Dienstag, 30. September 2014

Living Planet Report 2014: Keine Spur von "Nachhaltigkeit"

WWF, September 2014
Living Planet Report 2014 - Globaler Burn-Out

Ozeane werden überfischt, Wälder gerodet, das Klima kippt und wir beobachten das größte Artensterben seit Verschwinden der Dinosaurier. Die Ergebnisse des Living Planet Report 2014 sind eindeutig: Wir gehen mit der Erde alles andere als nachhaltig um, denn wir entziehen uns und unseren Kindern die Lebensgrundlagen in atemberaubender Geschwindigkeit. Damit treibt die Menschheit ihren eigenen Planeten in einen gefährlichen Burn-Out. Zusammengenommen verbrauchen wir jedes Jahr 50 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde innerhalb dieses Zeitraums regenerieren und damit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Machen wir so weiter, benötigen die Menschen bis zum Jahr 2030 zwei komplette Planeten, um den

Bedarf an Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Bis zum Jahr 2050 wären es knapp drei Erden. Alle zwei Jahre misst die Naturschutzorganisation WWF mit dem Living Planet Report die Veränderungen der weltweiten Biodiversität und des menschlichen Konsums. Die Studie zum Zustand der Erde wird gemeinsam mit der Zoologischen Gesellschaft London (ZSL) und dem Global Footprint Network (GFN) erstellt.

Tierbestände nehmen drastisch ab

Der Rückgang der Biodiversität macht die Überlastung des Planeten greifbar: Der Living Planet Index zeigt, dass zwischen 1970 und 2010 die beobachteten Tierpopulationen um 52 Prozent zurückgegangen sind. Mit anderen Worten: Im Durchschnitt hat sich die Zahl der Säugetiere, Vögel, Fische und Pflanzen halbiert. In den Tropen war der Rückgang insgesamt drastischer, in Lateinamerika sind die Verluste mit 83 Prozent am höchsten.

Hauptursachen sind Lebensraumzerstörung, Wilderei und Überfischung. Der Klimawandel wird in den nächsten Jahren die Natur mit einem noch größeren Anpassungsdruck konfrontieren.

Der Living Planet Report zum Download



Kommentare:

Süddeutsche, 30.9.2014
Mensch halbiert die Zahl der Wirbeltiere binnen 40 Jahren
Die Zahl der ausgestorbenen Tiere ist sehr viel höher, als bislang angenommen - das zeigt die Umweltorganisation WWF in einem aktuellen Bericht auf. Binnen vier Jahrzehnten sei die Zahl der Wirbeltiere um 39 Prozent zurückgegangen.

Focus, 30.9.2014
Jagen, Fischen , Lebensraumzerstörung
Mensch verdrängte in 40 Jahren die Hälfte der Wirbeltiere
Um 39 Prozent ist die Zahl der Land-und Meerestiere seit 1970 zurückgegangen. Grund ist der Mensch, der die Tiere jagt, fischt und ihren Lebensraum einnimmt. Damit bedroht die Menschheit auch ihre eigene Zukunft.

Mittwoch, 24. September 2014

UN-Klimagipfel - Am Ende steht nur eine Erklärung

UN-Sondergipfel zum Klimawandel in New York 
ORF.at, 24.9.2014
UNO-Klimagipfel bringt dürftige Ergebnisse

Trotz eines Bekenntnisses zum stärkeren Engagement gegen die Erderwärmung hat der New Yorker UNO-Klimagipfel wenig greifbare Fortschritte gebracht. Nach Abschluss der Konferenz gestern klaffte im UNO-Klimafonds immer noch eine Finanzierungslücke von 7,7 Milliarden Dollar, weil es kaum neue Zusagen gab. Umweltschutzorganisationen bezweifelten, dass vom Gipfel wirklich der Schwung für ein weitreichendes globales Klimaschutzabkommen ausgeht, den sich UNO-

Generalsekretär Ban Ki Moon erhofft hatte.
Der Klimawandel bedrohe den Frieden, den Wohlstand und die Zukunftsperspektiven von Milliarden Erdbewohnern, sagte Ban zum Auftakt des eintägigen Treffens. Deswegen sei der Sondergipfel einberufen worden, „um Geschichte zu schreiben“. Das Ergebnis fiel aber wenig historisch aus. Zwar versprachen über 120 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt grundsätzlich mehr Einsatz gegen die Erderwärmung. Und auch die USA und China, die beiden Nationen mit dem höchsten Treibhausgasausstoß, schlossen sich dem Bekenntnis an.

Doch auf der Zahlenseite schlug sich das kaum nieder: Für den vor fünf Jahren beschlossenen Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen seien inzwischen 2,3 Milliarden Dollar (umgerechnet 1,8 Milliarden Euro) von den Mitgliedstaaten zugesagt worden, davon jeweils eine Milliarde von Deutschland und Frankreich, sagte Ban. Doch Deutschland hatte sein Versprechen schon vor dem Gipfel gegeben. Und bis zum Jahresende soll das Zielvolumen von zehn Milliarden Dollar erreicht sein.

Kritik von Umweltorganisationen
Die Nichtregierungsorganisationen ActionAid und Greenpeace kritisierten, dass der Gipfel nur „vage Versprechen“ und kaum konkrete Ergebnisse hervorgebracht habe. Auch Oxfam konnte nur „eine teilweise und zögerliche Antwort“ auf die drängenden Umweltprobleme erkennen. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zog hingegen ein positives Fazit: Ein neues Klimaabkommen im Dezember 2015 in Paris sei nun „sehr wahrscheinlich“.

Abholzungen von Wäldern soll bis 2030 gestoppt werden
Am Rande des UNO-Klimagipfels sprachen sich zahlreiche Länder und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) für ein Ende der Abholzung von Wäldern auf der ganzen Welt bis 2030 aus. Schon 2020 solle die Abholzung weltweit halbiert sein, versprachen die Unterzeichner der „New Yorker Walderklärung“ gestern in New York. Außerdem sollen 350 Millionen Hektar - eine Fläche größer als Indien - wieder aufgeforstet werden. Bei der Waldvernichtung wird Kohlendioxid frei. Wächst ein Wald, nimmt er das Treibhausgas auf.

Größte Klimasünder nicht mit an Bord
Die Erklärung soll ein Signal an den Klimagipfel in New York sowie die für Ende 2015 geplante UNO-Klimakonferenz in Paris sein, bei der ein Klimavertrag mit verbindlichen Treibhausgas-Minderungszielen verabschiedet werden soll.

Allerdings haben nur 24 Länder die New Yorker Erklärung unterschrieben, beispielsweise Frankreich, Norwegen, Kolumbien, Südkorea und Togo. Die USA und China, die für einen großen Teil der CO2-Emisionen verantwortlich sind und sich bisher auch gegen verbindliche Minderungsziele bei den Treibhausgasen sperren, sind nicht dabei.


Spiegel-Online, 23.9.2014
UNO zum Klimawandel: "Größte Gefahr in der Geschichte der Menschheit"
Politiker haben auf dem Uno-Gipfel in New York eindringlich vor dem Klimawandel gewarnt. Die EU hat strikte Senkungen ihrer Treibhausgasemissionen angekündigt.

Tagesschau.de, 23.9.2014
Dossier: UN-Klimagipfel - Am Ende steht nur eine Erklärung
193 Länder haben auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen verhandelt. Ziel war eigentlich ein neues Klimaschutzabkommen. Ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Abkommen sollte gefunden werden, denn das Protokoll läuft 2012 aus. Das Ergebnis ist davon aber weit entfernt.

Dienstag, 23. September 2014

Wahlkampf: Marina da Silva bedrängt Präsidentin Rousseff


ORF.at, 23.9.2014
Wahlkampf in Brasilien
Knappes Rennen zeichnet sich ab
Der Wahlkampf in Brasilien spitzt sich zu - und wird immer mehr zum Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der amtierenden Präsidentin Dilma Rousseff und Ex-Umweltministerin Marina Silva, die nach dem Unfalltod des sozialistischen Kandidaten Eduardo Campos überraschend nominiert wurde. Rousseff setzt jetzt voll auf die Mobilisierung ärmerer Bevölkerungsschichten und warnt vor einer Einstellung des Sozialhilfeprogramms Bolsa Familia. Doch damit spielte sie erst recht Silva in die Hände, die nun einen ihrer größten Trümpfe ausspielt: ihre bewegende Lebensgeschichte.


Emotionale Reden und „Rousselfies“
Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff gerät zwei Wochen vor der Wahl immer mehr in Bedrängnis. Weil die Amtsinhaberin wirtschaftspolitisch wenig Überzeugendes vorzuweisen hat, setzt sie nun voll auf die Mobilisierung der ärmeren Bevölkerungsschichten. Doch auch dort läuft ihr Marina Silva, Ex-Umweltministerin und Kandidatin der Sozialisten, den Rang ab.

Sie habe während ihrer Amtszeit 22 Mio. Brasilianer aus extremer Armut befreit, betonte Präsidentin Rousseff unlängst auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Brasilia. Ihrer Konkurrentin warf sie dabei vor, die Bolsa Familia, die staatlichen Unterstützungsprogramme für die ärmsten Haushalte, abschaffen zu wollen, hätte Silva doch während des Wahlkampfs mehrfach ein ausgeglichenes Budget verlangt. Die Bolsa Familia ist eine Unterstützungsprogramm für Familien, dessen Leistungen an den Schulbesuch und Impfnachweise für Kinder gekoppelt ist. Fast 60 Mio. bedürftige Brasilianer stehen direkt oder indirekt auf der Empfängerliste für soziale Hilfen. Der übergeordnete Plan „Brasil sem Miseria“ („Brasilien ohne Elend“) hat ein klares Ziel: Jeder Brasilianer soll mindestens 70 Reais (26,83 Euro) im Monat zum Leben haben.

Wenige Tage später konterte Silva bei einem Wahlkampfauftritt in Fortaleza mit einer emotionalen Rede. Selbst in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen, wisse sie, was es bedeutet, nichts zu essen zu haben. Ihre Eltern hätten gehungert, um ihren Kindern ein kärgliches Mahl bieten zu können. „Jemand, der das erlebt hat, der würde die Bolsa Familia niemals abschaffen. Das sind keine leeren Worte. Das ist das Leben“, endete sie ihren Vortrag.

Rousseffs Vorsprung schmilzt dahin
Die Rede, die im Fernsehen übertragen wurde, könnte Silva nun ihrem Ziel ein Stück näher gebracht haben. Schnell verbreitete sich das Video, das mittlerweile als offizieller Wahlkampfspot dient, im Internet. Für große Teile der Bevölkerung ist Silva, als Tochter einer armen Kautschukzapferfamilie im Regenwald am Amazonas geboren, eine Identifikationsfigur, die ihren Einsatz für die notleidende Bevölkerung glaubhaft vermittelt.

Marina Silva gilt als ernstzunehmende Konkurrenz für Präsidentin Dilma Rousseff
Rousseff verdankt ihre Popularität bei der armen Bevölkerung primär den Errungenschaften ihres Vorgängers und politischen Ziehvaters Luiz Inacio Lula da Silva, der während seiner achtjährigen Präsidentschaft Einnahmen aus dem Rohstoffboom erstmals über Sozialprogramme auch an die Armen Brasiliens verteilte und dadurch trotz Wirtschaftskrise die Armutsrate deutlich senken konnte. Rousseff, die sich anders als Lula da Silva bisher wenig volksnah zeigte, versucht sich nun durch breite Social-Media-Kampagnen zugänglich zu zeigen. Dazu gehört etwa der Aufruf an die Fans „Rousselfies“ - Selfies mit der Präsidentin, für die sie sich bei Auftritten bereitwillig zur Verfügung stellt - zu twittern.

„Rousselfie“: Rousseff setzt im Endspurt ganz auf Social Media
Jüngsten Umfragen zufolge käme Rousseff im ersten Wahlgang derzeit auf 37 Prozent. Für Marina Silva würden 30 Prozent stimmen, Ex-Gouverneur Aecio Neves von der sozialdemokratischen Mitte-rechts-Partei PSDB käme auf 17 Prozent. Offen wäre der Ausgang der Stichwahl, die für den 26. Oktober terminiert ist. Da würde Silva den Umfragen zufolge derzeit mit 46 Prozent sogar knapp vor Rousseff (44 Prozent) liegen. Deutlich überlegen wäre Rousseff dagegen mit 49 Prozent bei einer Stichwahl gegen Neves (39 Prozent).

Wahlkampf ohne erhofften WM-Schub
Rousseff hatte sich von der Fußball-WM im eigenen Land einen Schub erwartet, der angesichts der massiven Proteste aber ausblieb bzw. ihre Popularität eher beschädigte. Die zahlreichen Demonstrationen, deren Initiatoren die mediale Öffentlichkeit nutzten, richteten sich gegen die gigantisch hohen Investitionen für den Bau von Stadien bei gleichzeitiger Vernachlässigung der sozialen Probleme im Land.

Doch homogen war die Protestbewegung nicht - ihr gehörten nach Meinung von Experten auch Menschen aus der Mittelschicht an, die mit dem sozialen Aufstieg der unteren Klassen unzufrieden sind. Die Enttäuschung, die Rousseff entgegenschlägt, ist also breit gestreut. Auf der anderen Seite stehen wiederum jene, die seit dem Amtseintritt von Rousseffs Vorgänger und Mentor Lula da Silva den Aufstieg aus bitterer Armut in die untere Mittelklasse geschafft haben - auch von vielen dieser deshalb noch immer treuen PT-Wähler kann sich Rousseff fixe Stimmen erwarten.

Doch die PT ist seit dem Amtsantritt von Rousseff-Vorgänger Lula da Silva immer wieder in große Skandale verwickelt. Zwar versuchte sich Rousseff immer wieder von den Skandalen zu distanzieren, aber ihre Nähe zu Lula da Silva, als dessen engste Mitarbeiterin sie jahrelang fungierte, lassen diese Beteuerungen kaum glaubwürdig erscheinen.

Silva als Option für die Enttäuschten?
Mehr Glaubwürdigkeit bringt nach Ansicht vieler Marina Silva mit. Ihre Herkunft aus ärmsten Verhältnissen bringt ihr Sympathien bei Angehörigen der Unter- als auch der unteren Mittelschicht. Weiters steht sie für einen immer größer werdenden Bevölkerungsanteil, nämlich Angehörige von evangelikalen Kirchen. Dadurch hat sie Zugang zu einer Wählerschicht, die Rousseff - bekennende Atheistin - verborgen bleiben. Allerdings ist sie für viele, auch innerhalb der PSB, gesellschaftspolitisch zu konservativ. Aus religiöser Motivation lehnt sie etwa Straffreiheit für Abtreibungen ab und stellt sich gegen die Homosexuellenehe.

Silva kann auch auf eine politische Vergangenheit verweisen, als sie unter Lula da Silva als Umweltministerin fungierte. Doch jene Jahre gestalteten sich für sie enttäuschend, zu wenig Sinn hatte Lula da Silva nach heutiger Darstellung Marina Silvas für Umweltfragen. Bei den Wahlen vor vier Jahren hatte sie aus dem Stand 19 Prozent für die Grüne Partei (PV) geholt.

Zwar wollte Marina Silva für die laufende Präsidentschaftswahl mit einer neuen, eigenen Partei ins Rennen gehen, das oberste Wahlgericht TSE versagte aber die Zulassung für die Wahl. Die Partei habe für die Registrierung nicht das vorgeschriebene Mindestquorum von 491.499 Wählerunterschriften erhalten, argumentierte das Gericht. Aus diesem Umstand heraus schloss sie sich der PSB unter Campos an, um als Vizepräsidentschaftskandidatin zu fungieren. Das dramatische Ableben Eduardo Campos’, der am 13. August bei einem Flugzeugunfall ums Leben kam, rückte sie schließlich endgültig ins Rampenlicht.

NZZ, 23.9.2014
Schlagabtausch zweier Frauen in Brasilien
Marina Silva erweist sich als lernfähige und ernstzunehmende Präsidentschaftskandidatin.
Brasiliens amtierende Präsidentin Dilma Rousseff hat wirtschaftspolitisch wenig Überzeugendes vorzuweisen, ist aber unter den Ärmeren populär. Nun fordert sie ausgerechnet eine Umweltaktivistin ohne Scheuklappen ernsthaft heraus.

Brasiliens amtierende Präsidentin Dilma Rousseff
The Wall Street Journal International, 22.9.2014
Unabhängigkeit der Zentralbank wird in Brasilien zum heißen Wahlkampf-Thema
Wie die Zentralbank eines Landes geführt werden soll, ist für gewöhnlich kein Thema für die Sonntagsreden von Politikern. Aber in Brasilien bekommen die Wähler mitten im Präsidentschaftswahlkampf eine Menge zu diesem Thema zu hören.


Ex-Umweltministerin und Herausforderin Marina da Silva
FAZ, 21.8.2014
Die neue Heldin der Protestwähler
Nach dem Tod ihres Kandidaten Eduardo Campos hat die Sozialistische Partei Brasiliens die frühere Umweltministerin Marina Silva nominiert. Damit hat Präsidentin Dilma Rousseff plötzlich eine Gegnerin, die ihr gefährlich werden könnte.


NZZ, 19.8.2014
Neue Herausforderin bedrängt Präsidentin Rousseff
Präsidentschaftskandidatin Marina Silva an der Beerdigung von Eduardo Campos. Präsidentschaftskandidatin Marina Silva an der Beerdigung von Eduardo Campos. (Bild: Reuters)
Nach dem tödlichen Unglück von Eduardo Campos übernimmt die ehemalige Umweltministerin Marina Silva die Kandidatur der Sozialisten. Erste Umfragen rechnen ihr gute Chancen aus.

Mittwoch, 17. September 2014

Österreich: erschreckender Sachstandsbericht Klimawandel 2014 veröffentlicht

ORF, 17.9.2014
Wetterextreme nehmen zu
Es ist ein beeindruckendes Konvolut, das Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) am Mittwoch präsentiert hat. Auf über tausend Seiten wurden erstmals die Dimensionen und Auswirkungen des Klimawandels auf Österreich umfassend dokumentiert - mit ernüchterndem Ergebnis. So trifft der Klimawandel den Alpen-Raum besonders stark. Im globalen Vergleich sind hier die Temperaturen seit 1880 besonders stark gestiegen. Die Folge sind Wetterextreme, wie sie sich zuletzt besonders gehäuft zeigten. Um gegenzulenken, müsse sich die Gesellschaft radikal ändern, so die Autoren.


Download des Klima-Berichts 

Austrian Panel of Climat Change (APCC)

Freitag, 12. September 2014

Bootstour "Bye, bye, Xingu" entlang der Großen Schleife des Xingu


Umweltaktivisten, Indigene und Fischer machten von 7.-11. September eine Boots-Verabschiedungsfahrt von Altamira entlang der Großen Schleife des Xingu. Drei Tage lang brauchten sie in 21 Booten für die mehr als 100 km, um einer wunderbaren Naturlandschaft Bye-bye zu sagen.

Die Große Schleife des Xingu befindet sich unterhalt der Staumauer und ist jener Teil bis zum Kraftwerk Belo Monte, der mit Inbetriebnahme des Kraftwerks kaum Wasser führen wird. Der Bestand von Fischen und Pflanzen wird sich dadurch stark verändern.


O Globo, 10.9.2014
Canoada pelo Rio Xingu, no Pará, protesta contra obras de Belo Monte
Ativistas ambientais, indígenas e pescadores artesanais estão reunidos.
Canoada é chamada de "Bye, bye, Xingu" e teve a largada em Altamira.

Os canoeiros largaram de Altamira, no Pará. Ao todo, 113 participantes, distribuídos em 21 canoas tradicionais, usadas por ribeirinhos e indígenas, aceitaram o desafio de navegar a remo pelo Rio Xingu. O percurso de mais de 100 quilômetros foi dividido em três etapas.

Canoada bye bye Xingu 

Instituto Socioambiental, 1.9.2014
Canoada vai se despedir da Volta Grande do Xingu

Donnerstag, 11. September 2014

Indios fordern Freigabe ihrer neuen Unterkunft in Altamira


Vertreter mehrerer indigener Gruppen haben am Mittwoch (10.9.) den Sitz der Nationalen Indio-Stiftung (FUNAI) in Altamira besetzt. Damit wollen sie die Freigabe des neu errichteten Indio-Hauses Casa do Índio erreichen. Dieses Gebäude soll ihnen als Unterkunft dienen, wenn sie von ihren entlegenen Siedlungen in die Stadt nach Altamira kommen.

Léo Xipaia beklagte, dass das Leben der Indios momentan in der Stadt wie das von Straßenkindern sei. "Wir schlafen auf der Veranda des Campus und wissen nicht, wo wir essen sollen."

In einer Aussendung teilt Norte Energie, das für den Bau im Rahmen der Umweltauflagen zuständige Bauunternehmen, mit, dass die Einrichtung bereits seit Monaten fertig sei und dass die behördlichen Maßnahmen der Übernahme durch FUNAI noch ausständig seien. Auf einer Fläche von 2.235 qm wurden 33 Wohneinheiten sowie ein Wasserreservoir mit 12.000 l errichtet.

O Globo, 10.9.2014
Índios ocupam Funai de Altamira em protesto contra Norte Energia
Tribos alegam que empresa deve entregar espaço de acolhimento.
Lideranças dizem que precisam ficar em locais improvisados.

Lideranças indígenas de seis etnias do Xingu ocuparam a sede da FUNAI em Altamira, no sudoeste do Pará, na manhã desta quarta-feira (10). A ocupação é um protesto contra a falta de estrutura para atender os índios que vem das aldeias para a cidade. A principal reivindicação é a entrega da nova casa do Índio, uma obra que, segundo os manifestantes, deve ser entregue pela empresa Norte Energia, responsável pela Usina de Belo Monte. A Norte Energia disse que a Casa do Índio já está pronta, e depende de procedimento administrativo da Funai para ser entregue.

TV-Globo, 11.9.2014
Em Altamira, índios de seis etnias ocupam há dois dias prédio da Funai e do campus da UFPA

O Globo, 11.9.2014
'Estamos pior do que mendigo', diz índio da região do Xingu
Índios protestaram ocupando sede da Funai em Altamira.
Eles ocupam também o campus da UFPA no município.

O líder índigena Leo Xipaia denunciou na última quarta-feira (10), durante ocupação da sede da Fundação Nacional do Índio (Funai) em Altamira, no sudeste do estado, as condições atuais de vida das tribos. "Estamos pior do que mendigo, dormindo aqui na calçada da Funai. O pessoal aqui da universidade já reclamou e tentou nos botar para fora", disse.
O protesto reúne líderes de 24 aldeias da região do Xingu, pertencentes às etnias Xipaia, Parakanã, Xikrin, Araweté e Assurini, por exemplo, paralisaram as atividades dos servidores da Funai na quarta. Eles pedem afastamento da coordenadora regional, Estela Libardi.

Montag, 8. September 2014

Indigene vertreiben illegale Holzfäller aus ihrem Gebiet


Der Standard, 7. September 2014
Brasilianische Indigene erklären illegalen Holzfällern Krieg

Angehörige der Kaapor bilden Heer in Maranhão
São Paulo - Brasilianische Indigene haben eine bewaffnete Truppe zur Bekämpfung der illegalen Waldrodung gebildet. Die Kaapor seien im nordbrasilianischen Bundesstaat Maranhão in den Krieg gegen die Holzfäller getreten, weil die zuständigen staatlichen Stellen untätig blieben. Das erklärte der Anführer Itahu, wie die Zeitung "Folha de São Paulo" am Samstag berichtete.

Um die 150 Kaapor hätten ein "Urwald-Heer" gebildet, das bereits im August 16 Holzfäller beim illegalen Roden überrascht und gefangen genommen habe. Die Männer seien geschlagen und mit Bein- und Armbrüchen im Urwald wieder freigelassen worden. "Wir wissen nicht, ob sie überlebt haben", sagte Itahu der Zeitung. Der 32-jährige Anführer der 2.000 Kaapor-Indigenen erklärte, er habe an der Aktion nicht teilgenommen.

"Wir stehen im Krieg"
"Wir stehen im Krieg (gegen die Holzfäller), weil uns niemand hilft", sagte der 32-jährige der Zeitung. Die Behörde für Urbevölkerung Fundação do Indio (Funai) habe die Kaapor seit Monaten sich selbst überlassen. Justizminister José Eduardo Cardozo ordnete eine Untersuchung der Vorfälle an.

Ein Gericht hatte im Jänner der Funai und der Behörde für Umweltschutz angeordnet, Wachposten zum Schutz des Kaapor-Reservats von Alto Turiaçu aufzustellen. Beide Staatsstellen gingen jedoch in Berufung gegen den Richterspruch. Personalmangel verhindere eine Verstärkung des bereits bestehenden Schutzes, gaben sie an. In Brasilien leben rund 800.000 Angehörige von Ethnien der Urbevölkerung. (APA, 7.9.2014)


latinapress, 05. September 2014
Brasilien: Indigene verprügeln und vertreiben illegale Holzfäller

Eine Gruppe von Ureinwohnern im brasilianischen Amazonasgebiet hat das Gesetz in die eigene Hand genommen und illegal arbeitende Holzfäller aus dem Gebiet ihrer Vorfahren vertrieben. Die Männer vom Stamm der Ka’apor prügelten und fesselten die Holzfäller, Lastwagen und Kettensägen wurden verbrannt. Die bereits geschlagenen Holzstämme wurden ebenfalls vernichtet.

Nach Angaben der brasilianischen Behörde für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen mit Bezug zu indigenen Völkern (Fundação Nacional do Índio, FUNAI ) ereignete sich der Vorfall bereits am 7. August im Indigenenreservat Alto Turiaçu (Bundesstaat Maranhão). Die Führer der Indigenen warfen der Behörde vor, in ihren Bemühungen zum Schutz der Ureinwohner versagt zu haben. Die FUNAI ist auch für den Schutz dieser Gebiete vor unbefugten Eindringlingen zuständig.


Der Fotograf Lunae Parracho von Reuters begleitete die Indigenen bei ihrem Einsatz und publizierte Fotos auf seinem Blog am 4.9.2014


O Estado de S. Paulo, 04 Setembro 2014
Índios atacam madeireiros no Maranhão
O fotógrafo Lunae Parracho, da agência Reuters, publicou nesta quinta-feira fotos em seu blog de um embate entre índios da etnia kaapor e madeireiros na terra indígena do Alto Turiaçu, no nordeste do Maranhão, na divisa com o Pará.

O Globo, 5.9.2014
Membros da etnia Ka’apor atacam e expulsam madeireiros ilegais
Tribos fazem blitz em reserva no Noroeste do Maranhão sem a participação de forças do Estado, batem e amarram invasores.

Exame.com, 5.9.2014
Marina aponta omissão em conflito entre índios e madeireiros
Candidata afirmou que a omissão do governo federal na gestão de florestas leva a situações extremas
Rio de Janeiro - A ex-ministra do Meio Ambiente e candidata à Presidência Marina Silva (PSB) afirmou, nesta sexta-feira, que a omissão do governo federal na gestão de florestas leva a situações extremas como os conflitos entre índios e madeireiros.

Donnerstag, 4. September 2014

Papst Franziskus kritisiert Thyssen-Krupp wegen Entlassungen


Der Tagesspiegel, 03.09.2014
Papst geißelt Thyssen-Krupp
"Mit Arbeit spielt man nicht"
Er hat es schon wieder getan. Erst kürzlich hatte Papst Franziskus in einem Interview mit einer spanischen Zeitung die Auswüche des Kapitalismus kritisiert, jetzt hat er sich den deutschen Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssen-Krupp vorgeknöpft. Der will in seinem italienischen Werk in Terni Stellen streichen. "Ich bringe meine tiefe Besorgnis über die schlimme Situation vieler Familien in Terni wegen des Projekts der Firma Thyssen Krupp zum Ausdruck“, sagte der Pontifex am Mittwoch bei der Generalaudienz in Rom. „Mit Arbeit spielt man nicht.“ Im Zentrum jeder Frage müssten der Mensch und seine Würde stehen, forderte das 77 Jahre alte Oberhaupt der katholischen Kirche. „Ich appelliere erneut, dass nicht die Logik des Profits gewinnen darf, sondern die der Solidarität und Gerechtigkeit“, forderte der Papst weiter. Wer Arbeitsplätze streiche, um mehr Geld zu verdienen, nehme den Menschen ihre Würde.
Der Papst ist ein Kritiker des Kapitalismus

Der Papst ist ein scharfer Kritiker des Kapitalismus. In der Vergangenheit hat Franziskus wiederholt Ausbeutung und Hunger gegeißelt. Das Wirtschaftssystem stehe nicht im Dienste der Menschen, sondern die Menschen im Dienste des Systems, meint der Papst. Selbst vor Kriegen schrecke das System nicht zurück. "Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben.

Einen Dritten Weltkrieg kann man jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen", sagte Franziskus im Juni.

Nun trifft seine Kritik Thyssen-Krupp. Der Essener Konzern hatte im Juli ein Sparprogramm für das Stahlwerk in Süditalien angekündigt. Dem sollen rund 550 der derzeit 2600 Stellen zum Opfer fallen, die italienischen Gewerkschaften haben bereits Widerstand angekündigt. Von der Papst-Schelte lässt sich der Konzern aber nicht abschrecken. Ein Thyssen-Krupp-Sprecher wies auf Anfrage darauf hin, dass das Unternehmen unverändert an seinen Plänen festhalte. Bislang habe es jedoch noch keine Gespräche zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen gegeben. (mit dpa)


Handelsblatt, 03.09.2014
Papst kritisiert Thyssen-Krupp
„Mit Arbeit spielt man nicht“
Eine Mahnung von höchster geistlicher Stelle: Papst Franziskus kritisiert den Stellenabbau von Thyssen-Krupp bei einer italienischen Tochter. Doch der Industriekonzern lässt sich vom Pontifex offenbar nicht beeinflussen.

Rom/EssenPapst Franziskus hat den Stahl- und Industriegüterkonzern Thyssen-Krupp für seine geplanten Stellenstreichungen im Werk im italienischen Terni scharf kritisiert. „Ich bringe meine tiefe Besorgnis über die schlimme Situation vieler Familien in Terni wegen des Projekts der Firma Thyssen-Krupp zum Ausdruck“, sagte der Pontifex am Mittwoch bei der Generalaudienz in Rom. „Mit Arbeit spielt man nicht.“

Im Zentrum jeder Frage müssten der Mensch und seine Würde stehen, forderte das 77 Jahre alte Oberhaupt der katholischen Kirche. „Ich appelliere erneut, dass nicht die Logik des Profits gewinnen darf, sondern die der Solidarität und Gerechtigkeit“, forderte er. Wer Arbeitsplätze streiche, um mehr Geld zu verdienen, nehme auch den Menschen ihre Würde.

Thyssen-Krupp hatte die vor 130 Jahren gegründete Firma Acciai Speciali Terni (AST) in Umbrien in diesem Jahr übernommen. Der Industriekonzern hatte seine Edelstahlsparte Inoxum an den finnischen Wettbewerber Outukumpu verkauft und dafür AST übernehmen müssen.

Im Juli kündigte der Essener Konzern ein Sparprogramm für das Stahlwerk in Süditalien an. Dem sollen rund 550 der derzeit 2600 Stellen zum Opfer fallen, die italienischen Gewerkschaften haben bereits Widerstand angekündigt.

Ein Thyssen-Krupp-Sprecher wies auf Anfrage darauf hin, dass das Unternehmen unverändert an seinen Plänen festhalte. Bislang habe es jedoch noch keine Gespräche zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen gegeben. Nach Informationen aus Kreisen soll das italienische Werk in den vergangenen fünf Jahren mehrere hundert Millionen Euro Verlust gemacht haben.

Montag, 1. September 2014

Bischof Kräutler: "Wir müssen politischer werden"

miteinander 9/2014
"Wir müssen politischer werden"
Der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler im miteinander-Interview.

Herr Bischof, Sie wurden vor wenigen Wochen 75 Jahre alt. Zeit, um an Ruhestand zu denken?

Ich werde dem Papst meinen Rücktritt anbieten, wie es das Kirchenrecht empfiehlt. Die Entscheidung liegt aber bei ihm. Im Kirchenrecht heißt es, dass der Papst „nach Abwägung aller Umstände entscheiden wird“. Aber Ruhestand, nein, dieses Wort kommt in meinem Wortschatz nicht vor. Ich werde vielleicht etwas häufiger in Österreich sein, dort auch vermehrt seelsorgliche Termine wahrnehmen, aber in Amazonien und Brasilien gibt es für mich weiterhin viel zu tun. Ich bin sehr oft eingeladen, Exerzitien für Priester, Ordensleute und in der Pastoral engagierte Frauen und Männer zu geben.

Sie werden also auch weiterhin Ihre Stimme erheben?

Natürlich. Ich werde wohl auch am Xingu weiter tätig sein. Ich erhielt den Auftrag, einen Plan zur Dreiteilung dieser großen Diözese – sie ist viereinhalb Mal so groß wie Österreich – zu erarbeiten. Da stecke ich mittendrin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mich davon einfach abziehen wird. Und darüber hinaus bin ich ja auch weiterhin Vorsitzender des Rates für indigene Völker der brasilianischen Bischofskonferenz und Sekretär der bischöflichen Kommission für Amazonien.

Was kann – vor dem Hintergrund Ihrer fast 50 Jahre in Lateinamerika – die Kirche in Österreich von der Kirche in Lateinamerika lernen?

Zunächst möchte ich festhalten, dass ich nicht mit der Intention nach Brasilien gegangen bin, die Brücken nach Österreich abzubrechen. Ich fühle mich nach wie vor von meiner Heimatkirche getragen. Aber in der Tat glaube ich, dass viele Dinge, die ich in Brasilien erlebe, auch für die Kirchen in Europa wichtig sein könnten.

Welche Erfahrungen meinen Sie konkret?

Ich meine vor allem die Frage nach der Mit-Verantwortung der Laien für ihre Kirche, die in Lateinamerika stark ausgeprägt ist. In Europa spürt man, dass viele Laien immer noch in einer Art Konsumentenhaltung verharren. In unseren Basisgemeinden hingegen erleben wir, wie positiv die Arbeit der Laien auch in Fragen der Gemeindeleitung sein kann. Das wird man in Europa wohl erst zu schätzen lernen, wenn der Priestermangel noch schmerzhafter wird, als er es schon jetzt ist …

Welchen Lösungsvorschlag hätten Sie denn für dieses Problem des akuten Priestermangels?

Ich unterstütze den Vorschlag des aus Deutschland stammenden bereits emeritierten südafrikanischen Bischofs Fritz Lobinger. Dieser verteidigt die These, dass eine priesterlose Gemeinde aus ihren Reihen Älteste wählen sollte, die dann – als für diese jeweilige Gemeinde Ordinierte – den Eucharistiefeiern vorstehen. Wohlgemerkt, Lobinger meint keine Art Selbstbeauftragung, sondern eine sakramentale Weihe für die jeweilige Gemeinde, wobei die Geweihten in ihren zivilen Berufen und Familien bleiben würden. Wir dürfen den Menschen die Eucharistie nicht vorenthalten. Diesen Vorschlag hat übrigens auch der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl in seinem neuen, sehr beachtenswerten Buch Brot des Lebens. Mein Weg mit der Eucharistie erörtert.

Gab es in Ihrem priesterlichen Leben auch Erfahrungen, die Sie an die Grenzen Ihres Glaubens geführt haben?

Nein, ich fühle mich von Leiderfahrungen oder Ähnlichem nicht im Mark des Glaubens erschüttert. Ich lebe ganz aus der Heiligen Schrift – das heißt aus der Überzeugung des „Gott mit uns“: Gott sieht, hört, kennt mich, er steigt herab und befreit. Der Glaube zwingt in unbedingte Solidarität mit den Armen, den Leidenden, nur dort kommt er ganz zu sich. Das ist meine feste Überzeugung.

Diesen positiven Zugang können Sie sich auch angesichts Ihres großen Kampfes gegen das Staudammprojekt Belo Monte noch bewahren?

Ja, natürlich ist die gegenwärtige Situation nicht erfreulich: 40.000 Menschen stehen vor der Zwangsumsiedlung. Wir müssen eingestehen, dass unser Plan A – die Verhinderung des Dammbaus – gescheitert ist. Dreißig Jahre haben wir gegen dieses Mammutprojekt gekämpft. Ein Ausstieg aus dem Projekt ist nun nicht mehr realistisch. Für uns geht es jetzt um Schadensbegrenzung, das heißt, wir drängen darauf, dass die von Umsiedlung betroffenen Menschen anständig untergebracht und nicht abgespeist werden.

Aus europäischer Sicht hat man manchmal den Eindruck, Sie sind die zentrale Galionsfigur im Kampf gegen Belo Monte…

Kräutler (lacht) Tatsächlich ist die Kirche eine wichtige Triebfeder des Protestes und Widerstandes, aber natürlich gibt es auch viele weitere Partnerorganisationen der Zivilgesellschaft. Es geht ja schließlich nicht um eine nur kirchliche Sache, sondern um Menschen! Wenn ich Kirche sage, meine ich im Übrigen tatsächlich die katholische Kirche, denn gerade die starken evangelikalen Kirchen üben sich bei sozialem Engagement eher in Zurückhaltung.

Aus dem Vatikan hört man, dass Papst Franziskus an einer Enzyklika zur Ökologie arbeitet. Ein positives Zeichen auch im Blick auf Ihren Kampf in Brasilien?

Positiv erachte ich vor allem, dass es offenbar keine bloß schöpfungstheologisch ausgerichtete Enzyklika sein wird, die auf Fragen des Wohls von Fauna und Flora abzielt. Vielmehr hat mit Kardinal Turkson, der die Vorlage dazu erarbeiten soll, gesagt, der Papst ziele auf eine „ecologia humana“. Und Papst Franziskus hat dieses Wort bei der Audienz, die er mir gewährte, ganz klar ausgesprochen. Das meint sehr viel mehr als nur Fragen des Umweltschutzes und zielt vor allem auch auf Fragen der Generationengerechtigkeit. Der Mensch in seiner Verantwortung soll im Mittelpunkt stehen.

Könnte das vielleicht auch ein Wink sein, dass die katholische Schöpfungslehre ein wenig „entstaubt“ werden müsste?

Absolut! Die Schöpfungstheologie muss meines Erachtens ausgeweitet werden und viel konkreter die realen Lebensumstände der Menschen in den Blick nehmen, die – wie in Amazonien – skrupellos ausgebeutet werden. Wir haben als Christen den Auftrag, diese Probleme offen anzusprechen. Wir müssen insgesamt als Kirche politischer werden. Das meine ich nicht im Sinne von Parteipolitik, sondern im Sinne dessen, was auch die Befreiungstheologie immer wollte: die Realität der Menschen ernst nehmen und sie im Licht des Wortes Gottes und der kirchlichen Tradition reflektieren, Antworten suchen und dann bei konkreten Aktivitäten mitwirken.

Die Befreiungstheologie stand immer im Verdacht einer übergroßen Nähe zu neomarxistischen politischen Strömungen …

Das ist ein europäisches Klischee. Befreiungstheologie, wie ich sie verstehe und wie wir sie hier leben, ist urbiblisch. Außerdem sollte man diese Dinge heute viel entspannter sehen: So sind viele marxistische Begriffe heute selbst innerhalb der Kirche selbstverständlich geworden. Johannes Paul II., der sicher kein Freund der Befreiungstheologie war, sprach etwa ohne Scheu von einem „edlen Kampf um die Gerechtigkeit“. Und nichts anderes fordert letztlich der Glaube an Jesus Christus von uns: ganz nah bei den Menschen sein und die Stimme für jene erheben, die keine Stimme haben.

Das Interview führte Henning Klingen

Erwin Kräutler zur Würdigung von Dom Luciano auserkoren

Dom Erwin Kräutler, Bischof am Xingu (PA) und Vorsitzender des Indigenen Missionsrates (CIMI), wurde von der Fakultät der Erzdiözese Mariana (MG) zur Würdigung von Dom Luciano Mendes de Almeida bestimmt. Seit 2008 findet dieser Festakt am 27. August, dem Todestag des Erzbischofs, statt, um an dessen geistiges und soziales Erbe zu erinnern. Heuer waren 5 Personen und eine Institution dazu nominiert.

In seiner Ansprache sagte Dom Erwin, dass er es als besondere Ehre betrachtet, diesen "wahrhaftigen Diener Gottes, den Erzbischof von Mariana, der in Brasilien sowie über die Grenzen des Landes hinweg geschätzt und geliebt wurde", würdigen zu dürfen.

"Ich habe nie daran gezweifelt, dass mir in ihm ein Heiliger gegenüber stand", sagte er in Erinnerung an Begegnungen mit Dom Luciano. "Die Heiligsprechung ist zwar ein 'posthumer' Akt, aber die Menschen erkannten in ihm intuitiv schon immer einen Heiligen, der sein Leben ohne Einschränkungen Gott geweiht hatte."

Kräutler erwähnte auch den großen Einsatz Dom Lucianos für die Rechte der indigenen Völker. "Ich glaube, dass seine bevorstehende Seligsprechung ein Licht der Hoffnung für die indigenen Völker Brasiliens sein wird. Wenn Dom Luciano sich schon Zeit seines Lebens mit seinen Anliegen für die Indigenen an Gott gewandt hatte, so wird er jetzt in der Herrlichkeit des Himmels definitiv ihr Schutzpatron und Fürsprecher sein", schloss Dom Erwin.

Über 200 Personen nahmen an der Veranstaltung "Dom Luciano Commendation 2014" teil. Für die Teilnehmer war dieser Akt wichtig, um das Werk von Dom Luciano lebendig zu erhalten. "Der Traum Don Lucianas vom Evangelisieren muss aufrecht erhalten und fortgesetzt werden", sagte die Universitätsprofessorin Virginia Castro Buarque.

Quelle: CNBB, 29.8.2014

Ansprache von Bischof Kräutler auf Portugiesisch:
CIMI, 1.9.2014
Homenagem de Dom Erwin Kräutler à Dom Luciano Pedro Mendes de Almeida
Bem-aventurados os pobres em espírito, porque deles é o reino dos céus (Mt 5,3).


KirchenZeitung im Netz, 6.9.2006
Brasilien trauert um Erzbischof Almeida Vorlesen
Vergangene Woche ist Erzbischof Luciano Mendes de Almeida von Mariana im Alter von 75 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Der Jesuit, der von 1987 bis 1995 auch Vorsitzender der Brasilianischen Bischofskonferenz war, gehörte zu den profiliertesten Persönlichkeiten der Kirche des Landes. 1976 wurde er zum Weihbischof von São Paulo ernannt. Während der Militärdiktatur (1964–1985) war er einer der schärfsten Kritiker von Folter und willkürlichen Verhaftungen. Seit 1984 setzte er sich in einer wöchentlichen Zeitungskolumne gegen die Korruption und für radikale soziale Reformen im Land ein.


KirchenZeitung im Netz, 27.7.2005
Befreiende Spiritualität
„Jesus nachfolgen in Verbundenheit mit den Ausgeschlossenen.“ Unter diesem Motto stand das Treffen der brasilianischen Basisgemeinden, an dem vergangene Woche 4000 Delegierte teilgenommen haben. Bereits beim Gottesdienst zum Auftakt in Ipatinga am Dienstag war immer wieder Begeisterung aufgebrandet, als der Weg der Basisgemeinden seit dem ersten Treffen vor 30 Jahren in Erinnerung gerufen wurde. Als Früchte der Bewegung, es war bereits das elfte Treffen, wurden beispielsweise der Einsatz für Menschenrechte und gegen die Militärdiktatur, das Engagement für die Demokratisierung, die Förderung der Frauen und der Schutz der Straßenkinder genannt. Erzbischof Luciano Mendes de Almeda, der viele Jahre Vorsitzender der Brasilianischen Bischofskonferenz war, würdigte die Rolle der Basisgemeinden in der Kirche und Gesellschaft des Landes. Almeda, einer von 160 Bischöfen, die ebenfalls nach Ipatinga gekommen waren, betonte, dass die Basisgemeinden noch immer die große Hoffnung für Veränderung und Befreiung vom Unrecht darstellen. Denn sie ermöglichen den Armen und Ausgeschlossenen „die Wirklichkeit im Lichte des Glaubens zu lesen und eine Mystik des Widerstandes und der Alternativen des Lebens zu entwickeln“. Die Delegierten haben mehr als 100.000 Basisgemeinden in ganz Brasilien vertreten.

Wikipedia:
Luciano Pedro Mendes de Almeida, S.J. (October 5, 1930–August 27, 2006) was a Brazilian Jesuit priest and Roman Catholic bishop. He was born in Rio de Janeiro in 1930.

From 1987 to 1994, Luciano Mendes de Almeida was the president of the National Conference of Brazilian Bishops. Before that, he was secretary-general from 1979 to 1987, during which time the organization had an important role in the defense of human rights and democracy.

Luciano Mendes de Almeida was the Archbishop of the historic city of Mariana from 1988 until his death in 2006 from liver cancer in São Paulo.


CNBB, 14.5.2014
Santa Sé autoriza início de processo de beatificação de dom Luciano Mendes

CNBB, 29.8.2014
CNBB expressa alegria com o processo de beatificação de dom Luciano Mendes