Blickpunkt Lateinamerika, 31.7.2012
Korruptionsprozess bedroht Lulas Hinterlassenschaft
Am 2. August beginnt Brasiliens Oberstes Gericht (STF) einen der Aufsehen erregendsten Prozesse in der Geschichte des südamerikanischen Landes. Der 2005 losgetretene "Mensalão"-Skandal um die illegalen Zahlungen an Parlamentarier hätte damals fast zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Lula da Silva geführt. Wenn der Prozess nach sieben Jahren nun endlich vor die Richter kommt, steht neben dem Schicksal der 38 Angeklagten auch Lulas politisches Vermächtnis auf dem Spiel. Zwar ist dieser nicht persönlich angeklagt. Bestätigt das STF jedoch die Existenz des "Mensalao" und verurteilt die einst engsten Mitarbeiter des Ex-Präsidenten, wird dieser wohl kaum mehr glaubhaft sein Unwissen beteuern können.
Frankfurter Allgemeine, 1.8.2012
Korruptionsskandal in Brasilien:
Prozess um den großen Monatslohn
01.08.2012 · Die Liste der Anschuldigungen ist lang: Korruption, Veruntreuung, Betrug und Bandenbildung. In Brasilien beginnt der Prozess um den größten Korruptionsskandal des Landes. Angeklagt sind 38 frühere Minister, Parlamentarier, Unternehmer und Banker.
Vor dem Obersten Bundesgericht Brasiliens beginnt an diesem Donnerstag der Prozess um einen der größten Korruptionsskandale in der Geschichte des Landes - den sogenannten Mensalão („großer Monatslohn“). Sieben Jahre dauerten die Ermittlungen, mehr als 50.000 Seiten Akten wurden angehäuft, rund 600 Zeugen verhört. Insgesamt stehen nun 38 frühere Minister, Parlamentarier, Unternehmer und Banker vor Gericht. Ihnen werden unter anderem Korruption, Veruntreuung, Geldwäsche, Betrug und Bandenbildung vorgeworfen.
Im Zentrum des Verfahrens steht der Kauf von Stimmen im Parlament zwischen 2003 und 2005, also während der ersten Amtszeit von Luiz Inácio Lula da Silva als Staatspräsident. Lulas Arbeiterpartei (PT), der auch die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff angehört, soll damals Abgeordnete anderer Parteien mit monatlichen Zahlungen von umgerechnet gut 8000 Euro zur Stimmabgabe für Projekte der Regierung bewegt haben. Der Tageszeitung „O Globo“ zufolge sollen so im Lauf der Jahre mindestens 101,6 Millionen Reais (mehr als 25 Millionen Euro) an Korruptionsgeldern geflossen sein. Um diesen Geheimfonds der PT zu finanzieren, sollen unter anderem Gelder aus Staatsbetrieben, etwa der Banco do Brasil, veruntreut worden sein.
Frankfurter Rundschau, 3. August 2012
Brasilien Korruptionsprozess: Millionen aus den Staatsbetrieben
In Brasilien beginnt der größte Prozess gegen Korruption in der Geschichte des Landes. Vor Gericht stehen 40 Angeklagte, die in ein geheimes Bestechungssystem verwickelt sind, mit dem sich die Regierung des früheren Präsidenten Lula das Wohlverhalten von Parlamentariern erkauft haben soll.
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Rio de Janeiro –
Es ist der spektakulärste Prozess seit der Demokratisierung in Brasilien vor 26 Jahren. Vor Gericht stehen 40 Angeklagte, die in ein geheimes Bestechungssystem verwickelt sind, mit dem sich die Regierung des früheren Präsidenten Lula das Wohlverhalten von Parlamentariern erkauft haben soll. Einige drohen auszupacken, das Fernsehen überträgt live aus dem Obersten Gericht, und viele Politiker sind nervös: Wie wird sich der Prozess auf die Kommunalwahlen im Herbst auswirken? Und wird das Ansehen des – nicht angeklagten – Lula beschädigt?
„Ich schäme mich nicht zu sagen, dass wir uns entschuldigen müssen“, räumte Präsident Lula im August 2005 kleinlaut ein, als der Skandal ans Tageslicht gekommen war. Lulas sozialdemokratische Arbeiter-Partei PT hatte, so die Anschuldigungen, kleinere Bündnisparteien und deren Abgeordnete durch monatliches Bestechungsgeld – die Vokabel dafür, „mensalão“, gab dem Skandal seinen Namen – auf Linie gebracht. Ein vermutlich dreistelliger Millionenbetrag wurde nach und nach bei Staatsbetrieben abgezapft und in die Politik geleitet.