistischen Marktes verteidigt. Die Parole der Agrarindustrie lautet: "Kein Land außerhalb des Marktes!" Im Gegensatz zu unsere Überzeugung: "Alles Land für das Leben und den Frieden". Es handelt sich um zwei antagonistische Konzepte: das eine zugunsten von Land für das Leben, das andere zugunsten von Land für den Kapitalismus, verbunden mit schamloser Ausbeutung und Usurpation.


VaticanNews, 02/12/2021
Dom Erwin Kräutler:
“A COP26, uma junta médica debatendo o futuro do planeta que está na UTI”
Dom Erwin Kräutler analisando os resultados da COP26 e a realidade do planeta e da Amazônia. O bispo emérito do Xingú e presidente da REPAM-Brasil não duvida em afirmar que nosso planeta está na UTI.


Hintergrund:

El País, 4.9.2017
José María Pires, primer obispo negro de Brasil
El teólogo de la liberación, arzobispo de Paraiba, fue un símbolo de la lucha contra toda forma de opresión


Arquidiocese de Belo Horizonte, 27/08/2017
Nota de falecimento: Dom José Maria Pires
O arcebispo emérito da Paraíba, Dom José Maria Pires, faleceu aos 98 anos, na noite desse domingo, dia 27, após sentir-se mal em Belo Horizonte (MG).


José María Pires, primer obispo negro de Brasil


Brasil de Fato, 22 de Março de 2019
Homenagem aos 100 anos de Dom José Maria Pires
Dom José foi o primeiro arcebispo negro do Brasil

Spiegel-Online, 14.11.2021
Weltweite Proteste
»Es ist für Politiker sehr attraktiv, indigene Menschen zu präsentieren«
Auf der Weltbühne sind sie präsent wie nie zuvor: Indigene Aktivistinnen kämpfen auf ganz unterschiedliche Weise für die Rechte ihrer Völker – und sind endlich sichtbar. Doch was kommt dabei heraus?


COP26 in Glasgow:
Nach Rede bei Klimagipfel: Indigene Aktivistin bekommt Todesdrohungen
Jair Bolsonaro hat die Aktivistin nach ihrer Rede beschuldigt, Brasilien zu attackieren. Txai Suruí beschwichtigt, das sei nicht ihre Absicht gewesen.