Dienstag, 4. Juni 2013

Indigene Völker fordern Stopp aller Staudämme in Amazonien

Vor ihrem Abflug nach Brasília veröffentlichten die Munduruku eine weitere Presseaussendung.





9. Presseaussendung: Tragödien und Staudämme (der Kampf geht weiter)

Wir haben die Besetzung der Baustelle Belo Monte beendet und wollen mit der Regierung reden.

Wir haben bisher keinerlei Vereinbarungen getroffen. Wir akzeptierten das Treffen in Brasília, denn je öfter wir sagten, die Baustelle nicht zu verlassen, desto mehr Polizei kam hin. Und am selben Tag, als wir von eurer Polizei hätten entfernt werden sollen, wurde in Mato Grosso do Sul ein Blutsbruder Terena erschossen. Wir wollten keine weiteren Toten. Wir wollten die Tragödie vermeiden, ihr nicht. Ihr vermeidet keine Tragödien, ihr führt sie aus.

Wir kommen, um euch von einer weiteren Tragödie zu erzählen, die wir mit allen Kräftren verhindern werden: den Verlust unseres Landes und unseres Lebens. Wir kommen nicht um zu verhandeln, denn Land oder Leben verhandelt man nicht. Wir sind gegen den Bau von Staudämmen, weil sie das indigene Land töten, weil sie die Kultur töten, wenn sie die Fische töten und das Land fluten. Auf diese Weise werden Menschen ohne den Einsatz von Waffen getötet. Ihr tötet ständig. Ihr tötet einfach viel. Seit 513 Jahren habt ihr zu viel getötet.

Wir sind nicht gekommen, um nur über einen Damm am Rio Tapajós zu sprechen, wie ihr der Presse gegenüber sagt. Wir kommen nach Brasília, um die Aussetzung der Studien und Bautätigkeiten von Staudämmen an den Flüssen Tapajós, Xingu und Teles Pires zu fordern. Ihr sprecht nicht nur mit dem Volk der Munduruku, sondern auch mit Xipaya, Kayapó, Arara, Tupinambá und vielen anderen, die sich diesem Kampf angeschlossen haben, weil es ein großer Kampf von allen ist.

Wir legen keinen Forderungskatalog vor. Wir sind einfach gegen Staudämme. Wir fordern die Bundesregierung auf, unsere Meinung zu hören und uns ein Vetorecht bei Projekten, die uns vernichten, einzuräumen.

Das Gegenteil ist der Fall. Ihr fährt einfach darüber und tut, was ihr wollt. Aus diesem Grund macht ihr auch alles, um uns indigene Völker zu spalten. Wir sind hierher gekommen und sagen klar: Stoppt die Projekte. Denn wir werden Widerstand leisten, gemeinsam und geeint. Wir sind seit 35 Tagen in Altamira und haben insgesamt 17 Tage lang euer größtes Pojekt Belo Monte besetzt. Dieser Aussendung legen wir auch alle bisherigen der beiden Besetzungen bei. Lest sie sorgfältig, damit ihr unsere Bewegung und unsere Anliegen versteht. Und befolgt sie endlich.


Die Respektlosigkeit kommt nicht nur in Worten. Sie kommt auch in Taten.

In der Region der Großen Schleife des Xingu wird momentan alles zerstört und Hals über Kopf gedreht. Das begann mit der Baugenehmigung für Belo Monte. Alle sind darüber sehr traurig, nur die Reichen haben profitiert. Die Blutsbrüder haben viel gekämpft. Auch die Arbeiter leiden unter den Zuständen.


An den Flüssen Tapajos und Teles Pires beginnt ihr jetzt, aber bisher habt ihr unsere Rechte bereits sehr missachtet.

Im August 2012 begannen eure Wissenschaftler in unser Land einzufallen, Tiere und Pflanzen zu fangen, Land und Gewässer zu messen und Bodenproben zu nehmen.

Im Oktober sagten Funai und Eletrobras bei einem Treffen, dass die Dämme auf jeden Fall gebaut werden, mit oder ohne unseren Willen. Und falls nötig, würde die Polizei zum Einsatz kommen.


Im November zerstörte die Bundespolizei die Siedlung (Aldeia) Teles Pires, wo alle gegen den Staudamm sind. Adenilson Munduruku wurde mit drei Schüssen getötet und weitere 19 Indigene wurden verletzt. Ende des Monats begaben wir uns nach Brasília, um den Vorfall dem Justizministerium, Funai und Generalsekretariat der Präsidentschaft zu melden. Wir waren auch bei der Staatsanwaltschaft.

Im Januar 2013 hielten wir eine große Munduruku-Versammlung in der Aldeia Sai Cinza, bei der dem Beamten des Generalsekretariats der Präsidentschaft ein Dokument mit 33 Punkten übergeben wurde.

Im darauffolgenden Monat gingen wir wieder nach Brasília und verlangten eine Antwort auf unser 33 Punkte. Wir trafen den Minister, aber er ignorierte unsere Forderungen und verlangte von uns, den Dammprojekten am Rio Tapajós mit einer Unterschrift zuzustimmen.


Um die Studien unter allen Umständen durchführen zu können, genehmigte die Regierung im März 2013 per Dekret den Einsatz von Polizei und Streitkräften in unserem Land. Am Tag darauf waren unserer Dörfer voll von Polizeieinheiten.

In Teles Pires fand man sehr alte Knochen unserer Ahnen. Ihr zerstört einen heiligen Ort. Wir können das nicht hinnehmen. Deshalb haben wir Belo Monte besetzt und unsere Grundrechte nach Land und Leben gefordert. Oder zumindest die Respektierung eurer eigenen Verfassung und internationale Verträge, die ihr unterzeichnet habt! Aber ihr ersetzt Gesetze, die uns indigene Völker schützen, durch neue Verordnungen. So wollt ihr die Zerstörung legalisieren.


Jetzt kommen wir zu euch (nach Brasília) in der Hoffnung, dass ihr endlich auf uns hört anstatt auf jene, die eure Wahlkämpfe finanzieren. Selbst wenn ihr nicht bereit seid, Hören zu lernen, sind wir bereit, es euch zu lehren.

Baustelle Belo Monte, Vitória do Xingu,  4. Juni 2013
 



Quelle: Blog da Ocupação, 4.6.2013
Carta número 9: tragédias e barragens (a luta não acaba nem lá nem aqui)