Freitag, 23. April 2010
Fiktive Zahlen bestimmen Belo Monte
Quelle: O Estadão, 23.4.2010
Warum nahm ein Unternehmen wie Construtora Camargo Corrêa, dessen Geschichte und Erfahrung sehr eng mit der brasilianischen Stromwirtschaft verbunden ist und das daher größtes Interesse an Bau und Betrieb des Wasserkraftwerks von Belo Monte haben müsste – weshalb es sich auch über 30 Jahre hindurch an den technischen, ökologischen und finanziellen Studien zu diesem Mammutprojekt beteiligt hatte – warum nahm es an der Auktion von Belo Monte nicht teil?
Die Antwort darauf gibt Miguel Antonio Marques, Präsident des Bauunternehmens Camargo Corrêa, und sie lässt keinen Zweifel aufkommen: Die Gesellschaft kam zur Erkenntnis, dass sich unter den von der Regierung auferlegten Bedingungen die Investitionen nicht lohnten. Oder mit anderen Worten: die vorgegebenen Bedingungen erlaubten es nicht, das Projekt wirtschaftlich und finanziell so umzusetzen, dass Produktion und eine regelmäßige Versorgung mit Elektrizität gewährleistet wären; die Rechnung gehe nicht auf.
Zu diesem Ergebnis sei auch der Bauriese Odebrecht gekommen, der durchaus über notwendige Erfahrungen für ein Projekt in der Größe von Belo Monte als weltweit drittgrößten Staudamm verfügt. Zusammen mit Camargo Corrêa schied er vorzeitig aus. Der wesentliche Grund für den Rückzug war die Festlegung auf den Höchstpreis von R$ 83 pro Megawattstunde (MWh), was als zu niedrig angesehen wurde. Der Sieger verpflichtete sich zu einem Preis von R$ 77,97.
Nachdem sich die beiden größten Unternehmen des Landes von der Auktion zurückgezogen hatten, bot die Regierung 75 % Steuerbefreiung für 10 Jahre an, zusätzlich zur 80%igen Finanzierung durch die Nationale Entwicklungsbank (BNDES) mit einer Laufzeit von 30 Jahren und mit gestützten Zinsen.
"Auch mit der Steuerbefreiung, die nach unserem Rückzug angeboten wurde, erbrachten unsere Berechnungen nicht die erwünschten Rendite", erklärt Antonio Marques. "Die Entscheidung, nicht mitzumachen, war hart. Aber die Vernunft ließ es nicht zu."
Ein weiterer Großunternehmen, Andrade Gutierrez, hatte sich mit dem Konsortium Belo Monte Energia zwar als einziges rechtzeitig beworben und nahm an der Auktion teil, damit sie überhaupt hatte stattfinden können. Er blieb mit einem Angebot R$ 82,98 jedoch nur 2 Centavos unter der Obergrenze. Somit brachte die Auktion nur 6% an Preissenkung.
Der private Sektor hat sich also an Belo Monte nicht so beteiligt, wie das erwartet worden war. Wird nun die Regierung das Vorhaben im Alleingang durchführen? Das von der Regierung nominierte und spätere Siegerkonsortium Norte Energia, bei dem die staatliche Chesf mit 49,98% klar dominiert und den Zuschlag erwirkt haben dürfte, vermittelt diesen Eindruck.
Die Eile, mit der das Konsortium gegründet wurde, und der hastige Ablauf der Auktion von Belo Monte lassen immer mehr Zweifel an Belo Monte aufkommen. Die nächste Hürde ist die Zusammensetzung der Gesellschaft, die für den Bau und den Betrieb der Anlage von Belo Monte verantwortlich sein wird. Sie muss bis 23. September fest stehen, wenn der Vertrag über die Vergabe der Konzession unterzeichnet werden soll. Im Gespräch sind die Pensionsfonds der staatlichen Unternehmen - was noch mehr staatliche Beteiligung bedeuten würde - und große Energieverbraucher.
Laut Estadão trug die zu niedrige Kosteneinschätzung von Belo Monte dazu bei, dass Andrade Gutierrez nicht wirklich mitsteigerte. Gegenüber R$ 19,6 Mrd der Regierung geht der private Sektor von R$ 32 Mrd aus. Bei einer Verhandlung zwischen Regierung und Unternehmer forderte Maurício Tolmasquim, Präsident des Energieforschungsunternehmens EPE, zumindest eine Erhöhung von R$ 500 Mio für halbjährliche Flugkosten der Angestellten, um ihre Familien zu besuchen. Darauf der Bergbauminister Lobão: "Dann wäre es besser, gleich 10 'AeroLulas' anzuschaffen".