Montag, 25. April 2011

Bischof Kräutler: "Belo Monte wäre Dolchstoß ins Herz von Amazonien"

Brasiliens Regierung plant im Amazonas-Gebiet den Bau des drittgrößten Wasserkraftwerks der Welt. Sie begründet das Milliarden-Projekt am Xingu-Fluss im Bundesstaat Pará mit dem Energiehunger der boomenden Volkswirtschaft.
ndigene Volksgruppen, Umweltschützer und Kirchenvertreter warnen vor irreparablen Schäden. Einer der profiliertesten Gegner ist der katholische Bischof «Dom Erwin» Kräutler. Der gebürtige Österreicher lebt seit Jahren in Brasilien. 2010 erhielt er den Alternativen Nobelpreis für seinen Einsatz für die Menschenrechte der Indios und die Erhaltung des Regenwaldes. Das Interview im Wortlaut:

Was wären aus Ihrer Sicht die Folgen von «Belo Monte»?

Bischof Kräutler: «Es geht in erster Linie um die Menschen. Mindestens 30.000, nach anderen Schätzungen bis zu 40.000 Menschen sind direkt betroffen. Man muss sich vorstellen, dass eine Stadt wie Altamira mit 105.000 Einwohnern zu 40 Prozent unter Wasser gesetzt wird. Und wir wissen bis heute nicht, wohin diese Leute kommen.»

Sie sprechen von einem «Wahnsinnsprojekt». Warum?

Kräutler: «Belo Monte wäre nicht wirtschaftlich. Das haben Wissenschaftler und Universitäten bewiesen. Der Xingu führt nicht das ganze Jahr über soviel Wasser, dass die Turbinen die Leistung bringen. Es ist Unsinn von über 11.000 Megawatt Leistung zu sprechen, wenn das Potenzial auf die Hälfte oder um ein Drittel abfällt. Natürlich gibt es eine Lösung. Die wäre, drei weitere Staudämme zu bauen. Dann ist der ganze Xingu kaputt. Das würde ich als Wahnsinn, wirklich als Dolchstoß ins Herz von Amazonien, bezeichnen.»

Das Projekt ist nicht neu.

Kräutler: «Nein, wir kämpfen seit drei Jahrzehnten dagegen.»

Die Regierung argumentiert, dass Brasilien langfristig Energiesicherheit braucht. Verstehen Sie das?

Kräutler: «Ja, aber warum so groß, warum solche pharaonischen Kraftwerke, wenn es doch auch anders geht? Brasilien hätte die wunderbare Chance, andere Energiequellen zu finden. Wo ich lebe (Altamira, Pará), da haben wir Sonne von morgens 6.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr. Warum wird die Solarenergie und die Windenergie nicht genutzt? Da sagt man immer, das kommt zu teuer. Aber Brasília (Regierung in der Hauptstadt) könnte da viel mehr in Universitäten und wissenschaftliche Zentren investieren. Es gäbe die Möglichkeit.»

«Belo Monte» sichert mit Millionenaufträgen auch Arbeitsplätze in Deutschland und Österreich.

Kräutler: «Natürlich bin ich für die Arbeitsplätze. Aber ich habe von Anfang gesagt, man muss auch die ethische Seite berücksichtigen. Das möchte ich anmahnen. Man kann nicht einfach um des Geldes Willen, tausende Menschen ins Abseits schicken. Diese Leute sind für mich keine Zahlen. Für mich haben sie Gesichter. Es sind Kinder, Frauen, Männer, alte Leute, die hier wohnen, die ich persönlich kenne.»

Was werfen Sie der Regierung in Brasília vor?

Kräutler: «Dass sie schweigt.»

Sie sagen, das Genehmigungsverfahren sei rechtswidrig. Warum?

Kräutler: «Die indigenen Völker, also die Menschen, die tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen werden, wurden nicht gehört. Das ist nicht rechtmäßig gelaufen. Die in der Verfassung vorgesehen Anhörungen - etwa der indigene Bevölkerung - haben nicht stattgefunden. Das kommt nicht über die Grenze. Man meint im Ausland, dies sei alles genau nach dem Gesetz gegangen.»

Wie schätzen Sie den Widerstand ein?

Kräutler: «Der wird natürlich zunehmen. Ich hoffe, dass es kein Blutvergießen gibt. Das wäre ja Wahnsinn. Und die Indios würden verlieren. Dann rollen einfach die Panzer der Streitkräfte an, wie das etwa schon im Nordosten bei der Umleitung des Rio São Francisco passiert ist.» (dpa)

vorarlberg.orf.at, 24.4.2011
Bischof Kräutler warnt erneut vor Belo Monte
Der aus Vorarlberg stammende Bischof Erwin Kräutler, seit 1981 Bischof der Prälatur Xingu, warnt neuerlich vor dem Staudammprojekt Belo Monte im Amazonas. Bis zu 40.000 Menschen müssten umgesiedelt werden, keiner wisse, wohin sie sollen.