Der Standard, 19. Februar 2020
Die marginalisierte Frau in der katholischen Kirche
Der Papst perpetuiert eine "Struktur der Kirche", die von der ungleichen Behandlung der Geschlechter ausgehen muss
Kommentar der anderen von Gunda Werner
Nur die Kraft und die Zärtlichkeit der Mutter Maria? Im Gastkommentar ist das von Papst Franziskus formulierte Frauenbild für die Theologin Gunda Werner "nicht nur nicht mehr vermittelbar, sondern auch angesichts der katastrophalen Situation im Amazonasgebiet fatal".
Ein gutes Leben für alle, soziale und ökologische Gerechtigkeit, die Anerkennung der Kulturen und die Rettung der Natur: Es ist eine hoffnungsvolle Vision, die sich Papst Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" ("Geliebtes Amazonien") entwirft. In den ersten drei Kapiteln seiner Zusammenschau der Amazonassynode entspricht der Pontifex über weite Strecken – und mit der gebotenen christlichen Pointierung – den Forderungen ökologischer, christlicher und gesellschaftspolitischer Gruppen in Lateinamerika. Im vierten Kapitel "Eine kirchliche Vision" hingegen nimmt er nicht nur Ergebnisse der Synode nicht auf, sondern zerstört zugleich die Hoffnungen vieler Menschen auf eine Veränderung und Bewegung innerhalb der katholischen Kirche.
Die im Abschlussdokument der Synode von der Mehrheit der Bischöfe unterstützte Priesterweihe verheirateter Männer ("Viri probati") erwähnt der Papst mit keinem Wort, der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern erteilt er eine zwar langwierig formulierte, aber dadurch nicht weniger klare Absage. Das mag frustrieren, sollte aber nicht verwundern, entspricht es doch der kirchlichen Lehre. Mindestens verwundern dürfen dann allerdings doch einige Argumentationslinien dieses vierten Kapitels. Schließlich ist ebenjener Papst, der darin für die "entschlossene Verteidigung der Menschenrechte" eintritt, Staatsoberhaupt eines der wenigen Länder, die die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen bis heute nicht unterschrieben haben.
"Besondere" Würde
Außerdem: Würde der Vatikan wirklich entschlossen für die Rechte aller Menschen eintreten, könnte Franziskus nicht so ungebrochen eine "Theologie der Frau" vertreten, wie er es in seinem nachsynodalen Schreiben tut. Demnach leisten Frauen nämlich "ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben". Gott selber sei es, der "seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun" wolle, nämlich dem männlichen des göttlichen Sohnes und dem weiblichen der Mutter Maria.
In dieser Logik verwundert es nicht, dass Frauen vor allem deshalb nicht zu Weiheämtern zugelassen werden sollen, um sie vor Klerikalismus und Funktionalisierung zu bewahren. Und auch die Kirche selbst würde nach Ansicht des Papstes durch die Frauenweihe verarmen, weil der spezifische Beitrag der Frauen dann nämlich fehlte. Mit dieser Hervorhebung der besonderen Würde und Aufgabe der Frauen im Vorbild Marias, der zugleich eine Idealisierung des Priesterbildes als "Zeichen des Hauptes, das die Gnade vor allem im Feiern der Eucharistie ausgießt", gegenübergestellt wird, führt Franziskus eine Theologie fort, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert hat. Eine Theologie, die Frauen durch ihre Beschränkung auf das empfangende, dienende, passive "marianische" Prinzip gegenüber dem aktiven, gebenden, männlichen, in der Tradition Christi stehenden "petrinischen" Prinzip marginalisiert und lehramtlich legitimiert, dass Frauen in der katholischen Kirche zwar die gleiche Würde, aber eben nicht die gleichen Rechte haben wie Männer. Es ist daher ausgesprochen irreführend, nach außen für die allgemeinen Menschenrechte einzutreten, nach innen aber eine "Struktur der Kirche" zu perpetuieren, die von einer ungleichen Behandlung der Geschlechter ausgehen muss.
Fatales Frauenbild
Auch einem der allgemein anerkannten Grundsätze der Entwicklungspolitik, dem zufolge das weltweite Armutsproblem untrennbar mit der ungerechten Verteilung der Güter und der strukturellen Benachteiligung von Frauen zusammenhängt, erteilt der Papst mit seinem Beharren auf dem marianischen und petrinischen Prinzip – und damit der Nichtgleichstellung der Frauen – eine klare Absage. Denn dass die Genderfrage kein Luxusproblem der reichen Länder, sondern Dreh- und Angelpunkt der weltweiten Armutsbekämpfung ist, erkannten und benannten bereits die UN-Konferenz für Entwicklung und Bevölkerungswachstum in Kairo 1994 und die UN-Frauenkonferenz in Peking 1995. Bereits damals hat der Vatikan beide Konferenzen aufs Schärfste kritisiert, weil die dort geforderte Gleichberechtigung der Frau eben eine wirkliche Gleichberechtigung bedeutet hätte.
Heute, ein Vierteljahrhundert nach diesen Konferenzen, ist das von Franziskus formulierte Frauenbild nicht nur nicht mehr vermittelbar, sondern auch angesichts der katastrophalen Situation im Amazonasgebiet fatal. Die Frauenfrage ist eben keine allein binnenkirchliche Frage einer von Gott gewollten inneren Struktur der Kirche, und daher ist doch zu befürchten, dass das päpstliche Schreiben vor allem jenen Kräften Vorschub leistet, die der Gleichberechtigung der Geschlechter den Kampf angesagt haben. Ob jedoch gerade diese Kräfte willens und fähig sind, dem Papst bei der Verwirklichung seiner Vision von ökologischer und sozialer Gerechtigkeit für sein "geliebtes Amazonien" zur Seite zu stehen, darf zumindest bezweifelt werden. (Gunda Werner, 19.2.2020)
Religion.orf.at, 19.2.2020
Theologinnen zu Papst-Schreiben: Fatales Frauenbild
Neben der Grazer Dogmatikprofessorin Gunda Werner attestiert auch die Ordensfrau Melanie Wolfers dem neuen Papst-Schreiben „Querida Amazonia“ ein fatales Frauenbild. Die Vatikanistin Gudrun Sailer meint, man müsse „westliche Denkmuster“ ablegen.
Gunda Werner: Franziskus vertritt eine im 19. Jahrhundert entstandene Theologie mit heute überholten Geschlechterrollen
Ordensfrau Melanie Wolfers: „Peinlich berührt“
Vatikanistin: Papst verweigert Machtwort
Die österreichische Redakteurin bei Radio Vatikan, Gudrun Sailer, analysiert das Schreiben aus einer anderen Perspektive. Noch selten habe ein Schreiben von Papst Franziskus so viel Zustimmung bei konservativen und so viel Enttäuschung bei reformorientierten Kräften der katholischen Kirche ausgelöst wie „Querida Amazonia“, lautet ihr Befund. Der Papst habe sich den hohen Erwartungen in Bezug auf das priesterliche Amt entzogen.
kfd, 12.2.2020
Statement der kfd zum Abschlussdokument zur Amazonas-Synode
Das vorliegende Papier ist ein herber Schlag für alle Frauen, die auf ein starkes Signal zur Gleichberechtigung in der katholischen Kirche gehofft haben.
Es ist uns absolut unerklärlich, wie nach den zentralen Erkenntnissen aus der Amazonassynode eine so vernichtende Ansage kommen kann:
Einerseits wertschätzt das Papier die Leistung von Frauen, die "jahrhundertelang ... die Kirche ... mit bewundernswerter Hingabe und leidenschaftlichem Glauben aufrecht [hielten]."
Gleichzeitig wird ihnen indirekt Machtgier vorgeworfen, weil die Frauen einfordern, dass ihre gepriesenen Charismen und ihr Einsatz für eine lebendige Kirche mit einer Weihe anerkannt werden. Mit diesem Vorwurf offenbart das Papier, dass die Frauenfrage eine Machtfrage darstellt.
Süddeutsche Zeitung, 16.2.2020
Gescheiterte Erneuerung:
Katholische Kirche? Es reicht!
Totale Unfähigkeit zur Reform: Die Ausgrenzung der Frauen und der zölibatäre Zwang für die Priester hat schon so viel Unheil angerichtet.
kreuz-und-quer, 13.2.2020
Katholische Frauen wollen Gleichberechtigung
Papst Franziskus macht mit dem Ausschluss von Frauen weiter
Wenn also Frauen ein Bild und Gleichnis nur von Maria sind, warum werden dann Frauen im Namen Christi getauft? Warum werden sie bei der Taufe zu Priesterinnen, Prophetinnen und Königinnen berufen, womit sie doch Anteil erhalten am Priesteramt, Prophetenamt und Königsamt Christi? Wie sollen sie den Begriff „Imitatio Christi“ verstehen, der für jede Art christlicher Spiritualität so fundamental ist? Und vor allem: Auf welcher Grundlage sollen sie erlöst werden, wenn sie an der Ebenbildlichkeit mit Christus keinen Anteil haben?
Redaktion Feinschwarz 18. Februar 2020
In persona mariae:
Das nachsynodale Schreiben Querida Amazonia und seine Folgen für die Frauen
In den wenigen Tagen seit Erscheinen des nachsynodalen Schreibens Querida Amazonia gibt es sehr viele gegensätzliche Einschätzungen des päpstlichen Dokuments. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller unternimmt mit spitzer Feder „Theologische Rettungsversuche in Form einer Glosse und zugleich kirchenrechtlichen Optionierung“.
Süddeutsche Zeitung, 16.2.2020
Frauen wollen an den Altar
Die Theologin Elfriede Schießleder ruft die katholische Kirche zu Reformen auf
Die Furche, 26.2.2020
Der Papst und die Frauen: „Wir sind nicht mehr ‚zärtlich‘“
Die Moraltheologin Angelika Walser übt heftige Kritik am Frauenbild im Schreiben „Querida Amazonia“ von Papst Franziskus.
Katholisch.de, 6.3.2020
Papstaussagen jedoch keine Geringschätzung des weiblichen Geschlechts
Theologin: Kein Spielraum mehr für Priesterweihe von Frauen
Für die Priesterweihe von Frauen sieht die Theologin Katharina Westerhorstmann "keinen Spielraum mehr". Sie verteidigt zudem die jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zur Rolle der Frau – und sagt, warum es eigentlich auch keine Diakoninnen braucht.
Katholisch.de, 11.3.2020
Franziskus verharre bei "alten Mustern kirchlicher Reformdiskussionen"
Haslinger: Aussagen des Papstes zu Frauen sind Widerspruch in sich
"Querida Amazonia" macht den Pastoraltheologen Herbert Haslinger "ziemlich ratlos". Zu widersprüchlich findet er die Aussagen des Papstes. Beim Synodalen Weg über Zulassungsbedingungen zum Priesteramt zu diskutieren, hält der Theologe für sinnlos.
Katholisch.de, 23.3.2020
Salzburger Neutestamentlerin zur Frauenweihe
Warum auch Frauen Priester werden können
Warum dürfen Frauen keine Priester werden? Weil nur ein Mann den Mann Jesus Christus repräsentieren könne, heißt es oft. Die Salzburger Neutestamentlerin Marlis Gielen hält ihn ihrem Gastbeitrag dagegen – und begründet ihre Sicht mit der Bibel und einem ganz zentralen Sakrament.