Dienstag, 9. August 2011

Bischof Erwin Kräutler zum Tag der indigenen Völker

Erzdiözese Wien, (09.08.2011)
Tag der indigenen Völker
Der 9. August ist weltweit der "Tag der indigenen Völker". Bischof Erwin Kräutler sieht in Brasilien noch keine Gleichstellung zum Rest der Bevölkerung.

"In den 80er Jahren haben wir uns sehr - zusammen mit den indigenen Vertretern - dafür eingesetzt, dass die Rechte der indigenen Völker in die brasilianische Verfassung kommen und das ist uns gelungen. Das war eine Wende für Brasilien, denn vorher hat man die Indios als Minderwertige angesehen und hat sie den geistig Defizienten gleich gestellt, das heißt, sie brauchten einen Vormund und das war der Staat", erzählt Bischof Erwin Kräutler am Dienstag, 9. August 2011, dem Tag der indigenen Völker, im Gespräch mit Radio Stephansdom.

Der gebürtige Österreicher lebt seit Jahrzehnten in Brasilien und setzt sich dort für die Rechte der Indios ein. Momentan kämpft er gegen das Staudammprojekt Belo Monte, das die Indios in einer ersten Baustufe vom Fluss abschneiden wird, bevor ihre Gebiete in weiteren Baustufen überflutet werden.

Verfassung nicht umgesetzt
Nach der neuen Verfassung der 80er Jahre hätten die Indios ihr Recht auf ihr angestammtes Gebiet, ihre kulturellen Ausdruckformen und ihre Sprache bekommen, so Bischof Kräutler. Es sei ein Siegeserlebnis gewesen, das damals groß gefeiert wurde. Nur leider sei der Sprung vom Gesetzesbuchstaben in die Realität bis heute nur teilweise erfolgt. So seien den Indios abgegrenzte Gebiete zugesprochen worden, aber gerade einmal bei der Hälfte der Gebiete sei das bis heute passiert. "Diese nicht abgegrenzten Gebiete sind immer noch die Zielscheibe von allen möglichen Eindringlingen, da geht es um Großgrundbesitzer, um Bergwerksgesellschaften und vor allem um Holzfäller, die nichts und niemanden respektieren. Unser Kampf geht weiter. Wir sagen, wenn die indigenen Gebiete und Völker nicht respektiert werden, dann ist das ein eklatanter Verfassungsbruch", so Bischof Kräutler.

Vom Fluss abgeschnitten
Im Zusammenhang mit dem Staudammprojekt Belo Monte werde die Geschichte makaber. "Die Gebiete werden respektiert, aber man geht so weit, dass das Überleben der Indios unmöglich gemacht wird", erklärt der Bischof. So werden zwar bei der ersten Staustufe keine indigenen Gebiete überflutet, doch die Indios werden vom Wasser abgeschnitten. Da sie vom Fischfang leben, wird ihnen damit die Lebensgrundlage entzogen. "Das ist ein Angriff auf die indigenen Völker", so Bischof Kräutler. Der Kampf sei aber noch nicht verloren, noch zwölf weitere Prozesse gegen den Staudamm seien noch offen, man wisse also nicht, was in den nächsten Wochen noch passieren werde.

Auch in der restlichen Bevölkerung sei das Projekt umstritten, so würden alleine von einer 105.000 Einwohner zählenden Stadt ein Drittel überflutet werden. "Das sind 30.000 bis 40.000 Menschen, die umgesiedelt werden müssen und die keine Ahnung haben, wohin und wie es weiter geht. Nur einige Politiker und Geschäftsleute sind für das Projekt, weil sie das große Geld wittern."

Die Aufmerksamkeit ist gut
Der "Tag der indigenen Völker" sei zwar eine Erfindung der weißen Bevölkerung, trotzdem findet der Bischof den Tag gut. "Ich finde es gut, weil die indigenen Völker so ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Es ist aber kein Feiern, sondern ein Besinnen. Wir müssen uns darauf besinnen, dass diese Leute Rechte haben, das Recht auf Leben, das Recht auf ihre kulturelle Ausdrucksform und ihre Sprache", so Bischof Kräutler.


Adveniat-Pressemitteilung vom 08.08.2011
Adveniat fordert Gleichberechtigung für Ureinwohner
„Seit nunmehr 50 Jahren versucht Adveniat der lateinamerikanischen Urbevölkerung Gehör zu verschaffen“, so Adveniat-Geschäftsführer Prälat Bernd Klaschka anlässlich des Internationalen Tages der indigenen Völker, „damit sie langfristig ihren bedrohten Lebensraum verteidigen, ihre kulturelle Identität und indigene Spiritualität bewahren und wiederbeleben kann.“ Das Hilfswerk werde auch nach fünf Jahrzehnten nicht müde, sich für das Recht jedes Menschen auf ein Leben in Fülle einzusetzen.
„Die Rechte der Ureinwohner werden vielerorts mit Füßen getreten“. Beispielsweise in der brasilianischen Diözese Xingu, in der die indigenen Völker aufgrund des geplanten Megastaudammes Belo Monte von Vertreibung und Entwurzelung bedroht seien. „Ihnen wird das Recht auf Heimat genommen“, beklagte Klaschka.


Ö1-Wissen, 9.8.2011
Viele Ureinwohner sind von Vertreibung bedroht
Als "indigene Völker" bezeichnet man die Ureinwohner eines Landes oder einer Region. In vielen Teilen der Welt sind sie und ihr Lebensraum bedroht. Um darauf aufmerksam zu machen gibt es den "Tag der indigenen Völker".

deutschlandfunk, 9.8.2011 (auch Audio)
Aufstand gegen Brasiliens Staudamm Belo Monte
In Brasilien spitzt sich derzeit der Protest gegen den Bau des gigantischn Belo-Monte-Staudamm zu. Seit Jahren wird um den Bau des geplanten drittgrößten Staudammes der Welt gestritten. Leidtragende des Megaprojekts: die indigene Bevölkerung und der Regenwald.