Katakombenpakt für unser gemeinsames Haus
für eine arme, dienende, prophetische und samaritanische Kirche
mit amazonischem Antlitz
Deutsche Fassung von © AMK 2019, basierend auf „Pacto das Catacumbas pela Casa Comum. Por uma Igreja com rosto amazônico, pobre e servidora, profética e samaritana“ auf cnbb.org.br.
Wir, Teilnehmer der Synode für Amazonien, leben gerne bei den zahlreichen indigenen Völkern, Quilombolas, Siedlern entlang der Flüsse, Migranten, in den Gemeinden an den urbanen Peripherien dieses riesigen Gebietes unseres Planeten. Mit ihnen erfahren wir, wie die Kraft des Evangeliums unter den Geringsten wirkt. Die Begegnung mit diesen Völkern ist gleichsam eine Herausforderung und Einladung, zu einem bescheidenen Lebensstil, zum Teilen und zur Dankbarkeit. Wir vernehmen ihren Schrei und ihre Tränen. Die Worte von Papst Franziskus finden in unseren Herzen Gehör:
„Viele Schwestern und Brüder in Amazonien tragen ein schweres Kreuz und ersehnen den befreienden Trost und die zärtliche Umarmung der Kirche. (…) Lasst uns gemeinsam mit ihnen gehen“[1].
Dankbar denken wir an jene Bischöfe, die in den Katakomben der Heiligen Domitilla, vor Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils ein Bekenntnis für eine arme und dienende Kirche ablegten.[2] Unsere Verehrung gilt allen Märtyrern aus den kirchlichen Basisgemeinden, den Pastoralbereichen und Volksbewegungen; indigenen Vertretern, Missionarinnen und Missionaren, Laien, Priestern und Bischöfen, die aus Liebe zu den Armen getötet wurden, weil sie Leben verteidigten und sich für den Schutz unseres gemeinsamen Hauses einsetzten.[3]
Wir bewundern ihren Mut und verpflichten uns, ihren selbstlosen Dienst entschlossen fortzusetzen. Amazonien leidet unter Zerstörung und Gewalt infolge eines plündernden, konsumorientierten Wirtschaftssystems. Dringendes Handeln ist gefordert.
Vor der Heiligen Dreifaltigkeit, gegenüber unseren Ortskirchen, den Kirchen in Lateinamerika und der Karibik und den solidarischen Kirchen in Afrika, Asien, Ozeanien, Europa und Nordamerika, an den Stätten der Apostel Petrus und Paulus sowie der vielen Märtyrer in Rom, in Lateinamerika und besonders in unserem Amazonien, in tiefer Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri, rufen wir zum Heiligen Geist und geloben persönlich und als Gemeinschaft:
1. Angesichts der drohenden Erderwärmung und der Erschöpfung der natürlichen Rohstoffe wollen wir in unseren Territorien Sorge tragen für den noch vorhandenen tropischen Wald. Aus ihm entspringt der Wasserreichtum Südamerikas, er ist für den Kohlenstoffkreislauf und das globale Klima wichtig, er beherbergt eine unermessliche Biodiversität und soziale Vielfalt für die Menschheit und unsere Erde.
2. Wir sind nicht die Besitzer der Mutter Erde, sondern ihre Kinder, geschaffen aus dem Staub der Erde (vgl. Gen 2,7)[4], Gäste und Pilgernde (vgl. 1 Petr 1,17b; 1 Petr 2,11a)[5], berufen als verantwortungsvolle Heger und Pfleger (vgl. Gen 1,26).[6]Darum bekennen wir uns zu einer ganzheitlichen Ökologie, die Menschheit und Schöpfung verbindet, denn über allen Wesen und den Kindern Gottes schwebt Gottes Geist (vgl. Gen 1,2)[7]
3. Unentwegt streben wir die Erneuerung des Bundes an, den Gott mit der ganzen Schöpfung gestiftet hat: „Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind.“ (Gen 9,9-10)[8]
4. In unseren Kirchen wollen wir die vorrangige Option für die Armen, besonders für die Ureinwohner erneuern, und garantierten, dass sie die Protagonisten in Gesellschaft und Kirche sind. Wir unterstützen sie bei der Pflege und Bewahrung ihrer Gebiete, Kulturen, Sprachen, ihrer Geschichte, Identität und Spiritualität. Sie verdienen lokal wie global unseren Respekt. Daher fördern wir sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, damit sie gleichermaßen in das globale Konzert mit anderen Völkern und Kulturen einstimmen können.
5. Folglich lehnen wir in unseren Pfarren, Diözesen und allen Gruppen jede kolonialistische Mentalität und Haltung ab. Wir schätzen die kulturelle, ethnische und sprachliche Vielfalt und sind bereit für einen respektvollen Dialog mit allen spirituellen Traditionen.
6. Wir verurteilen jegliche Gewalt und Aggression gegen die Autonomie und das Recht der indigenen Völker auf ihre Identität, ihre Territorien und ihre Lebensweise.
7. Wir verkünden die befreiende Neuigkeit des Evangeliums Jesu Christi und wenden uns dem Nächsten, dem Anderen zu, wie es bei Petrus im Haus des Kornelius geschah: „Da sagte er zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, mit einem Nichtjuden zu verkehren oder sein Haus zu betreten; mir aber hat Gott gezeigt, dass man keinen Menschen unheilig oder unrein nennen darf.“ (Apg 10,28)[9]
8. Mit anderen christlichen Gemeinschaften gehen wir den ökumenischen Weg bei der inkulturierten und befreienden Verkündigung der Guten Nachricht. Mit ihnen und anderen Religionen und Menschen guten Willens sind wir solidarisch mit den Ureinwohnern, mit den Armen und Geringsten bei der Verteidigung ihrer Rechte und Bewahrung der Schöpfung.
9. Ein synodaler Stil prägt das Leben in unseren Ortskirchen. Indigene Vertreter, Missionare, Laien aufgrund ihrer Taufe und in Gemeinschaft mit ihren Hirten, werden bei Diözesanversammlungen, in Pastoral- und Pfarrgemeinderäten, bei allen Angelegenheiten der Gemeindeleitung gehört und haben Stimmrecht.
10. Wir fordern dringend die Anerkennung der kirchlichen Ämter, die in den Gemeinden bereits wahrgenommen werden: pastorale Mitarbeiter, indigene Katechisten,
Wortgottesdienstleiter. In besonderer Weise wenden sie sich den Bedürftigen und Ausgeschlossenen zu. Dafür gebührt ihnen Wertschätzung.
11. In den uns anvertrauten Gemeinden streben wir eine Präsenzpastoral statt einer Besuchspastoral an, um den Anspruch auf den Wortgottesdienst und die Eucharistiefeier in allen Gemeinden zu erfüllen.
12. Die Dienste und die Diakonie der zahlreichen Frauen in den Gemeinden Amazoniens sind von unschätzbarem Wert. Ein entsprechendes Amt soll sie als Gemeindeleiterinnen festigen.
13. Für die Pastoral in den Städten suchen wir neue Wege, mit Laien und Jugendlichen als Protagonisten, mit besonderem Augenmerk auf die Peripherien, auf Migranten, Arbeiter, Arbeitslose, Studenten, Lehrende, Wissenschaftler, die Welt der Kultur und Kommunikation.[10]
14. Der über alles hereinbrechenden Konsumlawine begegnen wir mit einem bescheidenen, einfachen Lebensstil, solidarisch mit denen, die wenig oder gar nichts haben;
die Vermeidung von Müll, weniger Plastik, ökologische Produktion von landwirtschaftlichen Gütern und die möglichst oftmalige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind uns Verpflichtung.
15. Wir stellen uns auf die Seite der Verfolgten, die prophetisch reden und handeln, um Ungerechtigkeit zu beseitigen, um Rechte und Land der Geringsten zu verteidigen, um Migranten und Flüchtlinge im Gemeinsamen Haus aufzunehmen. Wir pflegen Freundschaft mit den Armen, besuchen einfache Leute und Kranke, wir hören, trösten, helfen und sprechen Mut und Hoffnung zu.
Angesichts der großen und schwierigen Herausforderungen fühlen wir uns schwach, arm und klein. Wir vertrauen uns dem Gebet der Kirche an. Wir bitten unsere kirchlichen Basisgemeinden um Fürsprache beim Herrn und wenn nötig, um geschwisterliche Zurechtweisung.
Aus tiefster Überzeugung folgen wir der Einladung Kardinal Hummes. Mit ihm vertrauen wir auf den Heiligen Geist, in diesen Tagen der Synode und später, daheim in unseren Kirchen:
„Mutter Gottes, Königin von Amazonien, breite deinen Mantel über uns aus.
Lass unsere Selbstsucht mit Barmherzigkeit für den Schrei der Armen und der Erde überwinden. Wir brauchen Gebet, Meditation, Urteilskraft und eine glaubwürdige Praxis der kirchlichen Communio und des synodalen Geistes. Diese Synode ist wie ein Tisch, den Gott für seine Armen bereitet hat, und der uns auffordert, an diesem Tisch zu dienen.[11]
Diese Eucharistie des Paktes feiern wir als „einen Akt der kosmischen Liebe“[12]. „Ja, kosmisch! Denn auch dann, wenn man die Eucharistie auf dem kleinen Altar einer Dorfkirche feiert, feiert man sie immer in einem gewissen Sinn auf dem Altar der Welt.“[13]„Die Eucharistie vereint Himmel und Erde, umfasst und durchdringt die gesamte Schöpfung. Die Welt, die aus den Händen Gottes hervorging, kehrt zu ihm zurück in seliger und vollkommener Anbetung: Im eucharistischen Brot“[14]„ist die Schöpfung auf die Vergöttlichung, auf die heilige Hochzeit, auf die Vereinigung mit dem Schöpfer selbst ausgerichtet“[15]. „Darum ist die Eucharistie auch eine Quelle des Lichts und der Motivation für unsere Sorgen um die Umwelt und richtet uns darauf aus, Hüter der gesamten Schöpfung zu sein.“[16]
Katakomben der Heiligen Domitilla
Rom, 20. Oktober 2019
Deutsche Fassung von © AMK 2019, basierend auf „Pacto das Catacumbas pela Casa Comum. Por uma Igreja com rosto amazônico, pobre e servidora, profética e samaritana“[17].
[1]Predigt von Papst Franziskus zur Eröffnung der Bischofssynode. Vatikanische Basilika: 06.10.2019.
[2]Pacto de las Catacumbas de la Iglesia sierva y pobre. Catacumba de Domitila: 16 noviembre 1965. Pacto por uma Igreja servidora e pobre. Catacumbas de Santa Domitila. Roma: 16 de novembro de 1965. Der Pakt wurde von 42 Konzelebranten unterzeichnet und in der Folge von rund 500 Konzilsteilnehmern unterstützt.
[3]Vgl. DAp 98, 140, 275, 383, 396.
[4]„7Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. 8Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte“ (Gen 2,7-8).
[5]„ (…) dann führt auch, solange ihr in der Fremde seid, ein Leben in Gottesfurcht.“ (1 Petr 1,17b); „Liebe Brüder, [ich ermahne euch] da ihr Fremde und Gäste seid in dieser Welt“ (1 Petr 2,11a);
[6]„26Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. 27Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn.“ (Gen 1,26-27a)
[7]„ (…) die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gen 1,2)
[8]12Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen: 13Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde. 14Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken, 15dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet. 16Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde.17Und Gott sprach zu Noach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde geschlossen habe.“ (Gen 9,12-17)
[9]„34Da begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, 35sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ (Apg 10,28) Cfr DSD 302.1.3
[10]Vgl. Dokument von Santo Domingo (DSD 302.1.3)
[11]Hummes, Cardinal Cláudio. 1. Generalkongregation der Synode Amazon. Einführung des Generalberichterstatters. Rom: 07.10.2019. (B0782).
[12]Franziskus. Enzyklika Laudato Si’. Über die Sorge für das Gemeinsame Haus. Libreria Editrice Vaticana. Rom: 24.05.2015. [236].
[13]Benedikt XVI. Homilie. Eucharistiefeier am Hochfest des Leibes und Blutes Christi. Libreria Editrice Vaticana. Rom: 15.06.2006. S. 2.
[14]Franziskus. [LS 236].
[15]Johannes Paul II. Enzyklika Ecclesia de Eucharistia. Libreria Editrice Vaticana. Rom: 17.04.2003. [8].
[16]Franziskus. [LS 236].