Samstag, 14. Juni 2014

Fifa zensiert Indio-Protest bei Eröffnungsfeier der WM

Werá Jeguaka Mirim mit traditionellem Kopfschmuck und Protestbanner "Demarcação"

TAZ-Blog, 14.6.2014
Indigenen-Protest zum WM-Auftakt (aktualisiert): Von der Fifa zensiert
“Demarcação já! – Landausweisung jetzt!” Mit diesem Banner protestierte der 13-jährige Guarani-Indígena Werá Jeguaka Mirim aus dem Dorf Krukutu ganz im Süden von São Paulo Minuten vor dem WM-Anpfiff gegen die Indianerpolitik des brasilianischen Staates.
(Mit vielen Fotos und Links)

Morgenpost, 14.6.2014
Fifa zensiert Indio-Protest bei Eröffnungsfeier der WM
Das Spruchband eines 13-jährigen Jungen, auf dem bessere Lebensumstände für Indios gefordert werden, war im Fernsehen nicht zu sehen. Die Fifa wünscht keine politischen Äußerungen bei der WM.

Die Szene haben vermutlich alle noch vor Augen, die sich die Eröffnungsfeier der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien vor dem heimischen Bildschirm am Donnerstagabend angeschaut haben.

Allein in Deutschland haben über sieben Millionen zugesehen. Nach allerhand Gesang und akrobatischen Übungen betraten drei Kinder den Rasen des Corinthians-Stadions in Sao Paulo. Sie hielten weiße Tauben in ihren Händen, die sie im Mittelkreis fliegen ließen, umringt von den Spielern des Gastgeber-Landes.

Eines der Kinder war weiß, eines dunkelhäutig und eines indigener Abstammung. Sie sollten damit symbolisch stehen für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen des größten und bevölkerungsreichsten südamerikanischen Landes. Und die Friedenstauben sollten symbolisieren, wie gut alle miteinander klarkommen.

13-Jähriger Indio-Junge protestiert mit Spruchband

Allerdings bekamen die TV-Zuschauer weltweit etwas nicht mit, was dem Indio-Jungen sehr wichtig war. Er enthüllte, nachdem er seine Taube freigelassen hatte, ein Spruchband mit der Aufschrift "Demarcacao", was ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie "Abgrenzung".

Dieser kurze Moment wurde aus den Übertragungen, die mit Zeitverzögerung gesendet werden, herausgeschnitten. Der 13-jährige Fabio ist Angehöriger des Volkes der Guarani, das nahe Sao Paulo lebt und das immer weiter an den Rand gedrängt wird.

Über die Zensur berichten mehrere überregionale brasilianische Medien. Und, dass den WM-Organisatoren ebenso wie dem Weltverband Fifa nicht daran gelegen ist, auf die Probleme der Ureinwohner hinzuweisen.

Die Guarani fordern mehr Lebensraum

Fabio tat dies dann wenigstens verbal. Er war auch gar nicht erstaunt darüber, dass sein Protest nicht im Fernsehen zu sehen war. "So etwas wollen die nicht zeigen", sagte er, "die wollen Frieden zwischen den Völkern zeigen, dass alles schön und toll ist. Aber die Situation hier ist eine andere."

Demnach lebt das Volk der Guarani auf begrenztem Raum unter sehr erschwerten Lebensbedingungen. Und es wartet darauf, dass Politiker endlich wie versprochen ein Gesetz unterschreiben, in dem ihnen ein größeres Gebiet zum Leben zugebilligt wird. Die Eröffnungsfeier hätten die Guarani deshalb als gute Möglichkeit gesehen, auf ihre Situation hinzuweisen. Sie seien nicht gegen die Weltmeisterschaft an sich. Seit Tagen demonstriert das Volk auch schon gegen seine Lebensumstände.


Süddeutsche Zeitung, 15.6.2014
Protest bei WM-Eröffnung
Millionen Augen auf einen kleinen Brasilianer
Sein Dorf ist stolz auf ihn: Beim WM-Eröffnungsspiel lässt der 13 Jahre alte Werá Jeguaka Mirim vom Volk der Guaraní zunächst eine Friedenstaube in die Luft steigen - danach startet der Ureinwohner seine Protestaktion

Manchmal öffnet die Welt ein winziges Fenster. Oder jemand reißt es auf, und plötzlich steht ein Unbekannter ganz kurz im Mittelpunkt. Dann ist nur noch die Frage, ob ihm auch wirklich jemand zuschaut. Das war zunächst das Problem des Werá Jeguaka Mirim. Dabei richteten sich zunächst Hunderte Millionen Augen auf den 13 Jahre alten Brasilianer, als er gemeinsam mit zwei Landsleuten am vergangenen Donnerstag in der Arena Corinthians von São Paulo diese Fußball-WM eröffnete.

Fifa-Patron Joseph Blatter und Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff blieben aus Angst vor Pfiffen stumm, stattdessen durfte dieser indianische Schüler gemeinsam mit einem hellhäutigen Jugendlichen und einem dunkelhäutigen Mädchen Friedenstauben in den Himmel entlassen.

Werá Jeguaka Mirim aus dem Volk der Guaraní trug dabei auf dem Kopf traditionellen Federschmuck und ansonsten wie seine beiden Mitstreiter Kleidung in neutralem Weiß. So viel bekam das Publikum im Stadion und vor den Fernsehern noch mit. Die Geste sollte im Auftrag der Funktionäre völkerverbindend wirken.

Als er den Platz verließ, zückte Werá Jeguaka Mirim jedoch ein rotes Transparent, das er in der Hosentasche versteckt hatte. Darauf stand: "Demarcação". Abgrenzung. Es ist das Motto der brasilianischen Ureinwohner, die eigenen Grund und Boden fordern, denn seit Jahrhunderten bestimmt die weiße Oberschicht. Aber die Kameras und die meisten Blicke wendeten sich da schon wieder ab und dem Anstoß zu, kurz darauf gewann Brasilien 3:1 gegen Kroatien.


ORF, 28.6.2014
WM-Pokal-Ausstellung abgebrochen
Bei Protesten von etwa 2.500 WM-Gegnern ist es in Brasilia zu Tumulten gekommen. Die Polizei war mit massiven Kräften in der Hauptstadt im Einsatz und setzte Tränengasgranaten ein. An der Protestaktion beteiligten sich auch rund 300 Indios, die mehr Rechtssicherheit für Landflächen und Reservate forderten. Wegen der Demonstration wurde die Ausstellung des WM-Pokals, der zurzeit in Brasilia ist, aus Sicherheitsgründen abgebrochen.

Frankfurter Rundschau, 28.5.2014
Indianer protestieren gegen die WM
Rund 300 Indios haben gemeinsam mit mehr als 2000 Demonstranten in Brasiliens Hauptstadt Brasilia gegen die Fußball-WM demonstriert.

NZZ, 28.5.2014
FOTOSTRECKE: Indianer protestieren gegen Fussball-WM
In Brasilien hat die Fussball-Weltmeisterschaft wiederholt den Unmut der unterschiedlichsten Gruppen hervorgerufen. Erstmals schlossen sich den Protesten auch Indianer an.