Montag, 15. Februar 2016

Bischof Kräutler für Alternativen zum Zölibat


Religion.of.at, 14.2.2016
Bischof Kräutler: Brauchen Alternativen zum Zölibat
Bischof Erwin Kräutler hat die deutsche Bischofskonferenzen dazu aufgerufen, über Alternativen zum zölibatär lebenden Priester zu diskutieren.

„Jede und jeder hat den Auftrag, nachzudenken“, sagte Kräutler am Sonntag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Rande der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion in Würzburg. Papst Franziskus selbst habe ihn aufgefordert, mutige Vorschläge zu machen.

Der Papst werde zwar nicht in eigener Regie von heute auf morgen etwas ändern. "Aber die Bischofskonferenzen haben den Auftrag, darüber zu befinden, um dann konkrete Vorschläge zu machen, so der emeritierte Bischof der Diözese Xingu.

Mit Blick auf seine Diözese im Amazonas-Gebiet sagte Kräutler, angesichts der geografischen Lage und der geringen Zahl von Priestern könnten 70 Prozent der Katholiken nur drei- bis viermal im Jahr Messe feiern, ansonsten Wortgottesdienst. Dabei sei die Eucharistie das Zentrum des katholischen Glaubens. „In erster Linie steht nicht der Zölibat zur Diskussion, sondern die von der sonntäglichen Eucharistiefeier ausgeschlossenen Gemeinden“, sagte Kräutler. Dies sei zwar zunächst ein Problem in Amazonien, aber die Gemeindezusammenlegungen in Deutschland seien auch nicht unbedingt die Lösung.

Drei bis vier jährliche Messfeiern im Amazonas-Gebiet
Die mehrfach vorgeschlagene Beauftragung von katholischen Männern mit tadellosem Lebenswandel, sogenannte „viri probati“, ist für den aus Österreich stammenden Bischof eine problematische Alternative. "Was macht denn einen Mann zum „vir probatus" und wer oder welches Forum befindet darüber, ob einem dieses Attribut zugesprochen werden kann oder nicht?“

Er frage sich auch, ob alle zölibatär lebenden Priester tatsächlich „viri probati“ seien. Zudem sei bei einer solchen Lösung von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Frau als Priesterin dem Gottesdienst vorstehen könne.

Laut Kräutler gibt es eine Kommission der Bischofskonferenz in Brasilien, die dem Papst Vorschläge machen solle. Es gebe aber darüber hinaus viele, die nachdächten. „Papst Franziskus will das ja sogar wenn er sagt: Sean corajudos! - habt Mut!“ Zugleich erinnerte der Bischof an das Apostolische Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ von Papst Johannes Paul II. von 1994, demzufolge die Kirche keine Frauen zu Priestern weihen könne. „Dieses Wort hat sicher nachhaltige Wirkung, ist aber dennoch kein Glaubenssatz, kein Dogma.“


Die Presse, 15.5.2016
Bischof Kräutler: "Zölibat nicht Pflicht für Eucharistie"
Der seit 49Jahren in Brasilien lebende Vorarlberger Bischof Erwin Kräutler berichtet von seiner Privataudienz beim Papst: Dieser fordere Vorschläge zur Behebung des Priestermangels.

Die Presse: Sie haben einen Mordanschlag überlebt, stehen seit acht Jahren unter Polizeischutz. Wie gehen Sie mit Angst vor dem Tod um?

Erwin Kräutler: Wenn ich nur Angst habe, kann ich nicht leben. Mein größter Schutz ist das Volk.

Wenn Sie aus Brasilien nach Österreich kommen, muss das für Sie wie ein Kulturschock sein.

Nein. Ich habe hier meine Wurzeln. Die Geschichte in Österreich ist anders verlaufen. Die Bischöfe hier müssen sich mit der Situation von heute konfrontieren und versuchen, Wege zu gehen, um die Leute dort abzuholen, wo sie sind. Ich habe meine Erfahrungen in Brasilien gemacht, aber ich rede hier niemandem ins Gewissen.

Welche von Ihren Erfahrungen könnte man auf Europa, auf Österreich umlegen?

Das Stichwort lautet Laien. In Brasilien sind Frauen und Männer viel mehr gefordert: Bei mir gibt es 800 Gemeinden und 27 Priester, damit ist alles gesagt. Wenn die Laien nicht Verantwortung übernehmen für ihre Gemeinde, dann gibt es keine Gemeinde mehr. Es wird auch in Europa in zehn Jahren sicher so sein, dass Frauen und Männer Gemeinden leiten.

Das Spenden der Sakramente bleibt Priestern überlassen?

Nicht ausschließlich. Ich kann jedem die Tauferlaubnis geben oder die Erlaubnis, dass er Hochzeiten vorsteht. 90 Prozent aller Gemeinden in Amazonien haben sonntags keine Eucharistiefeier. 70 Prozent haben zwei bis drei Mal im Jahr eine Eucharistiefeier, ansonsten wird ein Wortgottesdienst gefeiert.

Das Zweite Vatikanische Konzil spricht von der Eucharistiefeier als Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens. Hinter dieser Vorgabe bleibt die von Ihnen geschilderte Praxis aber weit zurück.

Absolut. Gott ist auch in seinem Wort gegenwärtig, aber der Wortgottesdienst ist nur ein Teil der Eucharistiefeier. In den meisten Gemeinden fehlt leider der zweite Teil, das ist das größte Problem.

Es gibt für Katholiken auch ein Recht auf die Eucharistie. Wie löst man dieses Problem?

Ja, man hat ein Recht darauf. Das ist nicht ein Privileg.

Müsste man die Zugangsregeln ändern?

Genau, das habe ich dem Papst auch gesagt. Der Papst ist sehr offen. Er wird nicht von heute auf morgen ein Rezept haben. Aber der Papst hat mir wortwörtlich gesagt: Die Bischöfe, die regionalen Bischofskonferenzen sollen mutige, couragierte Vorschläge machen.

Wie man die Zugangsregeln für das Priesteramt lockert?

Welche Möglichkeiten es gibt. Zölibat muss nicht unbedingt Pflicht für die Eucharistiefeier sein. Zölibat bedeutet, dass ein Mann oder eine Frau sich verpflichtet, ehelos zu leben. Wenn ich überlege, was ich erlebt habe: Hätte ich mir das leisten können, wenn ich Frau und Kinder hätte? Wäre dann nicht meine erste Aufgabe, für die Frau und die Kinder da zu sein und nicht mein Leben zu riskieren? Ein Vorschlag wird sein, dass man Zölibat und Eucharistiefeier entkoppelt. Dass die Eucharistiefeier von einem zölibatären Priester abhängig gemacht wird, da mache ich nicht mit.

Sie müssen doch mitmachen.

Das hat sich insoweit geändert, als wir dem Papst Vorschläge machen können. Mein Besuch beim Papst war außergewöhnlich, ich war in Privataudienz bei ihm (Anfang April dieses Jahres; Anm.). Ich habe der Bischofskonferenz (Brasiliens; Anm.) berichtet. Höchstwahrscheinlich wird eine Kommission gegründet, die den Ball auffängt und berät: Wie können wir dem Papst helfen. Er fordert von uns Vorschläge, er will sie.

Rechnen Sie damit, dass Franziskus derartige Reformen umsetzt?

Ich hoffe es. Dieser Prozess war bisher nicht erlaubt. Benedikt XVI. hat gesagt, wir beten um Priesterberufungen. Bei diesem Papst ist es anders. Er will einen Prozess in Gang bringen. Das ist das Neue. Da gib es Türen, die sich öffnen.

Zur Priesterweihe für Frauen hat Franziskus gemeint: Diese Tür ist geschlossen.

Solange eine Tür da ist... Die Tür ist nicht vermauert. Dass unter diesem Papst die Frauenordination kommt, das denke ich nicht.

Sollte die Tür geöffnet werden?

Ja, aber ich will da nicht vorgreifen.

Haben Sie jemals schon jemandem die Kommunion verweigert?

Nie. Das wäre ein Skandal. Wer bin ich, dass ich die Kommunion verweigere? Betroffene müssen das mit ihrem Gewissen entscheiden.

Franziskus kritisiert die Wirtschaft scharf. Wie viel Kapitalismuskritik ist für die katholische Kirche verträglich?

Da spricht der Papst als Lateinamerikaner. Es fragt sich, wer Subjekt ist: die Wirtschaft oder die Menschen, für die sie da sein sollte? Da verwischen sich Dinge auch hier.

Manche konstatierten einen Linksruck in der Kirche...

Der Wahnsinn besteht darin, Befreiungstheologie als marxistisch zu stigmatisieren. Die Befreiungstheologie ist biblisch.